Am Samstag, 22. Februar, hatte das Musical „Hair“ Premiere auf der Großen Bühne des Theaters Trier. Inszeniert wurde das naturgemäß bunte, quirlige und nicht zuletzt haarige Spektakel von Intendant Gerhard Weber.
Es ist DAS Musical der Popkultur und selbst schon lange Kult. Mit seinen schmissigen Songs, die eine ganze Generation bewegt haben, ihren „Spirit“ aufgreifen und am Leben erhalten. Wenn auch nur für etwas mehr als zwei Stunden auf der Bühne: HAIR. Das Musical rund um die Hippiebewegung, die 68er, Frieden, freie Liebe und Flowerpower. Der Name allein zieht schon in die Theater, die Songs bleiben für Tage im Ohr und die Kostüme wecken die stille Sehnsucht nach Farben und Mustern im doch meist grauen Alltag. Im Theater Trier ist das Musical, welches in Deutschland mit zu den erfolgreichsten gehört, nun seit Samstag, 22. Februar, zu sehen. Inszeniert wurde das Mammutprojekt, welches neben dem kompletten Tanzensemble, fast das komplette Schauspielensemble und zudem Gäste aus dem Musicalbereich in Anspruch nahm, von Intendant Gerhard Weber. Die Geschichte ist wohlbekannt:
Kunterbunt und flott
Die Freunde Berger und Claude gehören zur Hippiebewegung und leben mit ihren Freunden und ihrer „Mitbewohnerin“ Sheila kunterbunt, leichtfüßig und friedliebend in den Tag hinein. Sie protestieren gegen den Krieg, gegen die moralischen Lebensvorstellungen der Eltern und lassen dabei öfters mal ein Tütchen rumgehen. Das Leben könnte nicht schöner, unbeschwerter und tagträumerischer sein. Bis Claude eines Tages den Einberufungsbescheid von der Army bekommt. Er soll in den Vietnamkrieg ziehen. Das löst nicht nur in dem weltfremden jungen Mann Panik aus, sondern auch in seinen weltfremden, jungen Freunden die unterschiedlichsten Gefühle.
Die Geschichte besticht nicht durch einen großen Handlungsverlauf, Claude wird einberufen und hadert mit sich, ob er nun den Dienst am Vaterland antreten soll oder nicht. Nach einem folgenreichen Drogentrip entschließt er sich: Er will etwas aus seinem Leben machen, nicht nur auf der Straße herumlungern oder nach Indien gehen und dort „Brot backen“ wie sein Kumpel Berger. Er zieht in den Krieg. Und fällt. Damit ist die Geschichte erzählt. Vielmehr geht es aber um die Irrungen und Wirrungen der Hippiebewegung, das Lebensgefühl, die Farben und Formen, auch um die Schattenseiten, die Abgründe, die sich hinter dem vermeintlich Locker-leichten auftun. So ist es für Berger kein Problem ganz friedlich ein Tütchen zu rauchen und gegen den Krieg zu demonstrieren, um seiner „Mitbewohnerin“ Sheila im nächsten Moment mehrfach eine runter zu hauen, weil die ihn mit ihrem Genörgel in seiner Lust behindert. So könne man ja keinen Sex haben.
