Bill Murray wählt seine Rollen seit jeher mit Bedacht aus, als „St. Vincent“ liefert er eine Glanzleistung ab. Er spielt einen verbitterten Misanthrop, der von einem Heiligen meilenweit entfernt zu sein scheint. Doch hinter der Fassade verbirgt sich eine herzerwärmende Geschichte. Zu sehen seit Donnerstag im Trierer Broadway.
Vincent lebt mit seinem nicht minder grummelig wirkenden Kater in einem Vorstadthaus, das beileibe schon bessere Zeiten gesehen hat. Wie Vincent selbst, der sein Leben mit Alkohol, Pferdewetten und viel schlechter Laune verbringt. Frischen Wind in die Tristesse bringt lediglich der wöchentliche Besuch einer Prostituierten (Naomi Watts mit einem furchtbaren russischen Akzent). Sein Leben ändert sich, als die alleinerziehende Maggie (Melissa McCarthy, Taffe Mädels) mit ihrem schüchternen Sohn Oliver (Jaeden Lieberher) ins Nachbarhaus einzieht. Nachdem sie fluchtartig ihren untreuen Ehemann verließ, versucht Maggie durch viele Überstunden die kleine Familie zu versorgen und vernachlässigt ihren Sohn. In ihrer Not wendet sie sich an Vincent, damit sich dieser nachmittags um Oliver kümmert. Eine absurdere Wahl für einen Babysitter kann man sich kaum vorstellen. Vincent, chronisch pleite, kann das Geld für die Betreuung des Jungen gut gebrauchen und kümmert sich auf seine ganz eigene Art um seinen Schützling, Besuche auf der Rennbahn und in der Stammkneipe inklusive. Langsam fassen die beiden Außenseiter Vertrauen zueinander und lernen einiges über sich und das Leben.
Regisseur und Autor Theodore Melfi erfindet das Kino sicher nicht neu. Doch selten wurde die sich langsam entwickelnde Freundschaft zwischen so ungleichen Menschen wie Vincent und Oliver so liebevoll und emotional erzählt, am Ende vielleicht sogar etwas zu emotional. Manch einer würde den Kitschalarm auslösen wollen. Der Film lebt zu großen Teilen von der Schauspielkunst seines Ensembles, allen voran Bill Murray, der den verbitterten Trinker mit einer beeindruckenden Intensität spielt. Doch auch Jaeden Lieberher verkörpert den kleinen Oliver nachdenklich, zerbrechlich und zunehmend kämpferisch und verzichtet zum Glück völlig auf die nervige Altklugheit, die Kinderrollen in Hollywoodfilmen oft eigen ist. Langsam schafft er es, die grimmige Fassade Vincents zu durchbrechen und findet einen tief verletzten, warmherzigen Mann, der sich voller Hingabe um seine in einem Pflegeheim darbende Ehefrau kümmert, die ihn nicht mehr erkennt. Auf der anderen Seite lernt Oliver von Vincent Kampfesmut, den er als Neuankömmling in seiner Schule dringend gebrauchen kann, denn seine Mitschüler setzen dem schmächtigen und zurückhaltenden Jungen mächtig zu. Daneben entwickelt sich ein handfester Sorgerechtsstreit um den Jungen und Maggie muss um ihren Sohn kämpfen. Melissa McCarthy wirkt diesmal nicht wie in manch anderen Filmen aufgedreht komisch, sondern nimmt sich zurück und überzeugt als mit der Gesamtsituation überforderte Mutter.
St. Vincent ist ein warmherziger, komischer und an vielen Stellen sehr nachdenklich machender Film mit klar formulierter Botschaft. Ein Wohlfühlfilm im besseren Sinne mit großartigen Schauspielern, geradezu ideal um dem tristen Aprilwetter im Winter zu entfliehen!
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