Nachdem 5vier-Redakteur Andreas Gniffke sich in der vergangenen Woche in Die fantastische Welt von Oz entführen ließ, gab es diese Woche das Kontrastprogramm. Seit Donnerstag gibt es im Trierer Broadway mit The Master Kunstkino mit großartigen Darstellern zu sehen. Doch die Geschichte macht es dem Zuschauer alles andere als leicht.
Paul Thomas Anderson gilt spätestens seit Magnolia und There will be Blood als Meister komplexer Erzähl- und Kinokunst. In The Master stellt er wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass Popcornkino sicher nicht seine Sache ist.
Der Film erzählt sperrig und verschroben die Geschichte von Freddie Quell (Joaquin Phoenix, Walk the Line), einem alkoholabhängigen und aggressiven Kriegsheimkehrer, der ziellos von Job zu Job streift und dessen einziges Talent darin besteht, aus Industriealkohol mehr oder weniger wohlschmeckende hochprozentige Getränke mit durchschlagender Wirkung zu destillieren. Als ein Kollege etwas zuviel vom guten Stoff abbekommt und dem Tode nahe ist, flüchtet Quell und gerät als blinder Passagier auf eine Jacht, auf der gerade eine Hochzeitsfeier stattfindet. Kapitän ist Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman, Capote), der charismatische Anführer einer merkwürdigen Sekte, in der durch Mittel der Hypnose und viel obskurem Geplapper die Lehre der Unsterblichkeit der Seele und stetigen Wiedergeburt gepredigt wird.
Dem tumben Freddie ist die kultivierte Gesellschaft fremd, doch Dodd fühlt sich aus ziemlich unerfindlichen Gründen zu dem ungebetenen Gast hingezogen. Er findet Gefallen an Quells Alkohol und ihn faszinieren die animalischen Verhaltensweisen mit Gewaltausbrüchen und alkoholgetrübten Irrsinn. Zu den Lehren der Sekte gehört es, die Überlegenheit des Menschen über das Tier zu demonstrieren und Freddie wird zum Versuchskaninchen.
Andersons Film lebt von Beginn an von seinen starken Darstellern, die verzweifelt versuchen, gegen die krude Story anzuspielen. Joaquin Phoenix beeindruckt als physisches und psychisches Wrack, warum er in diesem desolaten Zustand ist, bleibt völlig unklar. Ist es allein das Kriegstrauma, das ihn zum seelischen Krüppel werden ließ, oder trug auch die verkorkste Familiensituation ihren Teil dazu bei? Der Zuschauer wird wie so oft in den über zwei Stunden allein gelassen bei der Suche nach Antworten. Philip Seymour Hoffman brilliert ebenso als charismatischer Sektenchef, hinter dessen glänzender Fassade allerdings auch längst nicht alles in Ordnung ist. Dazu gesellt sich noch Amy Adams als dessen Ehefrau, die diesmal nicht wie gewohnt bezaubernd auftritt, sondern mit eiskalter, bösartiger Präsenz im Hintergrund der Sekte die Fäden spinnt.
Im angestaubten Ambiente der 50er Jahre versucht Anderson ein düsteres Sittengemälde der Nachkriegszeit zu zeichnen und verzettelt sich in seiner eigenen Kunstfertigkeit. Er nimmt sich Zeit für die Charakterzeichnung seiner Figuren, denen man dennoch keinen Schritt näher kommt. Viele Verhaltensweisen der beiden Hauptdarsteller bleiben völlig unverständlich und darüber hinaus fühlt der Zuschauer mit beiden nicht wirklich mit. Anleihen an die Frühphase der Scientology Sekte sind offensichtlich, aber auch dies bleibt unausgegoren und als Sektendrama funktioniert der Film durch seine Fixierung auf die nebulös aneinander geketteten Protagonisten auch nicht so recht.
The Master wird sicherlich sein Publikum finden, die Andersons surrealen Erzählstil als große Kunst feiern. Vielleicht zurecht, ich kann es nicht sagen. Freunde einer zumindest ansatzweise linearen Handlung mit nachvollziehbaren Wendungen und einem Hauch von Logik, sollten sich den Besuch vielleicht überlegen.
Norman Verschitz meint
Guter Artikel.
Werde ich mir trotzdem ansehen.
Nur schade, dass Hypnose immer noch im Zusammenhang mit negativer Beeinflussung, Manipulation unsw. genannt wird.