Er stand auf weltweiten Bühnen. Seine Stimme einzigartig und träumerisch, durchlebt auch der Trierer Thomas Kiessling, Star-Tenor seines Zeichens, derweil keine leichte Zeit. Seine Kultur-Branche bröckelt dank der Corona-Pandemie und deren Einschränkungen, ist ein Ende des Künstler-Lockdowns noch nicht in Sicht. Viele Existenzen drohen zu scheitern, die einstige Leidenschaft verstummt, hat das große Sterben dieser tollen und einzigartigen Szene schon längst begonnen. Die Ersten die schließen mussten, werden womöglich auch die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Im Interview mit 5vier.de – stand Thomas Kiessling nun Rede und Antwort:

Die Corona-Pandemie trug schon so einige Opfer ins Grab, die nicht selbst am Virus erkrankt sind, sondern viel mehr dank den wirtschaftlichen Folgen und bitteren Einschränkungen, Beruf und Traum aufgeben mussten. Neben der Gastro-Szene traf es aber auch die Veranstaltungsbranche sehr hart. Keine Theater, keine Kinos, kein Musical oder Oper. Es waren die Ersten die Mitte März schließen mussten und werden vermutlich auch die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Wie geht es dieser Branche und wie lange wird sie diesen Lockdown noch durchhalten?
Thomas Kiessling: Unserer Branche geht es sehr schlecht, da wir von Heute auf Morgen aus unserem beruflichen Alltag verbannt wurden. Wir leben alle von Rücklagen, sofern vorhanden. Die wenigen Veranstaltungen, die stattfanden waren eher im benefitären Bereich anzusiedeln, als dass man hätte davon Leben können. Es wird noch lange bis ins Jahr 2021 dauern, bis überhaupt wieder Konzerte oder Kulturveranstaltungen stattfinden können. Ohne Impfstoff keine Kultur!

Ist das Licht der Künstler schon aus..?
Sprichwörtlich heißt es ja, der Letzte macht das Licht aus. Werden die Lichter der Künstler tatsächlich ausgehen – oder gibt es noch einen Hauch an Hoffnung, diese Branche vor dem Untergang zu retten?
Thomas Kiessling: Wenn die Solidargemeinschaft unsere Branche nicht unterstützt, werden viele meiner Kollegen-innen diese Pandemie nicht überleben. Dann wird es aber auch wirklich dunkel und ruhig, denn ein Neuaufbau unserer bisherigen gelebten Kultur wird wegen Geldmangel nicht geleistet werden können. Es gibt bestimmt einige Lebenskünstler, die noch genug Reserven haben, aber bei den meisten, so auch bei mir, müssen neue Konzepte und Verdienstmöglichkeiten her.
Vom Rampenlicht zur Jobsuche
Als Star-Tenor haben Sie schon viele Bühnen dieser Welt gefüllt. Ihre Stimme ein Traum und Wunder zugleich. Wie hart traf diese Krise Sie persönlich und wie geht es Ihnen aktuell?
Thomas Kiessling: Ich bin, wie fast alle meiner Kollegen-innen, zu 99% betroffen. Fast alle Konzerte wurden abgesagt, oder mussten so abgespeckt werden, dass weder Veranstalter noch anderweitig an Konzerten oder auch Touren beteiligten Akteure, rentabel hätten arbeiten können. Ich suche tatsächlich nach einem Job, damit mein Tag außer Grübeln und Sorgen einen positiven Sinn erhält. Da ich in den letzten Monaten viele neue Programme geschrieben, Musik komponiert und Ideen entwickelt habe, ist es nun an der Zeit auch wieder Geld zu verdienen, denn Musik ist Arbeit, die in der Regel bezahlt wird und mit der man Menschen glücklich macht.

