Monika Pradelok (Text und Foto)
Das Theaterfest des Theaters Trier sowie die Verleihung der Theatermaske 2013 liegen bereits zwei Wochen zurück. 5vier traf sich mit Tanztheaterdirektor Sven Grützmacher und unterhielt sich mit ihm über seine Auszeichnung, sein neues Tanzprojekts Winterreise sowie die Zukunft des Theaters Trier.
Regisseur, Choreograph und seit kurzem Träger der Theatermaske – Sven Grützmacher hat viele Talente und seine künstlerischen Leistungen bringen nicht nur dem Tanztheater, sondern dem gesamten Haus eine große Menge überregionale Aufmerksamkeit. So wurde das Tanztheaterensemble unter seiner Leitung wiederholt zu nationalen sowie internationalen Gastspielen eingeladen. Solch ein Kraftakt muss belohnt werden – in diesem Punkt schien sich auch die Jury der Theaterfreunde einig zu sein. „Eine große Ehre“, wie der Tanztheaterdirektor findet. Er habe sich sehr über diese Auszeichnung gefreut, vor allem unter dem Aspekt, dass die Zuschauer ihren “Liebling” wählen konnten. Sie stellt in seinen Augen eine Art Belohnung dar, die man für seine harte Arbeit überreicht bekommt.
The show must go on
„Doch das Geschäft geht weiter“, hebt er hervor. Auf seinen Lorbeeren möchte sich der gebürtige Berliner nicht ausruhen, denn neben den Proben für die Wiederaufnahmen von Falco- The Spirit Never Dies steht ein neues Projekt an. Momentan wird für die Produktion Winterreise geprobt, die am 12. Oktober um 19.30 Uhr ihre Premiere im Großen Haus feiert. Hierbei handelt es sich um Franz Schuberts berühmten Liederzyklus Winterreise, Vertonungen von Gedichten Wilhelm Müllers aus dem Jahr 1827. „Wir bringen diese in der orchestralen Bearbeitung von Hans Zender auf die Bühne. Dadurch bekommt es eine ganz andere Spannung.“ In expressiven Bildern sowie einer eindringlichen Choreographie setzt Sven Grützmacher dieses aus der Romantik stammende Werk als „berührendes Tanztheater“ in Szene. Dabei zeichnet er das Bild eines an der bürgerlichen Welt verzweifelnden Menschen, der sich in der “kalten” Gesellschaft nur nach Liebe und Geborgenheit sehnt.
Gesellschaftskritisch und nah am Menschen
Auch in diesem Werk steht wieder der Mensch im Mittelpunkt von Grützmachers Arbeit. „Ich kann mir schwer vorstellen, in die Abstraktion zu gehen. Es gibt Choreographen, die das machen. Auf die Dauer würde mir das aber nicht reichen, denn ich möchte Geschichten erzählen, die berühren, ergreifen und die Zuschauer eventuell auch zum Lachen bringen.“ Das Publikum soll sich in den Werken wieder erkennen, wenn nicht sogar mit den Charakteren identifizieren können. So konnte man z.B. bei seinem Tanzstück Das Narrenschiff Zeuge des inneren Kampfes von zwölf grundauf verschiedenen Personen werden. Die Frage, wie Menschen in Extremsituationen reagieren, beschäftigte ihn. Er entschloss sich dazu, seine “Auserwählten” auf eine abenteuerliche Schiffsreise in die Abgründe der menschlichen Seele zu schicken – mit großem Erfolg. Und auch bei der Produktion Falco – The Spirit Never Dies, welche von der australischen Choreographin Amy Share-Kissiov in Trier kreiert wurde, steht das Individuum im Mittelpunkt. Hier wird die Zerrissenheit des Künstlers Falco – Alter Ego der Privatperson Hans Hölzel – aufgezeigt, die unter anderem durch dessen kometenhaften Ruhm und der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit ausgelöst wurde. Und auch in Winterreise droht der künstlerisch begabte Wanderer an der Gesellschaft zu verkümmern, wenn nicht sogar zu zerbrechen. Grützmacher will Geschichten mit „Identität“ und Tiefgang erzählen. Denn: „Jeder Mensch verspürt mit Sicherheit eine Art Melancholie oder Sehnsucht nach Dingen, die ihm im Alltag fehlen.“ Aus diesem Grund versucht er aus Müllers Texten Kurzgeschichten zu bauen, sie miteinander zu verweben und diesem Gefühl auf den Grund zu gehen.
Trier als Kulturstadt
Dass Grützmacher eine Bereicherung für das Theater Trier ist, wird er schon des öfteren gehört haben. Doch er steht dieser Erwartungshaltung nüchtern entgegen: „Es wird immer Produktionen geben, die Signalwirkung haben.“ Es werde immer schwieriger, qualitativ Hochwertiges auf die Bühne zu bringen. In Rückblick auf die letzte Spielzeit, die nicht nur im Tanztheater mit einigen Juwelen glänzte, gelang es ihm trotz des vorgegebenen Budgets, mit einer handvoll grandioser Werke – Eigenproduktionen sowie Choreographien – aufzutrumpfen. Nicht zuletzt sein Engagement (gemeinsam mit dem Trierer Künstler Bodo Korsig) für die Produktion Das Narrenschiff, für die er aufgrund der sehr eingeschränkten Bühnenbildmittel rund 10.000 Euro an Spenden sammelte, brachte ihm zusätzliche Anerkennung des Publikums. Zur prekären Lage des Theaters äußert sich Grützmacher kritisch. „Es stellt sich die Frage: Ist Trier eine Kulturstadt?“ Obgleich einige Konzepte zur Rettung des Theaters vorliegen würden, fehle es an Klarheit und dem nötigen Willen zu deren Umsetzung. „Es ist eine erdrückende, ermüdende Situation“, räumt er ein und beschreibt damit das „In-der-Luft-hängen“ des Theaters. Nur wenn Tatsachen folgen würden, könnte man gemeinsam eine Richtung einschlagen – mit neuen Visionen und Ideen, die möglichst zügig besprochen werden sollten. Dafür dürften jedoch nicht weitere Baustellen geöffnet werden, denn diese würden einen schließlich nicht weiterbringen. Eine langfristige Lösung gehört also gefunden, die den Status Triers als Kulturstadt sichert.
Sven Grützmacher ist ein sensibler, wenn nicht sogar visionärer Künstler, der keine Angst vor Experimenten hat. Mit seinen modernen und innovativen Ideen bereichert er Triers Theaterlandschaft und sorgt für einen bleibenden Wiedererkennungswert. Man darf auf die Umsetzung seiner Winterreise sowie die atmosphärische Gestaltung des Bühnenbildes gespannt sein.
5vier gratuliert noch einmal herzlich zum Erhalt der Theatermaske und wünscht für die kommenden Aufführungen viel Erfolg.
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