Im beschaulichen Wittlich regt sich in der Live-Musik-Szene zur Zeit so einiges. Ein junges Booking-Team namens Svpport hat es sich zur Aufgabe gemacht, hochkarätige Hardcore und Metalcore-Shows in der überschaubaren Kreisstadt zu veranstalten, deren Lineup selbst Trier alt aussehen lässt. Am gestrigen Sonntag waren die sich gerade auf Europa-Tour befindlichen Engländer „Up River“ zu Gast im Haus der Jugend und wurden tatkräftig von Kollegen aus der Region unterstützt. 5vier war vor Ort…
Trier / Wittlich. Mit ein paar Startschwierigkeiten haben die Organisatoren vom Event um „Up River“ am gestrigen Sonntag zweifellos zu kämpfen, da die Engländer mitsamt der kompletten Backline erst mit einiger Verspätung in Wittlich eintreffen. So wird die Bühne in Rekordzeit hochgezogen, um dann doch ohne allzu große Verspätung in den Abend zu starten. „Up River“ werden von der Trierer Metalcore-Institution „I Am Noah“, sowie „Betray Your Idols“ und den kurzfristig eingesprungenen „Unsaid“ unterstützt.
Nur einen Tag nach ihrer CD-Release-Party starten letztere dann auch ohne große Umwege mit atmosphärischen Gitarren-Teppichen ins Set. Die Harmonie der ersten Akkorde hält entsprechend der allgemein eher heftigen Schlagseite des Abends natürlich nicht lange an. Schlagzeuger Julian Weller interpretiert den Namen seines Instruments dann auch wortwörtlich und schlägt mit einer Wucht in die Kessel, die das ganze Haus der Jugend in Wittlich erzittern lassen. Von der epischen Atmosphäre beibt da nicht mehr allzuviel übrig, dabei sind „Unsaid“ immer dann am stärksten, wenn die Jungs geradezu verschwenderisch lange mit perfekt ausbalancierten Gitarrensounds in den melodischen Momenten schwelgen. Regelrecht befremdlich ist die kaum vorhandene Verbindung zum Publikum, die von Anfang an gestört scheint, weil die Band oft mehrheitlich mit dem Rücken zu den Zuschauern steht. Selbst während Ansagen von Frontmann Alex Filimosin fehlt jeglicher Blickkontakt.
Der anschließende Gig der Melodic Hardcore’ler von „betray your idols“ zeigt wie es richtig geht. Von Anfang an geht Frontmann Phil auf das noch zurückhaltende Wittlicher Publikum zu und ist sich auch nicht zu fein vor dem Gig seiner Jungs aus Ahrweiler auch noch schnell die Raucher vor dem Eingang zusammen zu trommeln. Ohne große Umschweife geht es anschließend mit viel Spaß bei der Sache los. Auch heftige Sound-Probleme werden professionell und sympathisch weggebügelt. Als Phil’s Mikrofon zwischenzeitlich ganz stumm bleibt, zuckt er mit den Schultern und screamt einfach unverstärkt ins Publikum. Technisch sind seine Vocals die besten des Abends und abgesehen von den Aussetzern der Technik wirkt der Sound der Jungs ungemein homogen. Das Schlagzeug spielt deutlich Song-dienlicher und die Gitarrenfront rockt mit vereinten Kräften zum Publikum. Der Wahnsinn ist die Leistung von Gast-Gitarrist Leon Dören (spielt eigentlich bei den Lokal-Headbangern von „Fortune Drives to Vegas“), der hier an der Gitarre aushilft und vorher das ganze Set der Jungs innerhalb nur einer Probe einstudiert hat. Respekt dafür, denn simpel ist das abwechslungsreich-melodische Geballer der Jungs aus Ahrweiler definitiv nicht!
