Text: Stefanie Braun/ Fotos: Lars Eggers
Noch sieht man nicht viel auf dem ehemaligen Gelände der Bobinet-Fabrikhallen, doch bereits wenige Schritte auf das Gelände zeigen, dass hier einiges entstehen wird. Jan Eitel, Geschäftsführer der EGP, berichtet bei einem Geländebesuch über den Ausbau.
In den letzten drei Monaten hat die EGP, Gesellschaft für urbane Projektentwicklung, viel Aufmerksamkeit auf ihr neustes Bauprojekt gezogen. Gleich drei Veranstaltungen lockten die Trierer auf das Areal der ehemaligen Bobinet-Fabrikhallen: ein Open Air Kino, die jährliche Modenschau der Modedesign Studenten der Hochschule Trier und der Sunny Sunday mit Retro-Flohmarkt im Stil der 50er, 60er und 70er Jahre. Wiederbelebung eines traditionsreichen Geländes, gehörte die Bobinet doch einst zu den großen Arbeitgebern der Region. Mit der Verlegung der Textilindustrie in Länder außerhalb der EU starb dieser Zweig auch in Trier letztendlich aus und sollte Platz machen für Neues.
Lange passierte erstmal nichts mit den alten Fabrikhallen. Auch die nahegelegene Bahnausbesserungshalle stand einige Jahre leer, dem Verfall, Vandalismus und wenigen kreativen Projekten preisgegeben. Dies soll nun bald vorbei sein. Die Gesellschaft EGP hat das Areal der Bobinet-Hallen im Jahr 2010 aufgekauft und die Stadt mit einem soliden Plan von ihrem Vorhaben überzeugt. Dem Einhauchen von neuem Leben steht nun nichts mehr im Weg. Neue Wohnungen und Gewerbeflächen und zudem eine Eventhalle entstehen in den ehemaligen Fabrikhallen.
50 Prozent Wohnen…
50 Prozent Wohnen und 50 Prozent Arbeiten auf einem Fleck. Dazu werden die neun Hallen nach Bedarf und Möglichkeiten aufgeteilt: „Halle 2, 3, 4 und 5 werden zur Wohnfläche umfunktioniert. Halle 1, 6, 8 und 9 zur Gewerbefläche. Halle 7 wird abgerissen“, verrät Jan Eitel. Halle 9 wird dabei beispielsweise zur Quartiersgarage, um Platz für den ruhenden Verkehr im Bobinet-Quartier zu schaffen. Ein echter Hingucker, denn die Fassade wurde durch den Künstler Bodo Korsig neu gestaltet. Der Schriftzug „Every moment is inspiring or stupid“ ziert nun die Außenwand der baldigen Parkhalle. In einem Teil der Halle 8, in der alten Färberei, entsteht gerade eine neue Event- und Cateringhalle für den Raum Trier. Nikos Tziorkas, der Besitzer von Nikos Cafe ist neuer Pächter und wird hier im September die „Alte Färberei“ neu eröffnen. Gerade für einen Restaurant- und Cateringbetrieb müssen einige Auflagen erfüllt werden. Für die Toiletten beispielsweise wurde ein neues Zwischengeschoss eingezogen. Die EGP investiert in die „Alte Färberei“ insgesamt 1,3 Millionen Euro Baukosten, hinzu kommen die Inneneinrichtung und der Ausbau der Küche durch den Betreiber. Ebenfalls in Halle 8, bekannt als Spielort der sehr erfolgreichen „West Side Story“ vor drei Spielzeiten, findet nicht nur das Vorhaben von Nikos Tziorkas Platz, sie wird zur gewerblichen Nutzung für mehrere Parteien ausgebaut: „Wir bekamen oft Anfragen von Logistikern, die ihre Ware in den Hallen abladen wollten, aber das wäre keine Belebung gewesen, sondern nur „toter“ Lagerraum. Wir wollten aber eine Entwicklung. Menschen mit Ideen in diese neuen Räume bringen.“ Ideen und vor allem Phantasie brauchten die neuen Nutzer auch bei der Besichtigung der Flächen. Die einst große Halle wird in mehrere kleinere Hallen unterteilt, das braucht erst einmal Vorstellungsvermögen. Das „Studio Dreizehn“, ein Architektur- und Stadtplanungsbüro und ein Elektrofachgeschäft haben bereits zugeschlagen und sich die erste Adresse im Bobinet-Quartier gesichert. „Bobinet ist kein Standard und nicht reproduzierbar, sondern individuell mit Charakter. Neue Nutzungen bringen eine neue Identität und neue Ideen, die bereits die nächsten Ideen ins Rollen bringen“, fasst Jan Eitel den Gedanken hinter dem Bauprojekt zusammen.
