Die Rollenverteilung der Geschlechter ist trotz überwundener Meilensteine und zunehmender Gleichberechtigung noch vielerorts klassisch. Dabei genügt eigentlich schon ein Blick ins Privatleben, um zu entlarven, dass das vorgefertigte Geschlechter-Schubladendenken fern jeglicher Realität ist. Die Trierer Fotografin Simone Busch hat sich genau das zur Aufgabe gemacht: Männer in ihrem natürlichen Lebensraum ablichten.
Trier. Trotz Vorreiterrollen wie die der Ellen Ripley in Ridley Scott’s „Alien“ ist auch in Hollywood noch immer der Mann der muskelbepackte Retter in der Not und die Frau die hilfsbedürftige, schwächere Hälfte, die entweder unentwegt plappert oder höllisch sexy mit der Kamera spielt. Ausbrüche aus diesem Schema geht man in der heutigen Pop-Kultur suchen und so werden ganze Generationen mit einem Männer- und Frauenbild versorgt, was nicht weiter entfernt von der Realität sein könnte. Auch deutsche Zeitgenossen wie Mario Barth oder Heidi Klum mischen kräftig im Kampf der Geschlechter mit und platzieren ihre Vorstellungen mehr oder weniger subtil in der Prime Time. Gegenbewegungen gibt es viele und sie alle haben schon mehr Jahre auf dem Buckel als Klum und Barth zusammen. Erste Emanzipationsversuche der Frauen gehen auf das 12./13. Jahrhundert zurück, während der Französischen Revolution gab es einen weiteren Schub und die bisher größte Welle der Frauenbewegung startete Mitte der 1940er Jahre und zog sich über mehrere Jahrzehnte mit dem Höhepunkt in den späten 1960er Jahren.
Dass auch die eigentlich so dominante Männerwelt nach Emanzipation schreit, wird vor dem Hintergrund der Frauenemanzipation gern vergessen. Denn Emanzipation bedeutet nichts anderes als eine Aktion gesellschaftlicher und/oder politischer Selbstbefreiung. Das Klischee, dass der Mann ein muskelbepacktes Alphatier sein muss ist logischerweise genau so realitätsfern wie die Frau als immer perfekt gestyltes Sex-Objekt. Es liegt an beiden Lagern, Frauen und Männern, etwas an den absurden Vorstellungen zu ändern, mit denen immer noch ganze Generationen aufwachsen und beim immer intensiver werdenden Medienkonsum bombardiert werden.
Simone Busch wirkt als quirlige Foto-Jägerin, wie sie mal von einem Journalisten bezeichnet wurde und seitdem Gefallen an der treffenden Charakterisierung gefunden hat, in solch epischen Konflikten auf den ersten Blick vollkommen unscheinbar. Mit einer Fotoserie, an der sie seit Oktober 2015 arbeitet trägt sie aber maßgeblich dazu bei, dass nicht die Frau, sondern das männliche Geschlecht in einem anderen Licht erscheint. Sie selbst beschreibt ihre Foto-Serie „RaumMann“ auch gern mit „Männer in ihrem natürlichen Lebensraum“. Die Entstehung des interessanten Projekts ist schnell erzählt: „Räume haben mich immer interessiert und Männer habe ich mir ausgesucht, weil ich es interessant finde eben als Frau mal das andere Geschlecht abzulichten“, so Simone Busch. Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Herrenwelt vor der Linse dar, weil sie sich laut der erfahrenen Fotografin generell nicht so gern fotografieren lässt.
Fotografiert werden dementsprechend keine Models, sondern „vielfältige, charaktervolle und interessante Männer, die unterschiedlich im Alter, Beruf, Herkunft und Familienstand sind.“ So dürfen die jeweiligen Modelle auch den Ort des Shootings selbst wählen. Oft fotografiert Simone Busch daher im Zuhause des Mannes, immer wieder aber auch am Arbeitsplatz. Wolfram Leibe, Oberbürgermeister von Trier und eines der prominentesten Modelle von Busch, wurde dementsprechend auch in einem privateren Kontext abgelichtet, um eine andere Perspektive von dem mächtigsten Mann Triers zu zeigen. Ziel ist es immer verschiedene Seiten eines Mannes auf einem Foto zu zeigen: „Ich versuche bei jedem Bild Sachen herauszukitzeln, die für den Betrachter auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich oder halt spannend sind und eben neugierig machen auf die Person.“
Dabei setzt die Foto-Jägerin, die Medienwissenschaften und Pädagogik studiert hat und heute Fotokurse und Persönlichkeits-Seminare an der Europäischen Kunstakademie gibt, zwar moderne Kameras ein, geht aber dennoch ganz klassisch an ihre Motive heran. Moderne Hilfsmittel und Manipulationswerkzeuge wie Photoshop sind tabu, die Männer sollen in ihren Lebensräumen so real und authentisch wie möglich erscheinen, frei von künstlicher Retusche und Beauty-Spielereien. Dieser Gegenentwurf zur modernen Photoshop-Fotografie generiert natürlich wirkende Bilder mit echten Menschen. Es gibt Falten, es gibt Unreinheiten in der Haut, nobody is perfect und genau das soll auch so bleiben. Die glatt retuschierten David Beckhams und George Clooneys dieser Welt haben mit ihren glänzenden und gestählten Oberkörpern bei den RaumMännern von Simone Busch nichts verloren. Es geht nicht um die Illusion, sondern um Authentizität.
Nachdem die erste Ausstellung von beeindruckenden 40 RaumMännern im Frühjahr 2016 im KM9 in Trier stattfand, wird die erweiterte Serie bei einer Vernissage am 17. Februar 2017 in der Steipe zu sehen sein. Mindestens 60 RaumMänner (also über 20 neue Werke) werden dann vorraussichtlich in dem historischen Gebäude am Hauptmarkt zu bewundern sein und damit ist noch lange nicht Schluss. Die Trierer Männerwelt interessiert Simone Busch auch weiterhin, weswegen ein Buch zu der „RaumMann“-Reihe bereits in Planung ist. Passend dazu wird die Wunschliste möglicher Kandidaten immer länger, von Bischof Stephan Ackermann über Guildo Horn. Ob daraus dann irgendwann tatsächlich ein Foto vom Nussecken backenden Schlagersänger in heimischer Umgebung wird, steht noch in den Sternen. Im Visier hat die Foto-Jägerin aber offensichtlich noch viele Männer, von denen hoffentlich viele bereit sind ihr ihre ganz persönliche, authentische Seite zu zeigen.
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