Die Sänger, Tänzer und Schauspieler des Stückes sind mit viel Spaß und noch mehr Einsatz dabei, bemühen sich jeder auf seinem Gebiet nach Kräften; überzeugend wirken die engagierten Musicaldarsteller. Nadine Eisenhardt ist als Sheila nicht nur ein schöner Anblick, sondern gesanglich in den zarten Momenten besonders schön anzuhören. In den rockigen Momenten fehlt ihrer engelsgleichen Stimme leider das Rockröhrige. Hier kann wieder Orchestermitglied Cornelia Hain auftrumpfen. Was Rocker- und Soulqualitäten anbelangt bleibt die junge Musicaldarstellerin hinter der Stimmgranate aus Trier etwas zurück. Bei Claude und Berger, alias Jörn-Felix Alt und Matthias Stockinger überzeugen die darstellerischen Qualitäten, Alt spielt mit viel Liebe zum Detail, arbeitet so gekonnt die Figur des Claude aus. Stockinger trumpft da eher mit viel Körpereinsatz auf. Stimmlich kann unter den Schauspielerkollegen aus Trier Barbara Ullmann mithalten, leider bekommt sie wenig Gelegenheit auch schauspielerisch von sich zu überzeugen. Bei ihren Trierer Kollegen ist es eher der umgekehrte Fall. Man bemerkt einfach einen Unterschied zwischen den Musical- und den Schauspielkollegen: Das Trierer Ensemble, in dem „nur“ zwei Musicaldarsteller fest vertreten sind, nämlich Luis Lay und Matthias Stockinger, versucht engagiert mit den Musical erprobten und geschulten Kollegen mitzuhalten. Das dies nicht immer gelingt, muss auf der Hand liegen. Da bleibt dann meistens das Singen auf der Strecke oder eben das Schauspielern. Die Tänzer, unter der Leitung von Amy Share-Kissiov, schwingen zwar munter und flott das Tanzbein, erinnern dabei aber leider eher selten an die fließenden, tranceartigen Bewegungen der 60er Jahre. Nicht nie, aber selten.
Großes Engagement aller Sparten
Dies ist auch die Krux der Inszenierung, es gibt Momente, in denen das Flair der Zeit und der Flow des Stückes rüberkommen, aber diese werden oft abgelöst, von Momenten in denen dies nicht der Fall ist. Teilweise wirkt die Inszenierung überstürzt, da reiht sich eine Gesangseinlage flott an die nächste. Die Geschichten der Figuren bleiben ein kurzes Sehen im Vorbeigehen, statt zu einem mitreißenden Kennenlernen zu werden. Um dennoch das Drama und den Konflikt wenigstens einer Hauptfigur an den Zuschauer bringen zu können, behilft sich Weber mit bekannten Griffen. Die spießige Elterngeneration verschwindet hinter übermenschlich großen „Statussymbolen“ wie dem Bügelbrett und dem Rasenmäher. Klar, was das Leben einst erleichterte, wurde über die Zeit zum erdrückenden Ordnungsapparat. Plastikmaschinengewehre, die von der Bühnendecke schweben, symbolisieren klar die Macht der Armee, die Schrecken und Greuel des Krieges, aber stellenweise wirken die Schaumstoff-Maschinengewehre und übermannshohen Rasenmäher etwas drüber.
Lobend zu erwähnen ist das große Engagement des Ensembles dem Kultmusical gerecht zu werden. Zudem sind die Kostüme von Alexandra Bentele wirklich ein Augenschmaus. Die Ausstattung von Fred Pommerehn und Katrin Gerheuser schwankt zwischen kunterbunter Plastikwelt und mechanischen Gerüstbauten. Militär und Krieg auf der einen und Hippiebewegung auf der anderen Seite, zumindest im Ansatz. Im Ansatz eben alles sehr schön, mit viel Spaß und Einsatz, vielen tollen Ideen und Einfällen. Es fehlt der Zusammenhang, der Flow, wie führt das eine zum anderen? Das Ende kommt überraschend; überraschend flott und überraschend reglos beim Zuschauer an. Schön ist am Schluss noch einmal die Chorsequenz, in der spürbar wird, wieviel Energie und Feuereifer die Darsteller in diese Produktion gesteckt haben.
Fazit: Für HAIR leider etwas lasch geraten. Getragen wird die Produktion von dem Willen und Engagement der Darsteller aus allen drei Sparten, von den immer noch hitverdächtigen Songs und der Tatsache, dass es eben HAIR ist, was man da sieht. Da ziehen alle an einem Strang, die Besten der besten Produktionen (Amy Share-Kissiov, Alexandra Bentele, Fred Pommerehn) kamen zusammen. Aber wie war das mit den zu vielen Köchen und dem Brei? Musicalfreunden wird sie dennoch Spaß machen und die Karten werden mit Sicherheit mehr als flott ausverkauft sein.
Fotos: Theater Trier
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