Seit der Saison 2017/2018 ist jeder Basketball-Zweitligastandort angehalten, seine Partien über Internet-Stream live zu übertragen. Für Chris Schmidt und David Vilter ist diese Neuerung keine – sie übertragen schon seit fast fünf Jahren online Videoinhalte für die hiesigen Basketballinteressierten in und um Trier. Nachdem der Trierer Profibasketball 2015 neu in der ProA an den Start gehen musste, kam ein neuer, wenn auch altbekannter Name dazu: Thomas Jarosch ist zu der Stimme des Trierer Basketballs geworden, die auch überregional viele Lorbeeren einheimst. Doch auch das schützt nicht vor kleineren Shitstorms.
Trier. Wir treffen Tom Jarosch gegen 18 Uhr im Front of House. Eigentlich hätten wir auch schon früher kommen sollen, um den Aufbau der Technik beizuwohnen. Doch das Team um David Vilter war schon am Vortag fleißig, sodass am Playoff-Spieltag gegen Heidelberg schon alles steht. Die komplette Vorbereitung nehme etwa zehn – zwölf Stunden in Anspruch, die Nachbereitung fünf bis sechs, so Vilter. Jarosch bezeichnet ihn gerne als Steve Wozniak (Mitbegründer von Apple, Anm. d. Redaktion), der Tüftler und Mastermind. Sein Pendant in der Rolle von Steve Jobs (Gesicht von Apple) sei Chris Schmidt, seit etlichen Jahren Hallensprecher in der Arena.
Eine Weltfirma gründeten die beiden zwar nicht, doch mit Stream Solutions entwickelten sie eine kleine Firma, die wegbereitend für die Übertragung und Aufbereitung von Live-Sport an kleineren Standorten war. Per Audio-Stream übertrug das Team seit 2007 aus fremden Hallen der Basketball-Bundesliga, bis der Schritt zum Videomitschnitt erfolgte. Im November 2013 das erste Mal aus Quakenbrück, beschränkte man sich zunächst noch auf Auswärtsspiele.
Später gelang es der BBL, mit der Telekom einen Partner zu finden, der jedes Spiel der Bundesliga überträgt. Dabei halfen die Erfahrungen von Schmidt und Vilter, sie wurden Teil des großen Übertragungspakets. Nach der Insolvenz der TBB Trier und der dadurch bedingten Neulizenzierung in der zweiten Liga, war dann nicht mehr die Telekom für die Arena in Trier zuständig. Der Offene Kanal 54 übernahm nach längerer Pause und suchte dazu Kommentatoren per Casting.
Per Casting gefunden
Die Wahl fiel auf Thomas Jarosch, ein Gesicht des deutschen Basketballs und durch Sachverstand, Witz und Meinung auch schnell die unverwechselbare Stimme der Übertragungen. Ohne ihn sind diese nur noch schwer vorstellbar. Wer ihn denn ersetze, sollte er mal krank sein, fragen wir ihn. Vilter grätscht dazwischen: „Tom darf nicht krank werden.“ Gut, bislang war er es auch nicht. Und bei seiner Reibeisenstimme fällt ohnehin nicht auf, wenn der Hals ein wenig kratzt. Doch dafür ist er trotzdem vorbereitet, hat stets Tabletten für die Entspannung der Stimmbänder bei sich.
Selber bereitet sich Tom ebenfalls über mehrere Stunden akribisch vor, hat Spielerprofile der Trierer und der Gäste vor sich liegen. Wobei er die der Gladiators quasi schon auswendig kennt. Auch die Bilanzen, Trends und Zeitungsartikel finden sich in seiner Mappe. Sein Wissen wird von den Anhängern der gegnerischen Mannschaften honoriert, vielfach wird der Trierer Stream als der beste der ProA genannt. Wie hoch die Zugriffszahlen tatsächlich sind, kann zur Zeit nicht beantwortet werden. Der bisherige Rekord hätte bei den letztjährigen Playoffs gegen Chemnitz gelegen, an dem Tag habe man die Schallmauer der fünfstelligen Zugriffe deutlich geknackt. Das war ProA-Saisonrekord.
5vier.de begleitet Jarosch bei zwei Spielen, einmal bei Spiel 4 gegen Heidelberg, später beim 2. Spiel gegen Crailsheim. Er hat viel zu erzählen, Anekdote reiht sich an Anekdote. Er kennt viele Väter von aktuellen Profis, war selber beispielsweise erstklassig in Gießen und Göttingen aktiv, bis ihn eine Knieverletzung mit 22 stoppte. Zudem war er viele Jahre als Trainer aktiv, da sammeln sich die Geschichten. Eine seiner häufigsten Aussagen an den zwei Tagen: „Das darfst du aber nicht schreiben.“ Schade, aber verständlich. Nur so viel: Juristisch sollte das meiste verjährt sein.
Jarosch, die laufende Anekdote
Vielleicht ist er ein wenig vorsichtiger geworden, was er mitteilt. Relativ frisch hat er seinen zweiten Shitstorm hinter sich, als er seine klare Meinung bezüglich mancher Aussagen aus den Zuschauerrängen in Richtung Heidelberg-Spieler Niklas Würzner kundtat. Den ersten Shitstorm ereilte ihn durch die Benennung der Partie Gotha vs. Jena als Sachsen-Derby – das kann ein Lokalpatriot natürlich nicht einfach hinnehmen. Bereuen tut er beide Aussagen aber nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass der 52-jährige von nun an jedes Wort zunächst auf die Goldwaage legen wird, bevor er es ausspricht. So würde sich „der Kultkommentator“ auch einer seiner größten Stärke berauben, den spontanen Ergüssen, die sich situativ ergeben.
Er kommentiert sowohl gerne allein als auch mit Gast. David Vilter ist der Ansicht, dass eine Doppelmoderation den besonderen Charme ausmacht. So hat man Experten von beiden Teams und eine unterhaltsame Kommunikation. Das Stream-Team ist routiniert, es braucht wenig Absprache, da die Abläufe bekannt sind. Es wird hier und da etwas geklärt, zum Beispiel welcher Interviewpartner wann vor die Kamera geholt wird.
„Der Kult-Kommentator in der ProA.“ (Courtside ProA auf Twitter)
Ohnehin war Jarosch noch nie wirklich nervös, auch nicht vor dem ersten Einsatz. Es braucht meistens nur ein paar einleitende Sätze, bis „mein Laberflash von selber ausgelöst wird“. Gekonnt nimmt er auch die Happen auf, die Regisseur Vilter über die Kopfhörer inklusive Mikro mitteilt, welche aber für den Zuschauer nicht zu hören sind. So lange die verlängerte Stirn gut gepudert ist, fühlt sich der Kommentator pudelwohl am Mikrofon und vor der Kamera.
Wir erleben einen Sieg und eine Niederlage mit dem Team von Stream Solutions. Sowohl in der Halbzeit als auch nach dem Spiel fachsimpeln Chris Schmidt und Tom Jarosch vor der Kamera, manchmal auch mit Gast. Durch den Nicht-Aufstieg sollte das Gespann hoffentlich beisammenbleiben. Denn so wird vorerst noch nicht die Telekom für die Übertragung verantwortlich, was auch personelle Veränderung mit sich bringen könnte. Zumindest das ist eine positive Folge der Zweitklassigkeit.
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