Drei Golden Globes, zehn Oscar-Nominierungen – der französische Stummfilm „The Artist“ wird zurzeit trotz der vermeintlich altmodischen Form gefeiert wie kaum ein anderer Film. Seit Donnerstag läuft „The Artist“ auch in Trier, 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke war begeistert!
Man muss schon großes Vertrauen in seine Geschichte haben, wenn man in Zeiten von 3-D-Effektgewittern und Budgets im dreistelligen Millionenbereich ausgerechnet einen Stummfilm dreht. Michel Hazanavicius´ „The Artist“ schaffte es aber trotzdem und vielleicht sogar deshalb, zum ersten großen Überraschungserfolg im Filmjahr 2012 zu werden. Und eins sei vorweggenommen: All die Preise, Nominierungen und Kritikerhymnen hat „The Artist“ völlig zu Recht für sich verbucht!
Hazanavicius erzählt die Geschichte von George Valentin, einem großen Stummfilmstar der späten 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Valentin, verkörpert von einem sensationell aufspielenden Jean Dujardin, genießt seinen Erfolg in vollen Zügen. Er ist eitel, selbstverliebt, aber vor allem seine weiblichen Zuschauer beten ihn an. Eher zufällig begegnet er im Blitzlichtgewitter der hübschen Nachwuchsschauspielerin Peppy Miller (Bérénice Bejo), das Foto der beiden auf dem roten Teppich schafft es gleich auf die Titelseiten und sorgt sogleich für private Turbulenzen. Im Hause Valentin herrscht nämlich eine eisige Atmosphäre, die selbst in einem Stummfilm greifbare Sprachlosigkeit zwischen dem Künstler und seiner Frau erreicht durch das Foto einen neuen Tiefpunkt. Der Star verschafft Peppy schließlich eine Nebenrolle in seinem neuesten Film und die beiden kommen sich näher, ohne dass es zum Äußersten kommt. Echte Gefühle zeigt Valentin sowieso nur seinem treuesten Partner gegenüber, denn sein Hund weicht ihm auch in den Filmen nicht von der Seite. Dem Charme des Vierbeiners kann sich auch der Zuschauer heute kaum entziehen. Gäbe es einen Oscar für die beste tierische Nebenrolle, hätte ihn Uggy wohl schon sicher und auch schauspielerisch weiß der kleine Terrier voll und ganz zu überzeugen.
Über der Karriere George Valentins braut sich aber Unheil zusammen. Die ersten Tonfilme kommen in die Lichtspielhäuser und Valentin unterschätzt die Bedrohung. Als sein Studio ihn vor die Tür setzt, weil dort auf das neue Pferd gesetzt werden soll, investiert der Star sein Geld in einen eigenen Film, doch das mangelnde Interesse der Zuschauer und eine Finanzkrise lassen das Projekt scheitern. Valentin ist am Boden, aber wenigstens seine Frau los, die ihn unsanft aus der Villa wirft. Der gefallene Künstler resigniert, die Zeiten haben sich geändert, Rollenangebote bleiben aus, weil sich Valentin standhaft weigert, den Filmen seine Stimme zu leihen. Unterdessen geht aber ein neuer Stern am Filmhimmel auf. Man hat es geahnt, Peppy Miller hat beharrlich die Karriereleiter erklommen und ist nun der erste große Star des Tonfilms. Doch sie vergisst ihre große Liebe nicht und unterstützt ihn aus dem Hintergrund, Valentins Verfall kann aber auch sie nicht stoppen.
Michel Hazanavicius hat großen Mut bewiesen, die Geschichte vom Star an der Zeitenwende als Stummfilm umzusetzen, aber sein Mut wird belohnt. Lässt man sich auf das heute ungewohnte Filmerlebnis ein, erlebt man einen keineswegs altmodisch wirkenden Film, trotz all der liebevollen Requisiten und lustigen Frisuren. Man schließt den gefallenen Star von Beginn an ins Herz, dessen Charme nicht nur Peppy erliegt, sondern auch der Zuschauer. Alles andere als ein Oscar für den bislang in Deutschland weitgehend unbekannten Jean Dujardin wäre ein Witz, trotz hochrangiger Konkurrenz wie George Clooney (The Descendants) oder Brad Pitt (Moneyball). Auch Bérénice Bejo darf sich Hoffnungen auf den Oscar als beste Nebendarstellerin machen. Nur Uggy wird wohl leer ausgehen.
The Artist läuft im Broadway Trier
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