Mitte März haben wir uns mit Marie* unterhalten, die positiv auf das Virus getestet wurde, das das Weltgeschehen bestimmt. Mittlerweile ist sie wieder genesen und arbeitet wieder als Krankenschwester. In einem luxemburgischen Krankenhaus ist sie direkt am Kampf gegen Corona beteiligt. Sie berichtete uns erneut, wie es ihr heute geht und wie schwierig die Bedingungen auf verschiedenen Ebenen sind.
Hallo Marie. Du hast dich nach deiner Genesung bei uns gemeldet und bist nun wieder im Krankenhaus und hilfst beim Kampf gegen Corona. Wie lange warst du jetzt tatsächlich isoliert?
Das waren genau 16 Tage.
Wie genau war der Verlauf der Krankheit?
Ich habe relativ zügig die ersten Symptome entwickelt. So kamen wir Sonntagabend in Ischgl an. Mittwochs hatte ich das Gefühl, dass ich krank werde, doch irgendwie war es anders als sonst. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben. Ich hatte ein leichtes Hüsteln, was ich zu dem Zeitpunkt noch auf Zigarettenkonsum und die kalte Luft im Skiurlaub zuschrieb. Donnerstag morgens hatte ich dann starke Schweißausbrüche, am gleichen Tag reisten wir ab und ich hatte die komplette Autofahrt über starke Gliederschmerzen, sodass ich nicht wusste wie ich sitzen sollte. Diese wurden immer schlimmer gegen Abend.
Am nächsten Tag kam starkes Fieber bis 39 Grad hinzu, trotz der Einnahme von Paracetamol. Am Abend waren meine Arme komplett weiß und ich hatte leichte Atemnot. Mir war schrecklich kalt und auf dem Weg vom Sofa zur Küche bin ich fast erfroren. Zwei Wärmeflaschen und eine dicke Decke konnten mir nicht helfen. Ich beschloss früh schlafen zu gehen, im Bett war ich plötzlich nass geschwitzt. Das Fieber zog sich knapp 3 Tage hin. Ich fühlte mich sehr müde und musste tagsüber sogar schlafen. Ich hatte zudem meinen Geruchs- und Geschmacksinn komplett verloren über eine Woche, obwohl meine Nase immer frei war. Das war seltsam, sowas hatte ich noch nie. Allgemein kann ich mich nicht daran erinnere, jemals so krank gewesen zu sein.
Tests mussten eingefordert werden
Irgendwann ging es dir zum Glück wieder besser. Wo wurdest du erneut getestet?
Ich habe mit dem Gesundheitsamt in Bitburg telefoniert. Hier sagte man mir, dass ich keinen weiteren Test brauche und nach der Quarantäne wieder arbeiten kann. Da ich aber auf einer Intensivstation arbeite war das für mich undenkbar, allein die Gefahr für die Patienten und meine Kollegen. Ehrlich gesagt habe ich gebettelt noch einen Test machen zu dürfen. Das Gesundheitsamt schickte mir dann per E-Mail eine Überweisung für einen weiteren Test. Den konnte ich in Bitburg in dem Zelt auf dem Parkplatz machen, wo das Rote Kreuz ehrenamtlich Tests durchführt. Mit dem Auto reihte ich mich in der Schlange ein.
Ich habe direkt gesagt, dass ich positiv bin und konnte sofort aus der Schlange raus, um dann durch einen extra Eingang in ein Zelt zu gelangen. Dort hat man mich dann erneut getestet. Nach fünf Tagen erfuhr ich mein Ergebnis, es war zum Glück negativ. Eine Freundin und auch Arbeitskollegin die mit mir im Urlaub war und ebenfalls positiv getestet wurde, hat leider kürzlich zum vierten Mal ein positives Ergebnis bekommen. Sie ist weiterhin in Isolation. Wenn man sich jetzt mal vorstellt, dass man uns keinen Test machen lassen wollte und sie wäre so zur Arbeit gekommen… – das Ausmaß will ich mir gar nicht vorstellen. Aktuell bin ich lediglich etwas kurzatmig. Kann aber wieder ein bisschen laufen gehen.
Risiken trotz Antikörper
Was kannst du nun als Krankenschwester tun, was deine Kollegen nicht tun dürfen?
Ich tue nichts was meine Kollegen nicht auch tun. Meine Kollegen haben teilweise kleine Kinder zu Hause, ihnen bleibt keine Wahl. Auf unserer Station muss jeder im Covid-Bereich arbeiten, ausgenommen sind die mit Vorerkrankungen. Auch wenn viele Leute denken man sei immun nach einer Corona Infektion, so ist es möglich, dass das Virus mutiert und ich könnte mich wieder erneut infizieren. Eine Langzeiterfahrung mit dem Virus hat man noch nicht. Ich bin weiterhin sehr vorsichtig und halte alle Schutzmaßnahmen ein, die zu treffen sind. Zum Schutz für mich und mein Umfeld.
