Es ist eine traurige Geschichte, die das Pilgerdrama „Dein Weg“ erzählt. Nachdem sein Sohn auf dem Jakobsweg tödlich verunglückte, soll ein amerikanischer Augenarzt den Leichnam zurück in die Staaten bringen. Doch er vollendet den Weg seines Sohnes und findet sich am Ende selbst. 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke hat sich das bewegende Drama im Trierer Broadway angesehen.
„Dein Weg“ ist eine Familiengeschichte im doppelten Sinne. Regisseur Emilio Estevez erzählt die Geschichte eines Vaters, der nach dem Tod seines Sohnes diesem auf dem Jakobsweg wahrscheinlich näher kommt als jemals zuvor. Die Rolle des verbitterten und trauernden Vaters hat er dabei seinem eigenen Vater Martin Sheen auf den Leib geschrieben, der eine meisterhafte Leistung abliefert.
Tom Avery (Martin Sheen), ein wohlhabender Augenarzt aus Kalifornien, erhält die schreckliche Nachricht auf dem Golfplatz. Sein Sohn Daniel ist auf dem Jakobsweg tödlich verunglückt und der Mittsechziger muss den schweren Gang nach Europa antreten, um den Leichnam seines Sohnes zu identifizieren und heimzuholen. So reist er nach Saint Jean Pied du Port und bekommt einen ersten Eindruck vom Camino, dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Daniels Reiselust (in Rückblenden und Visionen von Emilio Estevez selbst gespielt) war Tom stets fremd geblieben, doch er trifft eine folgenschwere Entscheidung. Zusammen mit der Asche will er die früh zu Ende gegangene Reise zum Abschluss bringen und so macht er sich mit der Ausrüstung des Sohnes auf den Weg.
Tom ist anders als die zahlreichen anderen Pilger auf dem vor allem in den letzten Jahren immer beliebter werdenden Weg. Griesgrämig und trauernd geht er verbissen voran und versucht Kontakte zu Mitpilgern weitestgehend zu vermeiden, während er die Asche auf dem Weg verstreut. Schwierig wird dies beim kiffenden Holländer Jost (Yorick van Wageningen), der Tom mit seiner liebenswerten, aber distanzlosen Art gehörig auf die Nerven geht. Als er dann noch der verbitterten und zynischen Kanadierin Sarah (Deborah Kara Unger) begegnet, bildet sich gegen Toms Willen eine kleine Pilgergruppe, der sich wenig später auch noch der merkwürdige Ire Jack (James Nesbitt) anschließt. Die vier so unterschiedlichen Menschen haben ebenso unterschiedliche Beweggründe, den langen Weg nach Santiago auf sich zu nehmen. Jost will ein paar Kilo abnehmen, Sarah mit dem Rauchen aufhören und Jack eine Schreibblockade überwinden. Doch man ahnt schnell, dass es allen um viel mehr geht.
Es ist Emilio Estevez hoch anzurechnen, dass er die berührende Geschichte nicht in Kitsch und Sentimentalität erstickt hat. Er belässt den Figuren ihre Brüche und lässt vieles auch unausgesprochen. Jeder trägt seine Last weitgehend allein über den Jakobsweg. Martin Sheen sieht man in jeder Sekunde den Schmerz über den Verlust seines Sohnes an, mancher nannte dies bereits die Rolle seines Lebens. Eher ungeplant begibt sich Tom auf die Suche nach sich selbst und lernt den früher so fremd gebliebenen Sohn auf dem Camino besser kennen als jemals zuvor. „Dein Weg“ ist nicht die erste filmische oder literarische Auseinandersetzung mit dem Jakobsweg. Doch so unterschiedlich wie die Beweggründe der Pilger sind auch die Darstellungen, man denke nur an Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“, Paulo Coelhos „Auf dem Jakobsweg“ oder „Saint Jacques“, den herrlichen Film von Coline Serreau.
Bei aller Sentimentalität hat der Film aber auch seine humorvollen Momente. Die liebenswerten, wenn auch nicht immer sympathischen Charaktere, die so gar nicht zueinanderpassen, raufen sich zusammen, nicht ohne das ein oder andere skurrile Abenteuer zu erleben. Am Ende steht traditionell die Kathedrale von Santiago de Compostela mit den Gebeinen des Apostels Jakobus und die vier ungleichen Pilger haben sich verändert. Und die Reise ist noch nicht zu Ende.
„Dein Weg“ ist ein zutiefst berührendes, aber auch liebenswertes Drama mit einem Martin Sheen in Bestform. Als „Besonders wertvoll“ wurde der Film bewertet. Dem ist wenig hinzuzufügen. Eine absolute Empfehlung!
„Dein Weg“ läuft im Broadway!
USA 2010, mit Martin Sheen, Deborah Kara Unger, Yorick van Wageningen, James Nesbitt, Regie Emilio Estevez
Dave meint
Toller Film!