Keine Sorge, ich möchte an dieser Stelle nicht über die vergangene Bundestagswahl abschwadronieren, dazu fehlt mir genau so die Lust wie die Kompetenz um mich sinnvoll zu dem Thema zu äußern. Ich möchte über ein Problem sprechen das uns gerade in den letzten Jahren immer öfter getarnt als Vorteil untergejubelt oder sogar gegen Aufpreis verkauft wird: freie Wahl und unendliche Optionen.
Einzigartig und individuell
Klingt doch erstmal gut – man hat unendliche Möglichkeiten seines Glückes Schmied zu sein, zumindest beim Konsumieren: Sei es die Auswahl an Filmen und Serien in den Mediatheken und Streaming-Portalen, die Konfiguration des neuen Rechners, das Sparmenü oder der fahrbare Untersatz – uns wird nicht nur versprochen dass wir durch geschickte Wahl „das Beste für unser Geld“ herausschlagen können sondern auch dass wir als Individuen behandelt werden. Man kann sich quasi seine einzigartige Kombination heraussuchen. Boah.
Perfekt muss es sein
Doch was kost’ der Spass dann? In erster Linie Zeit, Nerven und Lebensqualität. Wer schon einmal den halben Abend nur mit dem Aussuchen eines Films oder einer Serie auf Netflix verbracht hat weiss was ich meine. Es ist einfach nicht mehr OK wenn etwas nur OK ist. Nein- es muss perfekt sein. Der perfekte Film, die perfekte Serie, das perfekte Auto, der/die perfekte Partner/in.
Mir wurden schon ganze Abende versaut auf der Suche nach dem perfekten Tisch mit der perfekten Sonne und der perfekten Ruhe. Was dann nicht mehr perfekt war war am Ende meine Laune, ganz einfach weil 3/4 des Abends rum waren. Und weil man heutzutage nie weiß ob sich hinter der nächsten Ecke noch eine bessere Option versteckt ergeht man sich in Unverbindlichkeiten von „würden Sie mir das bis morgen zurücklegen“ bis „lass uns doch eine offene Beziehung führen“ – und wundert sich wenn man einsam ist. Schließlich ist man selbst dann auch nur eine Option.
Ein Bein im Ausgang
Optionen schaffen nur einen Schein-Mehrwert. Ich kann ja letztlich doch nur einen einzigen Film schauen in einem bestimmten Moment. Und im Endeffekt schaue ich den halben Abend lang gar keinen weil ich nicht weiß welchen ich nehmen soll. Und so tindert man sich durchs Leben, durch die Versandhäuser und Konsumangebote, durch das TV Streaming Programm und die Lebensphilosophien, immer mit einem Bein im Ausgang. Abgesichert gegen Reiserücktritt, Rückgaberecht und wenns nicht gefällt wird geswiped. Letztlich tun wir uns damit keinen Gefallen.
Ergeben
Ich glaube ich werde den Satz „ich schau ja schon lange kein normales Fernsehen mehr“ gegen den Satz „ich verweigere Mediatheken und schaue was es gerade gibt“ tauschen. Herrlich wenn man sich so fallen lassen kann und die Verantwortung abgeben. Man ergibt sich dem Leben wie es kommt, sei es das TV Programm, der Klamottenladen mit dem kleinen Angebot oder eben die Anzahl an möglichen Dates in einer Kneipe. Weniger Optionen heisst schneller zu einem Ziel kommen. Wenigstens zu irgend einem anstatt bei der Suche zu verhungern.
Gefahr des Scheiterns
Große Auswahl birgt ja auch immer die Gefahr des Scheiterns. Warum soll ich als völliger Amateur den Wein zu einem Essen selbst wählen wenn es doch einen Sommelier gibt der doch zumindest mir eine gute Richtung vorgeben kann? Schon bei der Speisekarte passe ich gerne wenn ich die Möglichkeit habe zu fragen was man mir denn empfehlen kann.
Der eigene Horizont
Warum soll ich permanent meinen eigenen Medienkonsum kuratieren? Wie soll ich denn dann noch auch meiner eigenen Bubble herausschauen können? Nur am Rande bemerkt ist durch eben diese durch den eigenen Horizont eingegrenzte Wahl aus der unbegrenzten Auswahl an Informationen unser derzeitiges politisches und gesellschaftliches Klima entstanden. Man weiß ja selbst am Besten was für einen selbst wahr ist und was nicht. Ob die Erde jetzt eine Scheibe ist oder von Echsen beherrscht wird, Hauptsache man hat sich nix einreden lassen.
Entspannung
Ich habe mich heute in die Klamotten geschmissen die im Schrank oben lagen, habe das Mittagessen gekauft das im Regal ganz vorne lag, werde gleich den Fernseher anstellen, ein Programm einschalten und die Fernbedienung in vollster Überzeugung aus dem Dachfenster werfen. Das nenne ich Entspannung. Es entmüllt meinen Kopf – was mich dazu befähigt hat eben diesen Text jetzt zu verfassen während ich auf meine Frau warte die das Abendessen mitbringt. Welches? Überlasse ich ihr.
Euer Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentiert was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
Philipps: www.philippgodart.de
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