Aus Luxemburg berichtet
Andreas Gniffke (Text und Fotos)
Es war ein Festtag im hauptstädtischen ‚Stade Josy Barthel‘, zunächst allerdings vor allem für die Fans aus Algerien. Aus der gesamten Großregion waren Anhänger des WM-Teilnehmers von 2010 angereist und tauchten die Stadionumgebung bereits lange vor dem Spiel in ein grün-weißes Fahnenmeer. Die Mannschaft legte deutlich weniger Enthusiasmus an den Tag als die Anhänger und kam im Freundschaftsspiel gegen die Gastgeber nur zu einem enttäuschenden 0:0. Luxemburg konnte mit diesem Ergebnis dagegen sehr gut leben, verdeutlicht es doch den klar zu erkennenden Aufwärtstrend der letzten Monate.
Die Fans der luxemburgischen Mannschaft hatten es schwer, sich gegen den lautstarken Anhang aus Algerien im eigenen Stadion durchzusetzen. Einige Algerier trugen zwar die algerische Flagge mit sich, jedoch offensichtlich zwei Herzen in ihrer Brust, bejubelten sie doch die Aktionen beider Teams gleichermaßen. Insgesamt fand das gesamte Spiel vor 7033 Zuschauern in einer ausgelassenen und friedlichen Atmosphäre statt. Eingreifen mussten Polizei und Ordnungsdienst immer nur dann, wenn die Begeisterung der Nordafrikaner allzu sehr überzuschwappen drohte. Beeindruckend vor dem Spiel war außerdem die Szene, als die algerischen Anhänger mit Standing Ovations die ebenfalls in algerische Nationalflaggen gehüllten Rollstuhlfahrer im Innenraum des Stadions begrüßten. Auch während der Nationalhymnen verhielt man sich ausgesprochen fair.
Alles war also gerichtet für ein großes Fußballfest. Das Spiel konnte die hohen Erwartungen dagegen zu keinem Zeitpunkt einlösen. Den ersten Torschuss der Partie hatte die luxemburgische Elf durch Aurélien Joachim, doch die Gäste präsentierten sich als die technisch klar bessere und dominante Mannschaft, ohne jedoch selbst zu Torgelegenheiten zu kommen. Luxemburg hatte dagegen in der siebten Spielminute die große Chance zur Führung: Gilles Bettmer spielte den Ball zu Mario Mutsch, der mit einem schönen Schuss Torwart Rais Mbolhi überwand. In letzter Sekunde konnte aber ein algerischer Verteidiger den Ball knapp vor der Linie klären. Die Gastgeber spielten wie von Trainer Luc Holtz angekündigt im 4-4-1-1-System mit Aurélien Joachim in der Spitze, Ben Payal dahinter und zwei Viererketten zur Absicherung, wobei Payal sich oftmals in die Viererkette zurückfallen ließ und das sehr defensive und fast schon gewohnte 4-5-1-System praktiziert wurde. Bei Algerien gab mit Karim Benyamina ein Spieler von Union Berlin sein Länderspieldebut in der Sturmspitze. Denker und Lenker der ‚Wüstenfüchse‘ war Karim Ziani vom VfL Wolfsburg, von dem fast alle gefährlichen Aktionen ausgingen. Die luxemburgische Defensive machte ihre Sache in der ersten Hälfte aber ausgezeichnet und die Gäste konnten das von Jonathan Joubert gehütete Tor nur selten in Gefahr bringen. Die beste Gelegenheit hatte Algerien in der 20. Spielminute: Ryad Boudebouz wurde kurz vor dem Strafraum in zentraler Position gefoult. Den fälligen Freistoß übernahm er selbst und der Ball wäre genau im Winkel des luxemburgischen Tores eingeschlagen, wenn Joubert nicht glänzend reagiert hätte. Nach gut einer halben Stunde machten sich auch die luxemburgischen Fans erstmals lautstark bemerkbar. Sie spürten, dass gegen den großen Favoriten durchaus eine Überraschung drin war. Die von Tom Schnell, Guy Blaise, Eric Hoffmann und Kim Kintzinger gebildete Viererkette machte ihre Sache ausgezeichnet und ließ so gut wie keine Chance der Gäste zu. In der Offensive war von den Gastgebern in dieser Phase allerdings so gut wie nichts zu sehen. Kurz vor der Pause geriet die Abwehr dennoch kurz in Unordnung: Benyamina spielte den Ball clever zurück zu Mehdi Lacen, dessen Schuss letztendlich aber nicht platziert genug war. Ohne Tore ging es in die Pause und auch die enthusiastischen algerischen Anhänger waren erstaunlich ruhig geworden.
Fotos: Vor zahlreichen algerischen Fans war Karim Ziani vom VfL Wolfsburg bester Mann auf dem Platz.
