Seit geraumer Zeit können Bürger schon im Rahmen des „urban gardening“-Projektes vor dem Rathaus mitgärtnern. Nun zündet das Rathaus die nächste Stufe, um die umliegenden Grünflächen zu beleben: Die Rathaus-Bienen sollen nicht nur den gefährdeten und doch so unglaublich wichtigen Artgenossen unter die Arme greifen, sondern auch zu einer neuen städtischen Gaumenfreude beitragen: dem Rathaus-Honig.
Trier. Zunächst ist es wichtig erstmal ein paar Dinge richtig zu stellen. Bienen sind friedliche Insekten. Männliche Bienen, die sogenannten Drohnen, haben nicht mal einen Stachel. Die Arbeiterinnen haben die Möglichkeit zu stechen, sterben aber an den Folgen. Das liegt daran, dass der Stachel kleine Widerhaken hat, die dafür sorgen, dass die Biene sich beim Weiterflug den gesamten Stachelapperat abreißt und an den Verletzungen stirbt. Für Bienen ist das Stechen also der allerletzte Ausweg, eine Option, die sie nur im absoluten Notfall wählen. Ein vermeintlicher Angriff gegen das Bienenvolk könnte ein solcher Notfall sein, sprich wenn ein Mensch sich mit hektischen, schnellen Bewegungen nah am Flugloch aufhält.
Interessanterweise gibt sogar es Bienenarten die nicht mal stechen, wenn ihre Kolonie angegriffen wird. Da ein Angriff mit dem Stachel den eigenen Tod bedeutet, ziehen sie es vor sich an anderer Stelle niederzulassen und sich dort weiter fortzupflanzen, denn wer stirbt ist dazu logischerweise nicht mehr in der Lage. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass auch die gefürchteten Wespen alles andere als aggressive Tiere sind. Im Endeffekt greifen auch diese nur an, wenn sie sich bedroht fühlen, sterben im Gegensatz zur Biene allerdings nicht beim Zustechen. Die vermeintliche Aggressivität geht für gewöhnlich zurück auf eine verzweifelte Nahrungssuche von oft 120.000 Wespen fassenden Völkern, wenn im Spätsommer langsam die Reserven knapp werden. In jedem Fall sollte man vermeiden nach den Tieren zu schlagen, denn in dem Fall setzen die Tiere Geruchsstoffe frei, die weitere Wespen zur Verstärkung herbeirufen.
Im Vergleich zur Wespe ist die Biene für unser Ökosystem existenziell wichtig. Mehr als die Hälfte der heutigen Pflanzenarten vermehrt sich über die Bestäubung, Insekten, allen voran die Biene tragen maßgeblich dazu bei, dass die Pflanzenwelt funktioniert. In einigen der wichtigsten Obstanbaugebiete Chinas existieren seit 25 Jahren keine Bienen mehr. Das bedeutet für die Menschen, dass sie die Arbeit der Bienen übernehmen müssen. Konkret bedeutet das, dass im Süden Chinas bei beginnender Obstbaum-Blüte tausende Tagelöhner angeheuert werden, die dann von Plantage zu Plantage gehen und auf Leitern den Pollenstaub einsammeln. Sobald die Obstbaum-Blüte in nördlicheren Regionen beginnt, verteilt sich wieder eine unüberschaubare Zahl an Tagelöhnern mit Leitern auf den Obstbaum-Feldern und beginnt jede Blüte mit dem Pollenstaub zu bestäuben. Eine absurder Arbeitszweig, auf den auch Bürgermeister Wolfram Leibe bei der Vorstellung der Rathaus-Bienen hinweist, schließlich übernehmen eigentlich Bienenvölker genau diese Aufgaben völlig kostenlos, wenn sie denn nicht ausgestorben sind.