Das anschließend deutlich verstärkte Interesse des Publikums macht deutlich, dass nun mit „I Am Noah“ der heimliche Headliner des Abends naht. Wir haben mit Sören Frechen, dem sympathischen Frontmann der Trierer Metalcore-Institution gesprochen, die sich in den letzten beiden Jahren mit einem durchdachten Konzept zu einer regionalen Genre-Hoffnung gemausert haben. Das geht schon beim Namen los, denn alle Songs sind aus der Sicht des geheimnisvollen Noah geschrieben: „Wir haben uns ohne religiösen Hintergrund die Charaktereigenschaft von Noah aus der Bibel angeeignet, dass man die Welt einfach nochmal umkrempelt, das Böse rauspickt, das Gute mitnimmt und nochmal von Vorne anfängt“, so Frechen. „Wir wollen uns aber auch nicht an irgendeine Position stellen und sagen „Ihr müsst das jetzt so adaptieren wie wir das sagen“, sondern wir beschreiben die Situation so wie sie gerade ist. Jeder soll seine eigene Meinung haben.“
Das Wittlicher Publikum steht ohne Wenn und Aber hinter Noah und seinen kreativen Schöpfern. Perfekt durchgeplant führen die Jungs mit Intro und diversen Einspielern vom Band atmosphärisch durch’s Programm und liefern ein Technik-Feuerwerk aller erster Güteklasse ab. Für jungfräuliche Ohren mag das gesellschaftskritische Knallbonbon wie purer Krach erscheinen, aber die anspruchsvolle Gitarrenarbeit, die wohldosierten Double-Bass-Schübe und die enorm souveräne Leistung von Sören Frechen, dessen Arbeit durch einige besonders textsichere Gesellen im Publikum immer wieder erleichtert wird, sprechen für sich. „Musiker, die unsere Musik hören, wissen, dass wir technisch was drauf haben“, erklärt Frontmann Frechen und erzählt von Jazzmusikern, die rein gar nichts mit Musikrichtungen der härteren Gangart zu tun haben und von der technischen Leistung „I Am Noah“’s beeindruckt sind. Und vor dem tighten Zusammenspiel und der Professionalität der Jungs kann man auch in Wittlich nur seinen Hut ziehen. Einzig die Technik kommt mit den breiten Soundwänden und filigranen Riffs mit Double-Bass-Untermalung nicht so ganz mit und produziert etwas undifferenzierten Soundmatsch. Das Publikum geht trotzdem steil und wirkt ungemein dankbar, dass Svpport versuchen die regionale Musikszene mit derartigen Events wiederzubeleben.
Sören Frechen äußert sich auch sichtlich deprimiert über den Status der lokalen Konzertszene: „Inaktiv! Es gibt richtig viele Bands. Aber keiner geht auf Shows. Das ist einfach nur verrückt! Parkway Drive ist immer rappelvoll, aber wenn dann mal was zweitrangiges spielt….Beispiel: Wir haben vor zwei Jahren mit After the Burial, Monuments, Tidal Sleep gespielt im Exhaus Balkensaal….100 zahlende Gäste. Trier ist ja jetzt nicht die kleinste Stadt in der Gegend. Jetzt hört der Summerblast sogar auf, es gibt kein Summerblast nächstes Jahr. Mehr Scheiße geht nicht!“
Diese Tendenz zeigt sich leider auch bei der Show in Wittlich, die an dem Sonntagabend trotz löblicher Bemühungen des Veranstalters nur ein überschaubares Publikum anziehen kann. Der eigentliche Headliner, „Up River“ muss als letzte Band vor nur wenigen Zuschauern auf die Bretter, lässt sich aber nichts anmerken und rockt mit vollem Einsatz und zumindest dem ein oder anderen Grinsen im Gesicht gegen die Leere im Saal an. Die Show ist gut, auch der Sound passt, nur mehr Publikum hätte man den Jungs aus England definitiv gegönnt.
Alle Bands loben die Bemühungen der Jungs von Svpport, die im kleinen Wittlich ihr möglichstes versuchen, um nochmal die lokale Szene wiederzubeleben. Aber es braucht auch die Leute, die von der Couch aufstehen und abends einfach nochmal zu Shows von kleinen, lokalen Bands gehen und sich mit einem charakteristischen Stubbi vor die Bühne stellen und jungen Musikern mit neuen Stilen und Ideen eine Chance geben! Der Abend in Wittlich hat gezeigt, wie viel Talent hier eigentlich unterwegs ist!
Infos zum Veranstalter: https://www.facebook.com/svpporthc/
Infos zu „Up River“: https://www.facebook.com/upriverhc/
Infos zu „I Am Noah“: https://www.facebook.com/iamnoahofficial/
Infos zu „Betray Your Idols“: https://www.facebook.com/betrayyouridols/
Infos zu „Unsaid“: https://www.facebook.com/unsaidhc/
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