Seit 1700 Jahren leben Jüdinnen und Juden in Deutschland. Im Festjahr 2021 widmet die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier mehrere Folgen der Podcast-Reihe „Veni, vidi, audivi“ der jüdischen Geschichte der Stadt. Die zweite stellt einen jüdischen Verlag vor, der über die Jahrzehnte in Vergessenheit geraten ist.
Die Emanzipation der Juden war in den zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts auch in Trier spürbar und eröffnete ein neues Kapitel der Geschichte der jüdischen Gemeinde. Deutlich wird dies beispielhaft an zwei prominenten stadtbildprägenden Gebäuden. Die Einweihung der neuen Synagoge am Zuckerberg wurde möglich dank des Engagements des Rabbiners Joseph Kahn, einem Verfechter des progressiven Judentums. Hermann Haas gründete an der Ecke Neu- und Fahrstraße ein Geschäft, das zum größten Kaufhaus der Stadt wurde.
Die lebendige Gemeinde war eine Anregung für die jüdischen Unternehmer aus der Region, in Trier Geschäfte zu eröffnen. So verlegte Kaufmann Jonas Maas 1865 seine Firma nach Trier und meldete den bisherigen Hauptsitz in Maring als Zweigniederlassung an. 1867 haben seine Söhne Albert und Ferdinand die Firma in Trier übernommen und das erfolgreiche Unternehmen „Gebr. Maas & Comp.“ gegründet. Zusammen mit dem Kaufmann Adolph Mayer, der damals (laut Königlich-preußischem Staats-Anzeiger) in St. Louis, im Staate Missouri in Nordamerika wohnte, entwickelten sie ein ambitioniertes Projekt. Sie gründeten einen Kolonialwarenhandel, eine Papierfabrik und Papiergroßhandlung, eine Buchdruckerei und schließlich ab circa 1890 einen Verlag. Dieser spezialisierte sich auf jüdische Literaturgeschichte. Der Buchverlag wurde durch den jüngeren Bruder von Adolph Mayer, Sigmund Mayer, geleitet und trug ab 1891 auch dessen Namen.
Die Gebrüder Mayer gehörten zur intellektuellen Elite Triers. Ihr Vater war Dr. Samuel Mayer, Rabbiner und promovierter Rechtsanwalt aus Hechingen. Nach dem Tod seines Vaters 1875 zog auch der jüngste Sohn Sigmund aus Hechingen nach Trier. 1881 erschien in Trier dank der Bemühungen von Sigmund Mayer das Buch des Universalgelehrten Israel Michel Rabbinowicz. Dessen Titel „Einleitung in die Gesetzgebung und die Medizin des Thalmuds“ zeigt die Ambitionen des jungen Unternehmens deutlich auf. „Herr Sigmund Mayer hat (das Buch) aus dem Französischen übersetzt und hier für das deutsche Publikum drucken lassen. Er that dies ohne irgend einen materiellen Zweck aus reiner Liebe zur Wissenschaft, welche Liebe er von seinem Vater geerbt, dem Herrn Dr. Samuel Mayer, Rechtsanwalt und Rabbiner in Hechingen“, heißt es darin. Die Erwartungen der Familien Maas und Mayer werden mit der ersten Veröffentlichung der Druckerei Maas deutlich. Im Jahr 1890 erschienen in Trier Werke des progressiven Freiburger Rabbiners, Historikers und Schriftstellers Adolf Lewin „Juden in Freiburg i. B.“. Parallel erhielt die Druckerei auch andere Aufträge. 1891 erschienen unter anderem „Neuer Kalender für Stadt und Land“ für das Jahr 1891 – beziehungsweise 5651 und 5652 nach dem jüdischen Kalender, in dem auch jüdische Feiertage angegeben wurden.
Im Laufe des Jahres 1891 entschied sich Sigmund Mayer, einen Verlag unter eigenem Namen zu gründen. Vermutlich hat die gute Zusammenarbeit mit dem Rabbiner und Vertreter des liberalen Judentums Adolf Lewin dazu beigetragen. Der Schwerpunkt des ambitionierten Verlags lag in der Geschichte und Literaturwissenschaft des Judentums. Dies beweist auch eine der wichtigsten Veröffentlichungen auf diesem Feld in Deutschland aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, das monumentale Werk: „Anthologie, Die Jüdische Literatur seit Abschluss des Kanons. Eine prosaische und poetische Anthologie mit biographischen und literargeschichtlichen Einleitungen“.
Sigmund Mayer hat dieses dreibändige Kanon-Werk zusammen mit der bekannten, zweitgrößten jüdischen Verlagsbuchhandlung in Deutschland (Moritz Poppelauer aus Berlin) herausgegeben. Die Autoren waren der evangelische Theologe August Wünsche und Jacob Winter, Oberrabbiner von Dresden. Die dreibändige Anthologie war eine Quellensammlung; sie sollte auch einem breiteren Publikum den Zugang zur jüdischen Literatur ermöglichen und erlauben, „sich eine eigene Ansicht von dem zu bilden, was das jüdische Geistesleben an Schriftwerken hervorgebracht hat“.
Das Werk erschien in Trier und Berlin zwischen 1894 und 1897. Die Anthologie war vermutlich das letzte von Sigmund Mayer herausgebrachte Werk. Die große Papierfabrik und Druckerei in der Paulinstraße wurde um 1904 durch den Kaufmann Christian Axt übernommen und in den Gebäuden in der Güterstraße 8, wo sich dessen Wachswaren- und Luxuskerzenfabrik befand, weitergeführt.
Die „reine Liebe zur Wissenschaft“ haben die Gebrüder Maas und Mayer weiteren Nachfahren vermittelt. Nicht nur die Männer haben ein Studium mit Abschluss oder Doktortitel erworben, wie Dr. Paul Maas oder Dr. Gerhard Wolf Heidegger. Auch eine Tochter von Albert Maas, Dr. Hermine Maas, wurde als zweite Frau an der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg promoviert und danach (1910) als erste Schulärztin in Bayern angestellt. Auch ein sehr bekannter Verlagsname hängt mit dem Mayer-Verlag zusammen, der Prestel-Verlag: Ein Enkel von Adolph Mayer, Dr. Hermann Loeb, war der Gründer. Es ist kein Zufall, dass er Rechtswissenschaft und Philosophie studierte. Schließlich hatte bereits sein Urgroßvater Samuel einen Doktortitel als Jurist erworben. Aber die Kunstgeschichte als letzter Studiengang von Hermann Loeb entwickelte sich zu seiner wahren Leidenschaft. Das führte zusammen mit der Familientradition und der Liebe zu Büchern 1924 zur Gründung des Prestel-Verlags. Die Ursprünge von einem der renommiertesten Verlagshäuser Deutschlands, spezialisiert auf hochwertige Kunstbücher, sind in dem Trierer Verlag Mayer zu finden.
PM – Stadt Trier / AM
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