Jan Brandscheid war in den letzten beiden Saisons der erfolgreichste Torjäger der Trierer Eintracht. Diese Saison machte ihn eine Oberschenkelverletzung zu schaffen, die sich länger zieht als erwartet. Wir haben uns zum Ende des Jahres 2019 mit ihm über den Aufstieg, die berufliche Situation und Christian Streich unterhalten.
5vier.de: Hallo Jan, du bist jetzt nach deiner Verletzung wieder seit einer ganze Weile dabei, wie geht es dir im Moment?
Brandscheid: Mir geht es ganz gut, es wird besser und besser. Ich bin noch nicht bei 100 Prozent, das dauert länger als geplant, aber ich bin auf einem guten Weg.
Du hattest einen Muskelbündelriss im Oberschenkel, warst deswegen die ersten sieben Spieltage ausgefallen. Was hast du in dieser Zeit gemacht?
Bei der Verletzung waren die Sehnen beteiligt, was nicht gut war. Die habe ich bis zur Hüfte gespürt, obwohl der Bündelriss schon ausgeheilt war. Die ersten Wochen habe ich bei Dr. Krapf gemacht, um die Heilung zu fördern, zudem Medikamente genommen. Es ist eine schwierige Zeit, von der Tribüne aus zugucken zu müssen. Man will unterstützen, aber ist komplett raus.
Als ich dann mit dem Aufbautraining anfangen konnte, lief es ganz gut. Aber wieder voll ins Training einsteigen konnte ich erst nach sieben, acht Wochen. Das hat mich enorm zurückgeworfen. Aber wie gesagt, ich fühle mich immer besser.
Brandscheid ist heimatverbunden
Schauen wir in deine sportliche Vergangenheit. Du hast in der Jugend ein Jahr für den SC Freiburg gespielt. Dein damaliger A-Jugendtrainer Christian Streich ist mittlerweile eine Kultfigur des deutschen Fußballs geworden. Wie war es unter ihm zu trainieren?
Christian ist genauso, wie man ihn aus den Medien kennt. Auch unter vier Augen. Du merkst, er lebt den Fußball, als gäbe es nichts anderes für ihn. Ich habe technisch wie taktisch noch nie so viel innerhalb eines Jahres gelernt. Es ist enorm, was er einer Mannschaft geben kann.
Wie ging es dann für dich persönlich weiter?
In Freiburg ging es leider nicht weiter. Ich hatte die Möglichkeit woanders hinzugehen, aber ich war der Heimat immer sehr verbunden und wollte zurückkommen. Reinhold Breu war damals für die Eintracht-Jugend tätig, der war ein starker Befürworter, wollte mich in die 1. Mannschaft führen. Deswegen kam ich wieder zurück.
Du bist zurückgekehrt, dann aber ein paar Mal gewechselt, bis du 2015 beim SV Mehring gelandet bist. Im ersten Jahr reichte es für sieben Tore und zwei Vorlagen. Im zweiten Jahr bist du förmlich explodiert, hast 31 Tore und elf Vorlagen erzielt. Hat dich da nochmal der Ehrgeiz gepackt, zum größten Verein der Region zu wechseln?
Es war generell für mich immer das Ziel, für die Eintracht zu spielen. Als die Möglichkeit aufkam, habe ich trotz anderer Angebote, zum Beispiel aus Luxemburg, gab es für mich nur diese Option. Nicht nur weil es der größte Verein der Region ist, sondern auch weil ich fast meine ganze Jugend hier verbracht habe. Die Gespräche verliefen gut, daher war meine Freude groß, als es geklappt hat. Ich liebe es für den Verein zu spielen.
Brandscheid hat den Torriecher
In den letzten beiden Saisons warst du der erfolgreichste Torschütze der Eintracht. Liegt dir das System, das gespielt wird? Oder gibt es andere Faktoren, die für dich entscheidender sind?
Ich fühle mich ganz grundlegend im Verein sehr wohl. Das Team ist seit dem ersten Tag überragend. Ich habe mich auch schnell zu einer Führungsfigur entwickeln können, das habe ich so nicht erwartet. Im ersten Jahr habe ich eher auf der Außenbahn gespielt, da hatte ich nicht ganz so viele Tormöglichkeiten. Letztes Jahr als Stürmer wurde das dann mehr, das ist auch meine Lieblingsposition. Es hat dann einfach immer besser gepasst. Die Mitspieler haben mich in Szene gesetzt, ich habe zudem einfach einen Torriecher. Es macht Spaß hier zu spielen.
Der Reiz, den Verein wieder nach oben zu bringen, ist groß. Das muss auch das Ziel sein, irgendwann wieder aufzusteigen. Ich will so gut es geht dabei helfen. Für einen Stürmer bin ich weder besonders groß noch besonders kopfballstark. Meine Stärken liegen in der Schnelligkeit, Beweglichkeit und im direkten Abschluss.