Was muss notwendig sein um das Schlimmste noch irgendwie abzuwenden und wie würde sich eine geöffnete Veranstaltungsbranche in Zeiten von Corona bewähren, bzw. wären nicht auch für diesen Bereich gute Hygienekonzepte möglich und umsetzbar?
Thomas Kiessling: Zunächst einmal muss nun der November hinter uns gebracht werden, da wir das Virus noch nicht im Griff haben. Unserer Branche muss dringend vom Staat geholfen werden, da wir schon seit acht Monaten keinen Verdienst haben und zum Wohle der Allgemeinheit Berufsverbot verordnet bekommen haben. Die meisten Landesregierungen unterstützen die Freiberufler nicht oder nur bedingt. In Rheinland-Pfalz gibt es Stipendien, diese sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Arbeitslosengeld II ist keine Lösung, denn vor der Pandemie war ich ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft und nun soll ich den totalen sozialen Abstieg, den diese unverschämte Maßnahme für mich bedeutet, hinnehmen. Nein danke! Dafür habe ich nicht dreißig Jahre Steuern gezahlt und in die KSK investiert.

Zusammenhalt oder Konkurrenz..?
Was hört man so von Ihren Künstlerkollegen? Gibt man sich gegenseitig Tipps oder Ratschläge und wie stark wurde in dieser Branche der Zusammenhalt geschürt und die Konkurrenz begraben?
Thomas Kiessling: Das ist leider das Übel in dieser Branche. Es sind alles Solisten und Einzelkämpfer, somit haben wir keine Lobby und keine Unterstützer. Diejenigen, die sich zusammen tun, sind meistens am Theater beschäftigt und somit, außer den Solisten, in Gewerkschaften organisiert. Den Soloselbständigen bleibt dieser Zugang verwehrt.
Neben Ihrer professionellen Stimme, wecken Sie aber auch politisch Aufsehen. Was hat es mit Ihrem politischen Werdegang auf sich und für welche Linie stehen Sie?
Thomas Kiessling: Aus gegebenen Anlass, musste ich meine Direktkandidatur bei den Freien Wählern wieder zurücknehmen, da ich nun tatsächlich schauen muss, wie ich mich für die nächsten Monate beruflich neu orientieren kann. Ich muss neue Wege finden und vorübergehend einen andere mir gerechte Lebensgrundlage suchen. Aber wenn Ressourcen frei sind, werde ich für ein Übergangslohn für Soloselbstständige und Freiberufler kämpfen.

Ungewissheit und Angst ist groß
In dieser Pandemie machte besonders ein Spruch die Runde “Alles wird gut“. Ein Spruch der auch für die Künstler steht bzw. wo sehen Sie sich im Jahr 2021? Plant man vorsichtig, oder liegt für Sie auch dieses Jahr noch ungewiss auf Eis?
Thomas Kiessling: Alles wird anders! So nenne ich das Kind, denn es kann keiner in die Glaskugel schauen! Meine Tourneen liegen auf Eis, da kein Veranstalter ermessen kann, ob es ihn nächstes Jahr noch gibt. Ideen und Konzepte gibt es viele und auch gute und ausgereifte, aber die Ungewissheit und Angst und Sorge lähmen unsere Branche sehr.
Nur gemeinsam mehr Energie schöpfen
Welche Erkenntnis bzw. Erfahrung konnten Sie aus dieser Zeit, die leider keine schöne ist, letztendlich mitnehmen?
Thomas Kiessling: Die Gewissheit, dass alles unbeständig ist und man froh sein kann, wenn man eine gute Familie hat. Die Pandemie hat mir sehr schnell gezeigt, wer Freund und wer kein Freund ist und auch, wo meine Grenzen sind und auch die der Politik und auch Mitmenschen. Ich wünschte mir mehr miteinander als gegeneinander und somit hätte man mehr Energie für das Wesentliche im Leben um nicht zu sagen Überleben.
Okay Herr Kiessling, ich danke Ihnen für das ehrliche Interview und wünsche Ihnen trotz schwerer Zeit weiterhin alles Gute und eine baldige Rückkehr auf die Bühne.
Thomas Kiessling: Ich Danke für die wunderbaren Fragen und bedanke mich für die Möglichkeit, mich für unsere Branche so einzusetzen.
Das Interview wurde geführt von André Mergener
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