50 Prozent Arbeiten…
Dennoch ist noch einiges zu tun und viele Auflagen sind einzuhalten: „Der Bebauungsplan der Stadt gibt einiges vor, unter anderem auch, wie hoch die Gebäude sein dürfen und welche Nutzung sie möglich machen sollten“, so Jan Eitel. Seit Ankauf 2010 wurden drei Jahre lang verschiedene Gutachten erstellt (Altlasten, Emissionswerte, die Auswirkungen auf Fauna und Flora), notwendige Sanierungsarbeiten geplant, die Notwendigkeit von Ausgleichflächen gecheckt. Zudem müssen sämtliche Verordnungen im Bereich Energie-Effizienz eingehalten werden.
„Wir hatten auch Angst, kaputt zu sanieren und den Industriecharme zu verlieren. Bobinet soll nicht niedlich sein, sondern rau und ehrlich.“ Was es bedeutet, eine alte Fabrikhalle nach den neusten Energiestandards zu sanieren, wird am Beispiel der Fenster schnell klar: Um den typischen Look einer Fabrikhalle aus den 50ern zu bewahren, sollten die Fenster noch Originale sein. Die neuen Energieverordnungen sprachen allerdings eine andere Sprache, die Fenster waren zu undicht, nur einfach verglast, sie hätten raus gemusst. Die Lösung war einfach und aufwendig zugleich: Vor einem Teil der alten Fenster wurde eine Ebene mit neuen Fenstern gezogen, so blieb der typische Fabrikhallen-Look erhalten und gleichzeitig wurde man den Verordnungen gerecht. Um weiterhin für ein gutes, gesundes Raumklima zu sorgen, musste allerdings neben den dichten Fenstern auch eine Lüftungsanlage eingebaut werden, um den Luftaustausch zu gewährleisten. Ähnlich ging es im Treppenhaus weiter: Nach neuen Verordnungen dürfen Abstände zwischen Treppengeländer-Verstrebungen eine bestimmte Größe nicht mehr überschreiten, ein Kind könnte darin sonst stecken bleiben. Den Charme der alten Industriehallen wollten sie jedoch unbedingt erhalten, auch wenn dies sich auf die Kosten auswirkt: „Große Flure gehören zu diesen Hallen, auch wenn Flure in Miethäusern kein Geld, sondern stattdessen Kosten bringen. Bei Wohnflächen zählt der Quadratmeter als Preis, beim Bauen allerdings der Kubikmeter.“
Den alten Charme erhalten…
„Wenn man fair sein will, muss man die Wohnungen mit einem Neubau vergleichen“, so Eitel von der EGP. Energiespar-Auflagen, neue Fußbodenheizungen, Dämmungen und gleichzeitige Lüftungen lassen die Kosten explodieren und damit auch die Preise in die Höhe schnellen: „Die Preise sind ein Resultat der Kosten und die Kosten sind ein Resultat der Gesetze, die wir uns auferlegt haben.“ Dennoch betont Eitel, dass es sich bei den neu entstehenden Wohnungen nicht um Luxuswohnungen handeln soll. Unter den neuen Mietern befinden sich junge Paare, wie Familien mit Kindern und da die EGP zudem barrierefreies Wohnen ermöglicht, konnten sich bereits zwei Rollstuhlfahrer für Wohnungen begeistern. „Die Wohnungen sind etwas für Leute, die in der Stadt wohnen wollen, es aber satt haben, in Din-normierten Wohnungen zu leben.“ Die direkte Nähe zur Stadt bringt naturgemäß ein paar Tücken mit sich, Lärm durch Straßen und Züge wäre eine davon. Aufgrund der Lage und der Höhe der alten Industriehallen hat man von fast überall im Bobinet-Quartier einen überraschenden Blick ins Grüne, auf den Markus- und Petrisberg zum Beispiel.
… und neue Möglichkeiten schaffen.
„Die Besonderheit des Geländes liegt eben auch in seiner Stadtnähe, zudem erschließen wir hier eine neue Gewerbefläche, ein Strukturwandel wird herbeigeführt.“ Was eine Aufwertung für den Stadtteil Trier-West bedeuten kann. Oft wird Jan Eitel gefragt, ob es das wert ist, die ganze Arbeit und das Kapital in das Bobinet-Areal zu stecken. Er antwortet mit einer Gegenfrage: Was ist die Alternative? „Man muss den Wert erkennen und Dinge zusammenwachsen lassen. Aber wenn man in Trier-West nur versucht, Löcher zu stopfen, wertet das nicht auf. Man muss anfangen zu investieren, damit Verbesserungen eintreten können.“ Ursprünglich sollte laut Masterplan der Stadt Trier das gesamte Bobinet-Areal abgerissen werden, Bürogebäude sollten entstehen, Verkehrsströme gebündelt werden. Doch es besteht schlicht kein Bedarf dafür. „Irgendjemand muss anfangen, etwas zu tun, dann fangen andere auch an, darüber nachzudenken und zu investieren.“
Kommentar verfassen