Zur dritten Auflage der Humorprofis-Lesereihe in der Trierer TUFA kam mit Harald Martenstein ein scharfsinniger und manchmal auch bösartiger Beobachter unseres Alltags, den dieser in seinen Kolumnen in der Zeit und im Tagesspiegel verarbeitet. 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke war vor Ort.
„Ich schreibe das, was ich so erlebe. Mehr ist es nicht.“ Nein, Harald Martenstein vermittelt nicht den Eindruck, ein besonders optimistischer Mensch zu sein. Wie auch, bei all dem Irrsinn, der um uns herum so vor sich geht und den kaum einer so präzise in Worte zu fassen vermag wie der Kolumnist und Autor, der in Berlin lebt. Der Weg aus der Hauptstadt nach Trier ist weit, sehr weit sogar, wie er erschüttert bemerkte und ergänzte, dass eine Reise nach Südafrika wesentlich schneller bewältigt sei. Immerhin hat er die Reise nun schon zum zweiten Mal auf sich genommen, dumm nur, dass Martenstein sich an seinen ersten Aufenthalt nicht mehr erinnern konnte. Zum Glück konnte ihm geholfen werden, in der Pause wurde seine Erinnerungslücke von einer Besucherin geschlossen.
Die Humorprofis gingen am Dienstag in die dritte Runde. Nach Heinz Strunk (zum Bericht) und Thomas Gsella nun also Harald Martenstein. Dem Konzept der Lesereihe entsprechend las der Kolumnist zunächst eine Stunde aus seinem aktuellen Buch „Ansichten eines Hausschweins: Neue Geschichten über alte Probleme“ und erntete im ordentlich besuchten Großen Saal der TUFA einige lautstarke Lacher. Die Installation einer Satellitenanlage in seiner Datscha in Brandenburg stellte den Autor zum Beispiel vor ungeahnte Probleme, musste er sich doch nun mit der grenzenlosen Vielfalt von Sendern herumschlagen, die sich der Werbung für Telefonsex oder einem qualitativ fragwürdigen Erotikprogramm für den Mann in den besten Jahren verschrieben hatten. Alpenglühn TV führte ihn ins „Jagdrevier der scharfen Gemsen“, was den peniblen Beobachter zu einer angeregten Sozialstudie über die potenziellen Konsumenten eines derartigen Programms veranlasste (zur Kolumne).
Auf den ersten Teil der Lesung folgte nach der Pause ein kurzes Gespräch mit Moderator Dorian Steinhoff, der diesmal deutlich besser vorbereitet wirkte als bei seinem komplett misslungenem Debüt mit Heinz Strunk. Trotzdem kam das Gespräch nicht so recht in Gang. Man arbeitete sich mehr oder weniger chronologisch an Martensteins Werdegang vom Lokaljournalisten zum Zeit-Kolumnisten ab, was aber zumindest die ein oder andere lustige Anekdote bot.
Danach besann man sich wieder auf die Stärken des Gastes. Martenstein bot nach dem Gespräch noch einen Schnelldurchgang durch alte und neue Kolumnen. Im Gegensatz zu vielen seiner Zunftkollegen hört man dem Autor gerne zu. Er liest verständlich und pointiert, was vor allem den kleinen, gemeinen Wendungen und Eskalationen seiner Alltagsgeschichten eine besondere Würze gibt. Seine Weltsicht ist durchaus pessimistisch. Die Lektüre der Beschriftung einer REWE-Papiereinkaufstüte löst massiven Welthass aus. Er habe mit seinen Texten nichts bewegt, verkündet er traurig, um dann doch eine Ausnahme zuzugeben. Die an Raststätten erhältliche „Travel-Pussy“ für drei Euro das Stück wurde im Onlinehandel nach seiner Kolumne im Preis gesenkt. So funktioniert Marktwirtschaft!
Dorian Steinhoffs letzte Frage an den Autor zielte auf eine ehrliche Beschreibung, die Harald Martenstein zur Selbstcharakterisierung auf seine Visitenkarte schreiben würde. Seine lapidare Antwort: „…war zweimal in Trier.“ Es ist zu hoffen, dass er die beschwerliche Reise auch noch ein drittes Mal auf sich nimmt.
Der nächste Humorprofi in der TUFA wird am Dienstag, 29. Mai um 20 Uhr Piet Klocke sein. Der Vorverkauf hat begonnen, Karten kosten 19 Euro (Abendkasse 20 Euro).
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