Eine spannende Hinrunde liegt hinter den Fans der Regionalliga West. 5vier zieht eine Zwischenbilanz mit den Titelfavoriten und Enttäuschungen – und stellt die spektakulärsten Zahlen nach der Hälfte der Saison vor.
Die Hinrunde der Regionalliga West 2011/12 ist Geschichte. So ist es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen in dieser Klasse, die es letztmals in dieser Besetzung mit den 19 Mannschaften gibt. Ab dem Sommer 2012 teilen sich die viertklassigen Staffeln nach der Ligenreform in Nord, West, Ost, Süd-Südwest und Bayern auf. Dann gibt es auch die Rückkehr der Relegationsrunden um den Aufstieg in die 3. Liga.
Aus der befürchteten Langweile ist in der letzten Saison der West-Liga aber nichts geworden. Drei Mannschaften spielen mit starken Punkt-Ausbeuten um den Aufstieg, es gibt Enttäuschungen um gescheiterte Titel-Favoriten, Zuschauermagneten wie Rot-Weiss Essen und Bundesliga-Stars auf Amateurplätzen. 5vier.de zieht ein Zwischenfazit der Saison und stellt zugleich die wichtigsten Zahlen der Hinrunde vor – und eine Hinrunden-Mannschaft, die es zusammen auf 1344 Bundesligaspiele bringen würde.
Das Titelrennen
Sportfreunde Lotte – Im Rennen um die Meisterschaft sind drei Mannschaften zu großer Form aufgelaufen. Die Sportfreunde Lotte, Eintracht Trier und Borussia Mönchengladbach II haben nach der Hinrunde die besten Chancen, am Ende den Sprung in die 3. Liga zu schaffen. Der Überflieger der ersten Monate war aber ohne Zweifel Lotte. Die Elf von Maik Walpurgis stand wegen des Koblenzer Zwangsabstiegs vor der Eingliederung in die Nord-Staffel. Der 4.000-Einwohner-Ort durfte aber im Westen bleiben – und dominierte die Liga bis zum Dezember nach Belieben. Mit vier Unentschieden starteten die Sportfreunde enttäuschend in die Saison.
Doch dann folgte die Leistungsexplosion: Von 39 möglichen Zählern fuhr das Team vom Autobahnkreuz in den folgenden Partien ganze 35 ein. Ein Spitzenwert, der besonders Marcus Fischer zu verdanken war. Der Rückkehrer aus Elversberg fühlte sich am ihm bekannten Autobahnkreuz sichtlich wohl und wurde zum Torjäger, der aus einem 0:0-Spiel einen 1:0-Sieg zaubern konnte. 14 Treffer gelangen Fischer in 16 Spielen – ehe ihn ein bitterer Kreuzbandriss aus der Bahn warf. Lotte sucht nun einen Nachfolger. Saisonübergreifend waren die Sportfreunde 25 Spiele am Stück unbesiegt – zum Serienbrecher wurde Eintracht Trier, das im Dezember 3:2 in Lotte gewann.
Eintracht Trier – Die Trierer waren als Vizemeister des Vorjahres einer der Titelfavoriten. Doch nach den Abgängen von Freistoß-Experte Alban Meha und Angreifer Lukas Mössner dauerte es einige Zeit, bis Trainer Roland Seitz seinen Wunschkader gefunden hatte. Neuzugänge wie Alon Abelski, Wojciech Pollok und Marc Gouiffe à Goufan kamen erst mit Verspätung an die Mosel. Dazu kamen drei Heimniederlagen in Folge gegen Schalke II (1:2), Düsseldorf II (1:2) und Mainz II (0:3). Dieser Tiefpunkt war zugleich die Wende für Trier, das danach in Fahrt kam und 613 Minuten in Folge kein Gegentor mehr kassierte. Als nach dem 2:4 in Kaiserslautern der Meisterschaftszug davonzufahren schien, zeigte die Eintracht erneut Moral, bezwang Leverkusen und gewann das Spitzenspiel in Lotte. Dazu bestätigte die Eintracht ihren Ruf als Pokalschreck, indem sie erst St. Pauli bezwang (2:1) und dann dem Hamburger SV erst nach Verlängerung denkbar knapp 1:2 unterlag.
Borussia Mönchengladbach II – Gladbach zählt sicher zu den spielstärksten Mannschaften der Regionalliga. Sven Demandt will unbedingt in die 3. Liga mit den Talenten, von denen besonders U20-Nationalspieler Elias Kachunga, Torhüter Janis Blaswich, Amin Younes und Julian Korb von der Bundesliga träumen dürfen. Die Fohlen, bei denen einst Netzer, Vogts und Heynckes die glorreichste Ära des Vereins prägten, sind die einzige Reserve, die konstant um den Titel mitspielt. Mönchengladbach stellt die stärkste Heim-Elf der Liga.