Wie ist der Arbeitsalltag im Moment? Was ist anders als vor deinem
Urlaub?
Es hat sich einiges auf der Arbeit verändert. Wir haben die Station geteilt, Wände wurden hochgezogen und es gibt jetzt einen extra Covid-Bereich mit beatmeten Patienten. Weitere Beatmungskapazitäten wurden im Aufwachraum geschaffen. Personal aus anderen Bereichen wie der Endoskopie oder auch dem OP werden eingearbeitet und kommen uns helfen, da wir die ganze Arbeit sonst nicht schaffen würden. Wenn man im Covid-Bereich eingeteilt ist, trägt man extra Schutzanzüge, FFP2-Masken und Schutzbrillen. Wenn man in diesem Bereich arbeitet kann man nichts trinken, essen oder zur Toilette gehen. Es gibt strenge Regeln.
Der Kampf gegen Corona ist fordernd
Es ist sehr warm unter den Anzügen, das Atmen ist erschwert unter den Masken. Die Brillen laufen an, sodass man nach ein paar Stunden nicht mehr viel sieht. Wir gehen einmal pro Schicht aus dem Bereich, wenn es nicht anders geht auch zweimal. Es muss uns dann jemand in einem abgeriegelten Bereich entkleiden, damit wir uns an den Anzügen nicht kontaminieren. Es kam schon vor, dass ich 5,5 Stunden am Stück in diesem Bereich gearbeitet habe, weil einfach so viel zu tun war. Das Arbeiten ist verdammt hart und ich bin schnell müde. Durch das Einatmen vom eigenen CO2 bekommen einige Kopfschmerzen. Ich merke, umso länger ich drin bin, dass ich mich immer weniger konzentrieren kann.
Die Arbeit ist also sehr intensiv. Wie schätzt du die (politischen) Maßnahmen in Luxemburg ein?
Das Land hat super schnell reagiert und wir werden gut ausgestattet. Wir haben aktuell genügend Schutzmaterial, worüber ich sehr dankbar bin. Wenn ich da Berichte im TV sehe, unter welchen Umständen das Pflegepersonal in anderen Ländern arbeiten muss, können wir uns nur glücklich schätzen. Was binnen weniger Wochen auf die Beine gestellt wurde ist einfach der Wahnsinn. Trotz aller Umstände ist es schön solch einen Zusammenhalt zu verspüren.
Luxemburg ist gut versorgt
Wie ist deine Meinung, wann beziehungsweise wie die Restriktionen wieder gelockert werden sollten?
Nach meiner Meinung vielleicht im Spätsommer. Das Problem in meinen Augen ist einfach, dass wir in den Krankenhäusern bei noch mehr Corona-Erkrankten der Arbeit nicht fachgerecht nachkommen können und wenn man sich dann die schrecklichen Bilder in Italien anschaut, kann man das vielleicht verstehen. Jeder möchte seine Angehörigen im Krankenhaus so gut es geht versorgt und betreut wissen. Doch wenn noch mehr Patienten versorgt werden müssen, werden vermutlich Abstriche gemacht werden müssen und eine fachgerechte Betreuung kann dann unter Umständen nicht gewährleistet werden. Es wäre schön, wenn wir im Herbst uns wieder mit unseren Freunden treffen könnten, in kleinen Runden. Für Großveranstaltungen wie Festivals oder auch die Wiesn sehe ich persönlich dieses Jahr leider schwarz. Aber das entscheide ja nicht ich.
Gab es besondere Reaktionen in deinem Umfeld, seit du wieder gesund bist? Bist du beispielsweise stigmatisiert und wirst daher gemieden?
Ich muss sagen, dass ich mich kaum mit Leuten treffe. Meine Eltern habe ich schon ewig nicht mehr gesehen, aus Angst sie anzustecken. Sie gehören da leider zur Risikogruppe ab 60 Jahren. Ich habe mich aber mit Freunden verabredet zum Spazieren oder Laufen gehen. Natürlich nur zu zweit und mit Abstand. Die wissen alle, dass ich in diesem Bereich arbeite. Meine Freunde meiden mich aber zum Glück nicht. Ich würde gerne mal wieder meinen Cousin und seine Frau besuchen, die beiden haben Nachwuchs bekommen, aber wegen der Gefahr halte ich mich lieber von Säuglingen fern. Wir facetimen dann, was auch sehr schön ist.
Restriktionen noch für Monate?
Eine etwas traurige Sache hat meine Kollegin erlebt. Ihre 13-jährige Tochter bekam von Mitschülern zu hören, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihr wollen, weil die Mutter bei Corona-Erkrankten arbeitet. Das finde ich sehr traurig. Denn eigentlich sind wir auf der Station mit unserer Schutzkleidung viel sicherer aufgehoben, als jemand der in den Supermarkt einkaufen geht. Aber irgendwer muss die Arbeit ja auch machen 🙂
*Den echten Namen haben wir auf Maries Wunsch geändert.
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