Nick Caves Musik zu hören ist wohl die stilvollste Art traurig zu sein – sagt zumindest das Klischee. Dass Cave jedoch nicht nur die düsteren, leisen Töne beherrscht sondern auch kräftig rockt, davon durfte ich mich am 2.8.22 selbst überzeugen.

Wahnsinnig angenehme Konzertatmosphäre
Man muss sagen, Caves Publikum steht nicht auf Moshpits – dementsprechend angenehm war die Atmosphäre in der nicht ganz ausverkauften aber gut gefüllten Rockhal. Bei den vorherrschenden Temperaturen ein angenehmer Effekt, denn so war der Getränkenachschub kein logistischer Akt – auch wenn die Preise dafür gemessen am schon nicht unerheblichen Ticketpreis schon recht unverschämt waren. Aber gut – Konzert halt.
Die dunkle Seite
Man darf jetzt aber nicht denken dass der Abend von drögem depressivem Rumstehen geprägt war. Nick Cave und seine Band, die Bad Seeds hatten das Publikum ab dem ersten Ton voll in der Hand und es blieb zu Anfang des Konzerts kein Auge trocken. Und das blieb so bis zum Ende der gut 2,5 Stunden langen Show. Musikalisch präsentierten Cave und seine Band so ziemlich alle Abgründe, die sich im dunklen Teil der menschlichen Seele auftun können, von leiser Traurigkeit über rasende Wut bis hin zum voll ausgelebten Hedonismus. Nur Langeweile fehlte. Und das war gut so.
Gut gealtert
Nicht nur musikalisch sondern auch optisch ist Cave in den letzten Jahrzehnten gut gealtert – wirkte er doch in den 80ern und 90ern noch eher wie der böse Zwilling von Dan Aykroyd. Was seine Outfits und Bühnenpräsenz angeht muss man bei Cave und seinen Bad Seeds einfach zugeben dass sich über guten Geschmack nicht streiten lässt. Ebenso das Lightdesign – und ja: auch der Sound war grandios.
Nicht nur was für Spezialisten
Fast alle Konzertbesucher mit denen ich sprach berichteten mir – neben der Begeisterung über die Show – dass sie nicht so genau wussten, worauf sie sich bei einem Konzert von Nick Cave & The Bad Seeds einlassen würden, denn: ja – man kennt den Namen und ein, zwei Klassiker (z.B. „Where the wild Roses grow“ – das übrigens nicht gespielt wurde – Einziger Wermutstropfen!), aber sich eingehend mit Caves Musik zu befassen heisst tief in die Avant-Garde eindringen und schön ist das halt nicht immer. Kunst muss eben auch manchmal weh tun. So gab es auch in der Rockhal Momente wo man erst mal einfach dachte, es hackt. Das gehört dazu und macht den Charme von Caves Musik aus. Hier gibt es noch Ecken und Kanten, die die Songs abseits von Marktorientiertheit und der Frage nach Verkaufszahlen platzieren.
Klare Empfehlung!
Sollten Sie also die Möglichkeit haben sich Nick Cave anzusehen dann tun Sie es. Keine Angst vor Avant-Garde: Die Zeiten, in denen entsprechende Künstler irgend wo zwischen harten Drogen und ignoranter Arrogaz gegenüber dem eigenen Publikum abstruse Performances vom Stapel liessen sind zumindest bei Cave vorbei. Was wir erleben durften war eine Rock Show mit Anspruch und Tiefe, wie sie besser kaum sein kann. Es machte wahnsinnig Spass dieser Band zuzusehen und Cave ist ein Wahnsinns Entertainer. Nicht, weil er sich als Dienstleister am Publikum versteht, vielmehr ist er eine dieser Persönlichkeiten, die eine ganze Halle voller Leute magnetisch anziehen – also trauen Sie sich auf die dunkle Seite.
Ich gebe 5 von 5 viel zu vollen Rotweingläsern.
Die Setlist gibt es übrigens hier.
Schreibe einen Kommentar