Die Enttäuschungen
Wuppertaler SV – Als die Nachrichtenagenturen im Sommer ihre Expertenumfragen verschickten, stand eine Mannschaft ganz oben bei den Meisterschaftsfavoriten – der Wuppertaler SV. Der Verein vom Bergischen Land rüstete nach einer Frust-Saison auf, lockte 15 Spieler ins Stadion an den Zoo und machte aus seinen Ambitionen kein Geheimnis. Doch nach einem desolaten Auftakt wurden die Erwartungen früh enttäuscht. Karsten Hutwelker musste früh seinen Hut nehmen – es war zusammen mit Günter Erhart vom SV Elversberg die einzige Trainer-Entlassung der Saison. Als Nachfolger wurde Hans-Günter Bruns auserkoren, der zuvor beim Höhenflug von Rot-Weiß Oberhausen für bodenständige, zuverlässige und erfolgreiche Arbeit ohne Marktschreier-Mentalität stand. Mit einem 1:4 in Bochum startete Bruns denkbar schlecht – wütende Fans wollten den Platz stürmen. Nun hat der „Trainer-Buddha“ die Aufgabe, eine Einheit mit Blick auf einen neuen Anlauf im Sommer zusammenzustellen. Bekim Kastrati, Erhan Zent, Waldemar Schattner und Jerome Assauer wurde bereits mitgeteilt, den früheren Bundesligisten verlassen zu dürfen. Bei Titel-Umfragen im Winter wird der Wuppertaler SV eher nicht auftauchen.
TuS Koblenz – Viel schlimmer erging es in diesem Jahr aber der TuS Koblenz. Im Sommer 2011 folgte der Zwangsabstieg aus der 3. Liga, weil nach dem Absprung von Investor Walterpeter Twer kein zahlungskräftiger Ersatz zu finden war. Koblenz hatte nicht genügend Geld, um ein weiteres Jahr in der überregionalen Klasse bezahlen zu können, obwohl unter Petrik Sander ein Mittelfeldrang belegt wurde. Sein Nachfolger Michael Dämgen hatte die undankbare Aufgabe, innerhalb von wenigen Wochen mit kleinen Mitteln eine ganz neue Mannschaft für die Regionalliga zu basteln. Immerhin kam mit Mineiro der schillerndste Neuzugang der Hinrunde zur TuS – der Brasilianer absolvierte 24 Länderspiele, stand beim FC Chelsea schon mit Didier Drogba auf dem Rasen und war Leistungsträger bei Hertha BSC. Retten konnte er das fußballerische Flaggschiff der Stadt aber auch nicht. Koblenz trägt mit nur zwölf Zählern die „Rote Laterne“ der Liga, hat mit 13 Treffern den ungefährlichsten Angriff und mit dem 2:1-Sieg gegen Fortuna Köln erst einen Sieg auf dem Konto. Zum Glück gibt es wohl keinen sportlichen Absteiger…
Rückkehr der Traditionsvereine
RW Essen – Die Liga bereichert allen voran der Zuschauermagnet Rot-Weiss Essen, dem nach dem Zwangsabstieg 2010 und dem gescheiterten Stadionbau ein furioses Comeback gelang. Trainer Waldemar Wrobel baute eine hungrige Elf mit vielen Feierabendfußballern auf und feierte nach einem Jahr den sofortigen Wiederaufstieg aus der NRW-Liga. Auch die versprochene Arena für 24.000 Zuschauer wird endlich von der Stadt gebaut – sie kostet 31 Millionen Euro. In der Regionalliga spielt Essen bislang keine glamouröse Rolle – mit 21 Punkten steht der Verein von „Boss“ Helmut Rahn eher im grauen Mittelfeld. Das wiegt angesichts des bekannten Scherbenhaufens vor 15 Monaten aber nicht schwer, zumal die Fans ihrem Klub trotzdem die Treue halten. Fast 7.000 Anhänger strömen regelmäßig zu den Heimspielen ihres Klubs.
Fortuna Köln – Weniger Fans, aber sportlich erfolgreicher ist dagegen Fortuna Köln. Was lieferte der Verein früher für Geschichten unter dem 2005 verstorbenen Mäzen Jean Löring, der Trainer Toni Schumacher mal unsanft in der Halbzeit mit den Worten „Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!“ entließ. Die Jahre ohne die finanzielle Unterstützung von Löring waren hart für die Fortuna, die bis in die Verbandsliga abstürzte. Ein basisdemokratischer Ansatz wurde gewählt, bei dem Fans gegen einen Jahresbeitrag von 40 Euro Entscheidungen treffen konnten. In den wichtigen Punkten war ihre Meinung aber nicht gefragt. Das Modell wird zum Januar 2012 aufgelöst, auch weil es mittlerweile wieder zahlkräftige Investoren gibt. Platz vier ist nach dem Aufstieg eine Basis der Hinrunde, auf der Fortuna Köln weiter aufbaut und mittelfristig die Rückkehr in die 2. Bundesliga schaffen möchte. Leistungsträger wie Torwart Dieter Paucken und Torjäger Silvio Pagano (8 Treffer) haben schon beim 1. FC Köln gespielt.
