Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, stellte sich den Fragen der 5VIER-Redakteure um Dennis Nathem und Vinzenz Anton. Dabei wurde über Europapolitik, die neue Trierer SPD-Kandidatin für das Bundestags-Direktmandat und die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gesprochen. Humorvoll verdeutlichte die in Schweich lebende Barley, was sie an den Gladiators Trier toll findet.
Von Vinzenz Anton
Teil eins des großen Interviews mit Europapolitikerin Katarina Barley. Die Themen: Olaf Scholz, internationale Zusammenarbeit mit den USA und die Römerstrom Gladiators Trier. Hier gibt’s das Interview in voller Länge zum Nachhören.
Kanzlerkandidat der SPD wird wohl Olaf Scholz sein. Sie haben ihm bei Twitter gratuliert und sich sehr positiv geäußert. Warum ist er der richtige Kandidat?
Wenn ich jetzt böse wäre, dann würde ich sagen, weil er natürlich Merkel sehr ähnlich ist (lacht). Ich kenne ihn schon sehr lange und er ist jemand – und viele kennen ihn als langjährigen Hamburger Bürgermeister – der sehr besonnen ist, der sich selber auch nicht wichtig nimmt. Das ist das, was ich an Angela Merkel sehr schätze und das hat Olaf Scholz halt eben auch. Das hat von den CDU-Kandidaten keiner. Sie nehmen sich alle wahnsinnig wichtig, da geht’s in erster Linie um sie selber und das ist bei Olaf Scholz anders. Er braucht nicht die große Bühne, er will am Ende nur einen guten Job machen. Und er macht auch einen verdammt guten Job. Das ist die große Chance. Wenn man sich das auf der internationalen Ebene vorstellt, mit klaren Vorstellungen und Kompetenz, ist es ein unglaublich spannendes Paket. Er hat einen hanseatischen und coolen Humor. Er ist einer der verlässlichsten Menschen, vor allem in der Politik, die ich kenne.
Die Stimmung intern ist zwiespältig. Kann die Partei geeint in den Wahlkampf gehen?
Das stellt sich vielleicht so dar, wenn man in die Sozialen Netzwerke schaut. Wenn man die letzte Umfrage gesehen hat: In allen Parteien außer der AfD hat Olaf Scholz mehr Zustimmung als Ablehnung. Die Werte bei der SPD waren sensationell gut. Ich kann das auch hier von der Basis vor Ort sagen: die Rückmeldungen, die wir bekommen haben, sind fast ausnahmslos positiv.
Auch die Jusos, die nach außen hin immer sehr kritisch gegenüber Olaf Scholz dargestellt werden – es in Teilen sicher auch sind, dazu sind Jugendorganisationen auch da – unterstützen diese Kandidatur. Also ich habe richtig Lust auf diesen Wahlkampf.
5VIER: Blicken wir auf die internationale Politik: Die Beziehungen zu den USA sind seit einigen Jahren verhärtet. Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich die internationale Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zeitnah verbessert?
Mit diesem Präsidenten wird das nicht mehr – es sei denn, wir schleimen uns bei ihm total ein, was ich nicht vorhabe. Trump kennt nur ein Interesse und das ist sein eigenes, sein persönliches. Ihn interessiert nur er selbst und sonst gar nichts. Mit ihm kann man keine vernünftige Politik auf Augenhöhe machen. Er will Amerika „great“ machen – dazu gehört, dass er Europa klein macht. Er spielt Staaten gegeneinander aus, wie zum Bespiel beim US-amerikanischen Truppenabzug aus Deutschland zu beobachten, oder bei Nord Stream 2. Er will die EU auseinandertreiben, genauso wie Russland und China.
Sie waren in der Vergangenheit oft als Zuschauerin in der Arena Trier und haben den Gladiatoren die Daumen gedrückt: Was begeistert Sie an den Römerstrom Gladiators Trier?
Der Trainer (lacht). Ich liebe das intelligente Spiel und die Schnelligkeit, obwohl ich selbst nie Basketball gespielt habe, sondern Handball. Ich wusste nicht, wie komplex dieser Sport wirklich ist. Marco hat mir die Augen geöffnet und jetzt verstehe ich, dass es für ein erfolgreiches Team weit mehr braucht als gute Spieler und eine passende Taktik. Es freut mich, einen neuen Einblick gewonnen zu haben – je mehr ich davon lerne, desto faszinierter bin ich. Auf die neue Saison freue ich mich irre, da wir einen super Kader haben. Marco hat sein absolutes Wunschteam zusammenstellen können. Die Jungs werden ihr Herz für Trier aufs Parkett bringen.
Was können Sie von Ihrem Mann als Profitrainer für Ihren Berufsalltag lernen und was kann sich Ihr Mann von Ihnen als Berufspolitikerin für den Alltag als Coach abschauen?
Wenn es ums Lernen geht, kann die Politik vom Sport deutlich mehr lernen als umgekehrt. Der Spiegel hat über unsere Hochzeit berichtet und geschrieben ‚Sie hat sich den Coach nach Hause geholt‘ (schmunzelt). Ich stelle fest, dass wir uns in der Politik über viele Dinge zu wenig Gedanken machen, die ich jetzt erst richtig kennenlerne: Teambuilding und (Phasen-)Planung. Wenn ich Politik mache, habe ich immer volle Pulle gemacht. Also morgens um 8 Uhr anfangen und dann abends um 22 Uhr enden – zwar völlig erschöpft, aber zufrieden und ausgepowert. Und das habe ich immer wieder an sechs Tagen die Woche durchgezogen. Ich bin ein Extrembeispiel, weil ich extreme Positionen ausgeübt habe. Als ich im Wahlkampf war, hat Marco zu mir gesagt: Das geht nicht! Du kannst nicht rund um die Uhr 100 Prozent Leistung bringen, das funktioniert nicht! Er hat versucht, mir Ruhepausen einzubauen. Daran muss ich mich noch üben. Der politische Alltag ist brutal und erbarmungslos. An diesem Punkt könnte die Politik sehr viel vom Sport lernen.
Wo genau liegt der Unterschied zwischen Politik und Sport?
Beim Sport ist es so, dass dich die ganze Saison über jeder auslachen kann und du nicht ernst genommen wirst. Wenn du dann aber am Ende die Meisterschaft gewinnst, finden dich alle toll. In der Politik ist es genau umgekehrt: Die Leute müssen dich toll finden, damit das Ergebnis gut wird. Und das ist viel schwieriger, denn zum „toll finden“ gehören mehr Faktoren, als ein erfolgreiches Sportresultat zu erzielen. Deswegen kann ich von Marco in unseren Rollen mehr lernen als umgekehrt. Es sind zwei super spannende Tätigkeiten, die aber auch sehr verschieden sind.
Das ganze Interview als Podcast hören? Hier entlang.
Kommentar verfassen