Das Kasino am Kornmarkt bezeichnet sich selbstbewusst als den schönsten Saal der Stadt. Mit roten Vorhängen, glitzernden Kronleuchtern und antiken Säulen, die das Bühnenbild einrahmen versprüht die Location einen mondänen Flair inmitten der Trierer Innenstadt. Hier kann man Hochzeiten feiern, Jubiläen begehen und Produktpräsentationen veranstalten. Man kann aber auch auf der übersichtlichen Bühne ein Double Bass-Schlagzeug errichten, die Verstärker aufdrehen und sehen wie die filigranen Kronleuchter auf tieffrequente Donnerschläge reagieren.
Trier. Die Metallica-Tribute-Band „My’tallica“ haben sich bewusst für die exkuisite Location für ihr Jahresabschlusskonzert entschieden. Eine schweißtreibende Metal-Show in derartigem Ambiente ist mal was anderes als alle Altrocker in den Gewölbekeller des Exhauses zusammenzupferchen. Glücklicherweise lässt die textsichere Anhängerschaft der Band und ihres großen Vorbilds auch nicht lange auf sich warten. Bereits Ende November gehen die Tickets zur Neige.
Kurz vor Jahreswechsel ist der Soundcheck kaum abgeschlossen, da bilden sich auch schon die ersten Schlangen unten und strömen kurz darauf ins Kasino. Der Saal, der sonst feine Hochzeitsgesellschaften beherbergt, wird überflutet von einer schwarz gekleideten Schar, die auf Patches, Bandshirts und Kutten stolz Bandnamen zur Schau trägt, die in dieser Location fremder nicht sein könnten: Motörhead, Iron Maiden und natürlich Metallica. Es vergeht eine ganze Weile bei seichter Pop-Untermalung aus den Lautsprechern, bis endlich ein Kanonenschuss durch’s Kasino donnert.
Genau wie die großen Vorbilder beginnen auch „My’tallica“ ihre Auftritte mit dem epischen Soundtrack-Intro von Ennio Morricone’s „The Ecstacy of Gold“ aus Sergio Leone’s legendärem Spaghetti-Western „The Good, the Bad and the Ugly“ („Zwei glorreiche Halunken“). Und genau wie beim großen Vorbild werden danach auch keine Gefangenen gemacht. Mit „Creeping Death“ donnert die metallische Dampf-Lokomotive unaufhaltsam nach vorne und auch wenn das Publikum zu Beginn noch etwas schüchtern wirkt, brennt das Feuer auf der Bühne zweifellos.
Dafür hat man auch offensichtlich einiges investiert. Nicht nur musikalisch eifert man „Metallica“ nach, auch das Bühnenbild orientiert sich mit atmosphärischen Leinwand-Visuals, den charakteristischen Elvis-Mikrofonen und nicht zuletzt den Original-Instrumenten an einer echten „Metallica“-Show. Beim über 30 Jahre alten Stampfer „For Whom The Bell Tolls“ wird auch langsam das Publikum warm, welches Sänger Andreas Adam in bester Hetfield-Manier unermüdlich dirigiert. Viel tun muss er eigentlich nicht, denn der ausverkaufte Saal ist extrem textsicher und füllt jede absichtlich gelassene Gesangslücke mit den fehlenden Wörtern aus. Die Interaktion gleicht einem Ping-Pong-Spiel, Adam gibt vor, der Saal wirft zurück. So macht Metal in der Region Trier Spaß!
Auch der Rest der Band trägt zum stimmigen Gesamtbild bei. Schlagzeuger Stephan Zender bedient die Kessel souverän, liefert eine blitzsaubere Double Bass-Performance ab und unterstützt die Band an den richtigen Stellen mit den exakt richtigen Fills. Im Grunde liefert er genau das ab, was das „Metallica“-Mastermind Lars Ulrich live desöfteren mal vergeigt: eine tighte, song-dienliche Performance mit eingestreuten technischen Glanzmomenten. Lead-Gitarrist Tom Botschek fliegt mit seinen Fingern geradezu über das Griff-Brett und tritt in bester Kirk Hammett-Manier auch zünftig auf’s WahWah-Pedal. Kleines Highlight für die wahren Kenner ist sein Clean-Intermezzo, in welchem er das Intro des Instrumental-Klassikers „The Call of Ktulu“ auf den Ton genau nachspielt. Im Publikum herrscht in diesem Moment ähnliche Stille wie beim Cliff-Burton-Tribute von Bassist Martin Iordanidis. Die Intensität dieser Momente zeigt, dass nicht nur auf der Bühne sondern auch im Publikum langjährige „Metallica“-Fans am Start sind, die nicht mit dem unaufhörlich lärmenden Festival-Publikum der Vorbilder vergleichbar sind.
Aber auch für die Stadionrocker hat „My’tallica“ so einiges im Gepäck. Singalong-Hymnen wie „The Memory Remains“ und „Whiskey in the Jahr“ sowie die Klassiker aus den frühen Neunzigern, „Enter Sandman“ und „Sad But True“ funktionieren gleichermaßen gut und ernten lautstarke Resonanz. Vollständig und sauber vorgetragene Thrash-Epen wie „Master of Puppets“ verzücken die Fans ebenso wie die brandneuen Tracks „Moth Into Flame“ und „Hardwired…to Self-Destruct“.
Zum Abschluss packen die Jungs dann nochmal die ganz alten Gassenhauer aus. Adam kommt genau wie James Hetfield im Zugabenblock in Kutten-Weste auf die Bühne und stimmt zum High-Speed-Runduschlag an. Erst „Hit the Lights“, dann „Battery“ und zu guter letzt der Ohren-betäubende Abschluss mit „Seek and Destroy“. Hier holt die Band nochmal alles aus dem Publikum raus, dass sich auch nach dem umfangreichen Zugabenpaket nicht zufrieden gibt.
Wenn man auf der Suche nach einem Kritikpunkt ist, könnte man jetzt anführen, dass „My’tallica“ für die ungeplante zweite Zugabe nochmal zwei bereits gespielte Tracks auspackt. Im Kasino scheint das jedoch niemanden zu stören. Jedes Raunen aus Adams Kehle, jeder dröhnende Power Chord, jeder donnernde Snare-Schlag, jeder bis in die Magengrube vorstoßende Bass-Anschlag wird vom Publikum bis zur letzten Sekunde ausgekostet, schließlich sind akkurat vorgetragene Metal-Klassiker in der Region Trier Mangelware und die nächste „Metallica“-Tour wird auch noch bis zur zweiten Jahreshälfte 2017 auf sich warten lassen.
So geht ein waschechter „Metallica“-Abend in ungewöhnlicher Umgebung zu Ende. Als die glitzernden Kronleuchter schließlich dunkel werden, verschwindet auch die rockende Meute wieder so schnell wie sie gekommen ist, ganz wie im aktuellen „Metallica“-Hit „Moth Into Flame“.
Ihr wollt selbst dabei sein, wenn My’tallica die Bühne entern? Checkt die Website www.mytallica.com oder die Facebook-Seite der Jungs.
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