U23-Mannschaften waren bisher Pflicht für die 36 Proficlubs der 1. und 2. Bundesliga, ab kommender Saison wird diese Pflicht aufgehoben. Wie kam es dazu und welche Veränderungen wird dieser Entschluss mit sich bringen?
Ende März trafen die Mitglieder der Bundesligisten und Vertreter der Zweitligaclubs zur Mitgliederversammlung des Ligaverbandes zusammen, um unter anderem über die Zukunft der U23-Mannschaften zu entscheiden. Die bisherige Regelung der Lizenzordnung besagte, dass die Mannschaften aus der 1. und 2. Liga dazu verpflichtet sind, eine U23-Mannschaft zum Spielbetrieb zu melden. Diese Regelung wurde jetzt geändert. Zwei-Drittel der Vertreter sprachen sich für eine Änderung aus, diese hebt ab der Saison 2014/15 die Pflicht auf, ein U23-Nachwuchsteam zu melden. Der ursprüngliche Antrag wurde vom Bundesligavertreter Bayer 04 Leverkusen gestellt, die Mehrheit der Clubs schloss sich diesem Wunsch an, die Bestimmungen zu lockern. So ist es ab dem 1. Juli 2014 den Clubs selbst überlassen, ob sie ein U23-Team zum Spielbetrieb melden.
Erste Reaktionen folgten nur wenige Wochen später. So gaben unter anderem der FSV Frankfurt und Eintracht Frankfurt bekannt, dass sie ihre U23-Teams nach der laufenden Saison abmelden werden. Der ursprüngliche Antragssteller Bayer Leverkusen gab diese Woche ebenfalls eine offizielle Pressemitteilung heraus, dass auch dieses U23-Team in der kommenden Saison nicht mehr gemeldet sein wird. Welche Vorteile erhoffen sich die Clubs durch diese Maßnahmen und welche Folgen wird diese Regeländerung für den deutschen Fußball haben?
Wirtschaftliche Aspekte
Der Antrag auf eine Lockerung der Bestimmung wurde mit den steigenden Aufwandskosten und dem erhöhten Ausbildungsniveau in den Nachwuchsleistungszentren begründet. Talente werden immer früher in die Kader der Profimannschaften hochgezogen, anstatt sie in den U23-Teams langsam an den Profifußball heran zu führen. Es ist schon lange keine Seltenheit mehr, dass Spieler um die 20 Jahre ihren festen Platz in den Profimannschaften haben. Lediglich Borussia Dortmund und der VfB Stuttgart stellen diese Saison drittklassige Nachwuchsteams, 24 weitere Reservemannschaften sind in den Regionalligen vertreten. Der Leistungsunterschied zwischen der Regionalliga und der Bundesliga ist für viele Talente ein großes Hindernis. Deshalb werden junge Spieler mit Vorliebe an Clubs der 2.Liga ausgeliehen, damit sie dort Spielpraxis auf einem hohen Niveau sammeln können. Immer seltener schaffen junge Talente den direkten Sprung von der U23-Mannschaft in den Profikader.
Sportlich neue Perspektiven?
Durch die Abmeldung nach der Saison wird sich automatisch die Tabellensituation in den betroffenen Ligen ändern. Sportlich abgestiegene Mannschaften werden durch die Abmeldung der U23-Teams ein Hintertürchen erhalten, um den Abstieg zu verhindern. Zudem werden durch die Auflösung neue und junge Talente auf den Markt gespült, die mit Sicherheit Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen wecken werden. Diese Entwicklung wird den Sommer mit anstehenden Transfers umso interessanter machen. Denn nun müssen sich auch Spieler, deren Verträge im Sommer auslaufen und die um eine mögliche Verlängerung pokern, der Tatsache bewusst sein, dass ab sofort neue Alternativen zur Verfügung stehen, die zum Teil ohne Verträge da stehen und für kleines Geld angeworben werden können.
Ein Hauen und Stechen um Talente, sowie ein Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaften könnte die Karten für die kommende Saison komplett neu mischen. Durch das Fehlen der U23-Teams könnte sich der Gesamtschnitt an Zuschauern in den Regionalligen erhöhen. In dieser Saison verzeichnet die zweite Mannschaft des SC Freiburg, trotz eines hervorragenden Dritten Tabellenplatzes die wenigsten Zuschauer pro Partie, gerade einmal 250 Anhänger finden sich im Schnitt zu den Begegnungen ein. Auch die Reserveteams von Kaiserslautern, Frankfurt und Hoffenheim gehören zuschauermäßig zu den schwächsten Teams der Regionalliga Südwest. Anstatt Reserveteams könnten Traditionsvereine mit Geschichte und Wiedererkennungswert dafür sorgen, dass wieder mehr Zuschauer in die Stadien strömen.