Du hast aber auch für einen Stürmer relativ viele gelbe Karten gesammelt. Woran liegt das?
Ich spiele gerne körperlich. Als Führungsspieler möchte ich in gewissen Situationen Zeichen setzen. Da gehört auch mal ein (taktisches) Foul dazu, das gelbwürdig ist. Außerdem bin ich verbal aufmerksam, unterstütze die Mannschaft, bin aber auch manchmal emotional und kritisch gegenüber dem Schiedsrichter. Da kassiert man auch als Stürmer hin und wieder gelb. Aber es hält sich trotzdem im Rahmen.
Aggressivität als Spielstil
Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Im Gedächtnis bleibt, dass ihr keine einzige Heimniederlage kassiert habt. Leider wird die Erinnerung getrübt, da ihr auswärts häufig ohne Punkte nach Hause kamt. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären?
Hier fühlen uns zu Hause vielleicht einen Tick wohler. Wir haben einen großen Platz, auf Rasen, den findet man in der Liga nicht so häufig. Hier können wir unsere taktische Überlegenheit besser ausspielen. Auf fremden Geläuf sind die Plätze häufig kleiner, teilweise in schlechter Qualität, teilweise spielen wir auf Kunstrasen. Damit tuen wir uns eventuell schwerer. Das soll natürlich keine Ausrede sein.
Wir haben nicht die Offensivpower wie zu Hause, wir schießen bei weitem nicht so viele Tore. Das ist natürlich einer der Hauptgründe.
Du sprichst die taktische Überlegenheit an. Josef Cinar ist noch nicht so lange Trainer, jetzt etwas länger als ein Jahr. Wie erinnerst du dich an den Trainerwechsel? Was hat sich seitdem geändert?
Ich finde, dass wir uns im taktischen Veralten sehr verbessert haben. „Jupp“ ist zwar noch nicht so lange Trainer, aber man merkt, dass er eine Menge Erfahrung hat. Er geht akribischer in die einzelnen Situationen. Er baut die Taktik von hinten nach vorne auf. Es gibt ein Grundgerüst, er geht dann ins Detail. Wir sind immer noch in einem Lernprozess, aber wir entwickeln uns permanent weiter.
Jan Brandscheid will in die Regionalliga
Dein Vertrag läuft bis 2021. Denkst du, dass bis dahin der Aufstieg Pflicht ist?
(Überlegt) Pflicht… Ja, schon irgendwie. Ich spreche es ungern aus, aber ich finde, dass es wichtig für den Verein wäre. Man muss wieder in die Regionalliga, um das komplette Umfeld attraktiver zu machen. Trier gehört einfach nicht in die Oberliga.
Bei sportlichen Zielen, wie zum Beispiel ein geforderter Aufstieg, entsteht auch Druck. Dieses Jahr jährte sich der Tod von Robert Enke zum zehnten Mal. Deswegen wurden Themen wie Depression, Leistungsdruck und ähnliches im Profisport wieder zum Thema. Wie sieht es da bei euch in der Oberliga aus?
Zu uns kommt einmal die Woche eine Sportpsychologin. Sie bietet uns zum einen Einzelgespräche an, macht aber auch Gruppenübungen. So versucht sie auf mentaler Ebene möglichst viel aus uns rauszuholen. Meiner Meinung nach ist das sehr sinnvoll.
Noch einmal zu dir: Du bist wie viele andere Spieler beruflich aktiv, musst den Fußball noch dazu integrieren. Wie schwer ist es die Balance zu halten?
Ich arbeite in Luxemburg als Einkäufer in einer Metall- und Stahlbaufirma. Dort bin ich hauptsächlich im Büro am Schreibtisch. Dass ich abends noch den körperlichen Ausgleich habe ist ganz gut. Mir gelingt die Balance gut. In der Industrie fängt man früh an, das passt dann gut mit dem Training abends. Und mein Arbeitgeber ist sehr einsichtig, wenn ich mal früher auf den Platz muss.
Balance zwischen Schreibtisch und Sportplatz
Hegst du denn noch den Traum, einmal als Vollprofi dein Geld verdienen zu können?
Ich bin jetzt in einem gewissen Alter und habe eine berufliche Situation, da wäre es nicht so klug komplett aus dem Beruf zu scheiden. Ich bin da mittlerweile sehr gut aufgestellt und kriege das sehr gut unter einen Hut. Da weiß ich nicht, ob es so viel Sinn macht, ein, zwei Jahre Vollprofi zu werden.
Zurück zur Startseite geht’s hier – 5vier.de
Wir suchen Prakikanten (m/w/d) und Redakteure (m/w/d).
Melde dich einfach unter [email protected].
Denn: Motivation ist wichtiger als Erfahrung!
Schreibe einen Kommentar