Die Idee der „Rathaus-Bienen“ geht zurück auf Umweltberater Johannes Hill, der selbst imkert und mit Petra Eickhoff und Siegfried Nissen zwei weitere Hobby-Imker zum Mitmachen gewinnen konnte. Ab Frühjahr 2017 sollen zum Start vier Bienenvölker mit mehreren zehntausend fleißigen Bienen von ihrem Standort, einem ruhigen Grünbereich in der Nähe des Hochbunkers, in die neue Frühlings-Saison starten. In der Umgebung von etwa zwei Kilometern rund um das Rathaus sammeln sie dann Pollen und Nektar. Nach erfolgreicher Arbeit der Bienen winkt dann im Juni bereits die erste Honigernte.
Ein Teil des Erlöses vom sogenannen „Rathaus-Honig“, der ähnlich wie der Trierer „Stadtcafe“ vermarktet werden soll, wird nachhaltigen Projekten zufließen. Angedacht sind weiterhin Kooperationen mit dem Trierer Bienenzuchtverein, Patenschaften zur Förderung der Stadtimkerei und Schulungen für den Imkernachwuchs. Auch ein Wettbewerb zur Etiketten-Gestaltung eines Rathaus oder Römerhonigs sind angedacht. „Vom Bienenvolk kann man viele ökologische, ökonomische und soziale Kompetenzen lernen. Vielleicht helfen uns die Rathausbienen, noch nachhaltiger zu werden“, so Triers Umweltberater Johannes Hill augenzwinkernd. Denn auch in Deutschland sind die Bienen gefährdet. Damit es nicht auch bei uns in Zukunft Tagelöhner zum Bestäuben der Pflanzen braucht, gibt es immer mehr Initiativen zur Rettung der Honigbiene. „Städte übernehmen Verantwortung“, fasst Oberbürgermeister Wolfram Leibe das unter vorbildlicher Zusammenarbeit von Rathaus-Mitarbeitern entstandene Projekt zusammen. Im Kampf gegen das Aussterben der Honigbiene müssen alle mithelfen…und die süß-klebrige Belohnung für das Engagement lässt hoffentlich nicht lange auf sich warten: der Rathaus-Honig! Wir bleiben dran!
(Foto: Benny ; https://flic.kr/p/9EBjwm)
Marzellus Boos meint
Nette Geste!
Es ist zwar nicht mehr unbedingt originell, wenn im Umfeld von Rathäusern Städtische Bienen zum Sammeln ausfliegen dürfen, aber immer eine nette Geste. Aber mit „Bienenhaltung“ allein ist den Honigbienen und ihrer wilden Verwandschaft noch nicht geholfen. Es kommt vor allem darauf an, dass es dort, wo Bienen ihrer segensreichen Tätigkeit nachgehen, auch wieder blüht, damit die Insekten auch ausreichend Nahrung finden. Hier gibt es auf seiten des Bundes, der Länder und auch der Kommunen noch viel zu tun. Es kommt vor allem darauf an, dass auch ein bienenfreundliches Umfeld entsteht, in den Gärten, Parks, auf Agrarflächen und was oft übersehen wird, auch in den Wäldern. 2007 hatte man sich bundesweit per Kabinettsbeschluss vorgenommen, dass bis 2020 10 % der kommunalen Wälder aus der Nutzung herausgenommen wird. Was da bisher tatsächlich passiert ist, ist dann doch sehr bescheiden. In Rheinland-Pfalz z.B. hat man 3 Jahre vor Erreichen der Ziellinie erst gerade mal die Hälfte der Zielvorgaben umgesetzt. Bienenstöcke im Deutschen Bundestag, auf Landtagen und Rathäusern sind bestenfalls Symbolpolitik, solange man unseren Bienen nicht wieder naturnahe Lebensräume schafft. Da gibt es für alle Politikebenen noch unendlich viel zu tun.
Marzellus Boos, Hobbyimker, Blogger, Autor von „Bienen. Die Seele des Sommers“
https://imkermagazin.wordpress.com/2017/01/19/eichen-zum-beispiel/