Von Andreas Gniffke
Zum zweiten Mal lässt Regisseur Guy Ritchie in „Spiel im Schatten“ den berühmtesten aller Detektive auf die Jagd nach dessen ewigem Widersacher Professor Moriarty gehen und Holmes-Puristen werden sich wie schon im ersten Teil verwundert die Augen reiben. 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke hat sich den Film bereits angesehen.
Es war keine besonders gute Idee von Dr. Watson (Jude Law), seinen Junggesellenabschied ausgerechnet von Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) organisieren zu lassen. Natürlich hat dieser das freudige Ereignis und somit alle potenziellen Gäste völlig vergessen und am Ende bleibt Watson nichts übrig, als Holmes in einen merkwürdigen Klub zu folgen und sich Glücksspiel und Alkohol zu widmen, während Holmes bereits wieder einer Intrige auf der Spur ist. Wenig später versinkt alles im großen Chaos und am nächsten Morgen erscheint ein reichlich ramponierter Bräutigam zu seiner Hochzeit. Wenigstens diese verläuft ohne Komplikationen, doch bereits auf dem Weg zur Hochzeitsreise nach Brighton schlägt das Schicksal in Person von Sherlock Holmes wieder gnadenlos zu. Watsons Frau wird von einem absurd verkleideten Meisterdetektiv zwecks Lebensrettung aus dem Zug geworfen und das so gegensätzliche Duo ist wieder auf dem Weg in ein neues Abenteuer von wahrhaft politischen Dimensionen.
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Regisseur Guy Ritchie (Snatch, Rock N Rolla) legt ein aberwitziges Tempo vor und bricht wie schon in seinem 2009 erschienenen ersten Teil mit so gut wie allen Sherlock Holmes-Traditionen vor ihm. Sein Holmes ist ein genialer Freak, dessen detektivischer Ehrgeiz manische Züge annimmt und der sich ansonsten in bester Kampfsportmanier von einem Schlamassel ins nächste kämpft. Sein Erzfeind, Professor Moriarty, plant nach Holmes‘ Meinung bereits wieder einen großen Coup, wie groß dieser tatsächlich sein wird, findet der Detektiv erst nach und nach heraus. Stets an seiner Seite (wenn auch meist unfreiwillig) ist Dr. Watson und das Zusammenspiel von Robert Downey Jr. und Jude Law ist es, was den Film wirklich sehenswert macht. Schnell wird klar, dass Holmes und Watson als keifendes „Ehepaar“ hervorragend harmonieren, während Watsons Flucht in die Ehe von wenig Erfolg gekrönt zu sein scheint. Ritchie überzeichnet Sherlock Holmes bis an die Schmerzgrenze, lässt ihn mit Dreitagebart und als Frau verkleidet durch wilde Actionsequenzen stolpern oder ihn große Distanzen auf einem satanischen Pony überwinden. Mehr als einmal fühlt man sich an den ähnlich grotesken Captain Jack Sparrow erinnert. Ihnen zur Seite steht die Zigeunerin Sim, aber Noomi Rapace (Verblendung) schafft es nicht, mehr als Staffage neben den beiden Helden zu sein. Selbst Watsons Bulldogge Gladstone, bereits im ersten Teil bemitleidenswertes Opfer von Holmes‘ Experimentierfreude, wirkt vitaler als die stets irgendwie hinterherlaufende Sim. Wesentlich präsenter ist dagegen Mycroft, der neu eingeführte Bruder von Holmes, der herrlich schrullig von Stephen Fry verkörpert wird.
Dem dynamischen Duo und seinen Mitstreitern steht ein Bösewicht epischen Ausmaßes gegenüber. Professor Moriarty, zurückhaltend aber ausreichend fies verkörpert von Jared Harris (Mad Men), plant, die angespannte politische Situation am Ende des 19. Jahrhunderts auszunutzen, um in einem großen europäischen Krieg ordentlich Kasse machen zu können. Hierfür ist ihm jedes Mittel recht und Holmes muss all seinen Scharfsinn aufbieten, um den ihm intellektuell absolut ebenbürtigen Erzfeind von seinem teuflischen Plan abzuhalten. Die atemlose Hatz von England über Frankreich bis nach Deutschland und schließlich in die Schweiz führt alle an ihre Grenzen und Guy Ritchie inszeniert die Jagd als fulminantes Actionkino. Wie schon im Vorgänger setzt er zum Beispiel für die Darstellung der zahlreichen Faustkämpfe auf ein Prinzip namens „Holmes-o-Vision“, in dem Holmes einem Schachspiel gleich die Züge bzw. Schläge seines Gegners im Vorfeld antizipiert und dem Zuschauer der Kampf somit vor Holmes‘ innerem Auge in Zeitlupe bereits vorher gezeigt wird. Danach kann man sich in Echtzeit anschauen, ob der Kampf tatsächlich so verläuft, wie geplant.
„Spiel im Schatten“ ist ein würdiger Nachfolger für den ersten Teil, auch wenn er insgesamt noch mehr Wert auf Action als der Vorgänger legt und daher etwas die Tiefe vermissen lässt. Überraschungsmomente gibt es nur wenige, aber zumindest während den 128 Minuten fällt dies kaum auf, so atemlos lässt Guy Ritchie seine Helden durch eine herrlich anzusehende Welt voller liebevoll gestalteter Kulissen rasen. Perfektes Popcornkino!
USA 2011, 128 Min., Regie: Guy Ritchie, Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Noomi Rapace, Jared Harris, Stephen Fry, Gladstone
Zu sehen in Trier im Cinemaxx und im Broadway
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