Die Gäste kamen etwas aktiver aus der Kabine und kamen in der ersten Viertelstunde immerhin viermal zum Abschluss, ohne jedoch für echte Gefahr zu sorgen. Luxemburgs Trainer Heller hatte zeitweise auf die etwas offensivere Variante mit zwei Stürmern umgestellt, was auch nicht für mehr Torgefahr für die Gastgeber sorgte. Aber auch Algerien kam zwar noch zu einer guten Torgelegenheit nach einem Freistoß in der 63. Minute, wirkte insgesamt aber zunehmend mut- und lustlos. Trainer Abdelhak Benchikha wechselte munter durch, was sich wohl auch negativ auf den Spielfluss seiner Mannschaft auswirkte. Durch die individuelle Klasse kam man dennoch gelegentlich zu Torchancen. In der 79. Minute fasste sich der zur Pause eingewechselte Walid Mesloub aus 16 Metern ein Herz, Joubert konnte das Gegentor aber mit einer Glanzparade verhindern. Durch die algerische Passivität beflügelt, witterten die Gastgeber nun ihre Chance und bliesen zur Schlussoffensive. Echte Torchancen sprangen dabei aber nicht heraus. Bemerkenswert war lediglich eine Serie aus drei Ecken, die aber ausnahmslos schwach geschossen waren und für keine Gefahr vor dem algerischen Tor sorgen konnten. Kurz vor Schluss hatten dann doch noch die Gäste den Siegtreffer auf dem Fuß: Zahir Zerdab spielte den Ball auf Mohamed Meftah, dessen Schuss aufs lange Eck das Tor aber knapp verfehlte. So blieb es letztendlich beim torlosen Unentschieden, ein Ergebnis, dass sich die luxemburgische Nationalmannschaft durch eine gute Defensive und insgesamt engagierte Leistung redlich verdient hatte. Die algerischen Spieler verschwanden nach enttäuschendem Spiel grußlos in den Katakomben des Stadions, sicherlich schade für die zahlreichen Fans der Nordafrikaner.
Foto: War im Sturm der Luxemburger oft auf sich allein gestellt: Aurélien Joachim
5vier.de wird in Zukunft nicht mehr über die Spiele der luxemburgischen Nationalmannschaft berichten können, da Internetmedien aus verschiedenen Gründen vom luxemburgischen Fußballverband keine Akkreditierung zu den Spielen bekommen können. Angeführt wurden unter anderem Platzgründe, da die Pressetribüne durch die zahlreichen einheimischen und ausländischen Medien an ihre Kapazitätsgrenze stoßen würde. Warum dann bei der Pressekonferenz des luxemburgischen Nationaltrainers lediglich zehn Medienvertreter anwesend waren, mag ein Geheimnis bleiben.
STIMMEN
Abdelhak Benchikha (Trainer Algerien):
„Wir haben noch viel Arbeit vor uns. In der Offensive waren wir heute nicht sehr durchschlagskräftig, obwohl wir sehr viel Ballbesitz hatten. Luxemburg war defensiv sehr gut organisiert und wir haben uns damit sehr schwer getan.“
Luc Holtz (Luxemburg):
„In der ersten Hälfte haben wir defensiv eine ausgezeichnete Leistung gezeigt. Danach habe ich versucht, uns taktisch etwas offensiver aufzustellen, da hatten wir in der Verteidigung dann ein paar Probleme. Mit dem Resultat bin ich gegen den 34. der FIFA-Weltrangliste natürlich sehr zufrieden. Wir müssen wissen, wer wir sind und uns auf unsere Stärken konzentrieren, als Kollektiv in der Defensive sicher zu stehen hat absolute Priorität. Um eine offensivere Spielweise umzusetzen, brauchen wir noch Zeit. Wenn wir defensiv die nötige Sicherheit haben, kann man auch einmal darüber nachdenken, die Viererkette im Mittelfeld ein paar Meter nach vorne zu rücken. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Ich muss die Mannschaft aber für ihre Entwicklung in den letzten Spielen loben. Mir macht es sehr viel Spaß, mit ihr zu arbeiten.“
STATISTIK
Luxemburg (Trainer Luc Holtz):
Joubert – Schnell, Blaise, Hoffmann, Kintziger – Mutsch, Payal, Kettenmeyer (ab 46. Da Mota), C. Leweck (ab 82. Jänisch) – Bettmer – Joachim (ab 64. Martino)
Algerien (Trainer Abdelhak Benchikha):
Mbolhi (ab 87. Zemmamouche) – Yahia, Mostefa (ab 69. Meftah), Medjani, Boudebouz, Lacen (ab 69. Metref), Benyamina (ab 80. Zerdab), Djabou (ab 46. Mesloub), Mesbah, Ziani (ab 75. Aoudia), Lemmouchia
SCHIEDSRICHTER: Peter Sippel (D)
WEITERE BILDER:
Roter Löwe meint
Gestern siegte die luxemburgische Nationalmannschaft sensationell mit 2:1 gegen den WM-Teilnehmer Slowakei. Leider waren bei diesem fast schon historischen Sieg nur 862 Zuschauer im Stade Josy Barthel anwesend. Wenn man interessierten Medien der Großregion systematisch den Zugang zu Spielen der Nationalmannschaft verweigert, muss man sich über eine derartige Resonanz weiß Gott nicht wundern. Was der Verband diesbezüglich leistet ist wirklich mehr als lächerlich!