Bundesliga-Stars in der Regionalliga
Zugegeben, es ist taktisch eine gewagte Formation. Aber dennoch kann man eine schlagkräftige Mannschaft aus Bundesliga-Profis aufstellen, die es in dieser Hinrunde schon auf Einsätze in der Regionalliga West brachten. Timo Hildebrand steht im Tor, die Viererkette bilden Bastian Oczipka, Patrick Owomoyela, Alexander Bugera und Malik Fathi. Im Mittelfeld sorgen Florian Kringe, Antonio da Silva und Eugen Polanski für Stabilität, Patrick Herrmann und Nicolai Müller wirbeln auf den Flügeln und bedienen Mohamed Zidan im Sturm. Diese namhafte Elf bringt es zusammengerechnet auf 1344 Einsätze in der Bundesliga und 20 Länderspiele für Deutschland. Doch die Reserven verbuchen nach der Hinrunde auch etliche Talente, die Stars von morgen sein sollen – wie Erik Durm und Shawn Parker von Mainz 05, Elias Kachunga von Mönchengladbach II, Terrence Boyd von Dortmund II und viele andere, die in den Leistungszentren ausgebildet wurden.
Zahlen und Fakten
Zuschauermagnet RWE – Rot-Weiss Essen ist mit großem Abstand der Zuschauermagnet in der Regionalliga West. 60.990 Fans strömten in neun Spielen an die Hafenstraße. Mit 6.777 Zuschauern im Schnitt pro Heimspiel ist das der Spitzenwert der Liga. Auch den Rekord in einer Partie stellt Essen auf. Bei der 1:2-Heimpleite gegen den SC Wiedenbrück kamen mit 7.787 Anhängern so viele wie in bislang keinem anderen Spiel in dieser Saison. Vom Zuschauerschnitt her folgen den Essenern die TuS Koblenz (2.688), Eintracht Trier (2.468) und der Wuppertaler SV (2.171). Der sportliche Spitzenreiter, die Sportfreunde Lotte, verbucht im Durchschnitt nur 933 Zuschauer pro Heimspiel.
Torjäger Knappmann – Die meisten Treffer der Hinrunde erzielte Christian Knappmann als einer der wenigen Lichtblicke vom Wuppertaler SV. Der Stürmer führt mit 16 Toren die Torjägerliste an. Ihm folgen der verletzte Marcus Fischer (SF Lotte) mit 14 Treffern und Elias Kachunga (Mönchengladbach II) mit zwölf Toren. Torgefährlichster Trierer ist Ahmet Kulabas, dem bislang acht Treffer gelangen.
Denkwürdige Spiele – Das torreichste Spiel der Hinrunde gab es zwischen dem 1. FC Köln und dem SC Idar-Oberstein. Die jungen Geißböcke siegten mit 6:3. Den höchsten Heimsieg feierten die Sportfreunde Lotte mit einem 6:0 gegen Fortuna Köln. Auswärts trumpfte Borussia Dortmund II richtig auf. In Wiedenbrück siegte die BVB-Reserve mit 7:1 – Hinrunden-Rekord!
Auswärts hui, daheim pfui – Auf die Nostalgie, die das Stadion „Rote Erde“ versprüht, freuen sich viele Fans immer besonders. Noch mehr allerdings auf die Spiele bei Borussia Dortmund II. Die BVB-Reserve stellt mit nur fünf Punkten aus acht Spielen die schlechteste Heimbilanz. Dafür gehört Dortmund zu den besten Reisegruppen der Liga. 20 Punkte sammelten die Talente auf fremden Plätzen. Ganz vorne liegt hier Eintracht Trier mit 21 Zählern, punktgleich mit den Sportfreunden Lotte, die allerdings eine Partie weniger auswärts ausgetragen haben. Besonders zahm sind nach langen Fahrten bislang die TuS Koblenz mit nur drei und Idar-Oberstein mit vier Zählern. Beide haben noch kein Auswärtsspiel gewonnen. Die besten Heimmannschaften sind Mönchengladbach mit 19 Punkten, Lotte und Fortuna Köln. Bei allen drei Teams hat Trier übrigens gewonnen – für Lotte und Köln waren das sogar die einzigen Heimpleiten.
Tore, Tore, Tore – 480 Tore fielen in den 170 Regionalligaspielen. Das sind 2,8 Treffer pro Partie. Besonders torgefährlich sind die Sportfreunde Lotte, die mit 37 Toren die beste Offensive stellen und mit nur 14 Gegentoren auch die stärkste Defensive. Harmlos nach vorne ist Koblenz mit nur 13 erzielten Toren in 18 Spielen. Idar-Oberstein stellt mit 37 Gegentreffern die schwächste Abwehr der Liga.
woddy meint
Sorry aber Trainer bei Rot-Weiss Essen ist Waldemar nicht Marc Wrobel!
Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für die Anmerkung und sorry für den Fehler! Wir haben es sofort korrigiert. (fs)