Warum die U23-Teams am Leben erhalten?
Der Schritt, die Reservemannschaft vom Spielbetrieb abzumelden wird allerdings von einigen Clubs vehement abgelehnt. So haben vier der fünf Reserveteams der Regionalliga Südwest die Lizenzen für die kommende Saison eingereicht, lediglich die Eintracht aus Frankfurt wird in der Saison 2014/15 nicht mehr vertreten sein. Die übrigen Vereine sehen in den U23-Mannschaften weiterhin eine gute sportliche Perspektive für junge Nachwuchstalente. Diese sollen auch weiter im Verein eine fußballerische Ausbildung genießen und im Laufe der Zeit den Sprung in eine höhere Klasse, bestenfalls in den eigenen Profikader schaffen. Die kommende Saison kann als eine Art Übergangsjahr gesehen werden, anderen Vereine werden einen genauen Blick auf die Entwicklung der beiden Frankfurter Teams und der Mannschaft aus Leverkusen werfen, ob sich die Abmeldung der U23-Mannschaften letzten Endes als gewinnbringende Entscheidung oder als Fehler herausstellt.
Auch die Eintracht aus Trier könnte direkt von den Folgen der Regeländerung betroffen sein. Der Rückzug der U23 von Eintracht Frankfurt wird zwar für die Tabellensituation der Eintracht keinen entscheidenden Einfluss nehmen, dafür könnten die neu verfügbaren Spieler für eine Menge Wirbel im Eintracht-Kader sorgen. Für die kommende Saison stehen gerade einmal vier Akteure unter Vertrag, das Arbeitspapier von 17 Spielern läuft zum Ende der Saison aus. Viele Fragezeichen und offene Baustellen deuten sich an, diese Planungsunsicherheit könnte unter anderem ein Faktor für die momentane Durststrecke der Eintracht sein (Zuletzt nur ein Sieg aus sechs Meisterschaftspartien). Jens Kiefer wird mit Sicherheit in den kommenden Wochen Gespräche führen und auch das ein oder andere junge Talent mit auf dem Zettel haben, um den Kader für die nächste Saison nach seinen Vorstellungen gestalten zu können. Wie viele alte Bekannte man nach der Sommerpause in der ältesten Stadt Deutschlands wieder begrüßen darf und ob sich nicht auch der ein oder andere U23-Spieler in den Eintracht-Kader verirrt haben wird, darüber kann in den kommenden Wochen munter spekuliert werden.
U23 von Eintracht Trier
Die Regeländerung kommende Saison tritt zunächst nur für die Vereine der Bundesliga und 2. Liga ein, doch was wäre, wenn sich diese neue Regelung bis hin zu den Regionalligen ausweiten würde? Einige Fragezeichen könnten hinter der U23-Mannschaft von Eintracht Trier stehen. Mit Daniel Lingfeld steht der Trainer für die Saison 2014/15 zwar bereits fest, doch in welche Richtung er die zweite Mannschaft führen soll, das bleibt abzuwarten. Mit Platz elf belegt das Team einen Platz im Niemandsland der Rheinlandliga, nach gutem Start in die Saison rutschte das Team immer weiter ab. Eher unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft junge Spieler aus der Reservemannschaft den Sprung in das Team von Jens Kiefer schaffen. Deshalb muss sich der Verein fragen, ob die U23 dauerhaft tragbar sein wird und welchen Zweck diese Mannschaft im primären Sinne erfüllen soll, denn von einer Talentschmiede für das Regionalligamannschaft kann im Falle von Eintracht Trier wohl keine Rede sein.
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Update
Der SC Freiburg hat bereits angekündigt, seine U23-Mannschaft weiterhin am Spielbetrieb teilnehmen zu lassen, doch wird diese auch im kommenden Jahr „nur“ in der Regionalliga Südwest anzutreffen sein, ies berichtete die Badische Zeitung nach der Vorstandssitzung des SC am Freitag. Freiburg steht zur Zeit auf dem dritten Tabellenplatz, einen Punkt hinter dem Relegationsplatz und hätte theoretisch die Chance, nach der Saison an der Entscheidungsrunde um den Aufstieg in die 3. Liga teilzunehmen. Doch der Verein hat sich dazu entschlossen, eine mögliche Lizenz für die 3. Liga nicht zu beantragen. Grund dafür seien vor allem wirtschaftliche Aspekte. So müsste unter anderem die Heimspielstätte für einen siebenstelligen Betrag modernisiert werden. Geld, was der Verein nicht aufbringen kann und will. Desweiteren wird argumentiert, dass die Regionalliga bessere Entwicklungsmöglichkeiten bieten würde, als eine 3. Liga, in der die junge Mannschaft zwangsläufig durch erfahrene Spieler unterstützt werden müsste.
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