Unser Redakteur Lars Eggers hat sich bei dem Workshop „Ein Tag als Gladiator“ der Gladiatorenschule Trier in den Sand der Arena begeben und dabei viel erlebt.
Da stehe ich nun im Amphitheater Trier, umringt von Touristen und in Sportkleidung. Vor mir, abgetrennt von ein paar Seilen, warten bereits die anderen fünf Teilnehmer des Workshops „Ein Tag als Gladiator“ der Gladiatorenschule Trier (5vier.de berichtete letzte Woche im Detail über die Schule) und mein Lanista Jan Krüger mit seinen Helfern Elke „Sica“ Mathey und Mark „Draco“ Tilly. Allerlei Ausrüstung steht bereit: ein Regal mit Helmen und Dolchen, große Schilde und Kisten voller Netze und Schutzkleidung. Für die nächsten Stunden begeben wir sechs ahnungslosen Workshop-Teilnehmer uns in die fähigen Hände des Gladiatorenschulleiters Krüger. Was genau erwartet mich wohl? In der Theorie weiß ich das – eine kurze Einführung, Grundübungen mit den gängigen Waffen, dann Training auf zwei Gladiatorentypen und schließlich ein Endkampf gegen die Profis selbst. So weit so gut, aber was das nun wirklich heißt, das kann ich nun noch nicht absehen, fußen doch all meine Kenntnisse über die Gladiatur auf dem Konsum von Filmen und Serien oder dem ein oder anderen Museumsbesuch. Daher sehe ich mich als kompletten Gladiator-Newbie, der zwar eine Idee hat, wie rum man ein Schwert hält, aber der noch nie in einer Arena gestanden hat – wie wahrscheinlich jeder heutzutage.
Die Geschichte und der Sinn der Gladiatorenspiele
Nach einer kurzen Begrüßung werden wir Schüler erst einmal in passende Kleidung gesteckt – eine einfache ungefärbte Toga aus Leinen und ein Seil als Gürtel. Doch bevor das erste Schwert in die Hand genommen wird, gibt es einen kurzen theoretischen Teil, der uns den Sinn und die Geschichte der Gladiatur näherbringt. Dabei geht es alles andere als langweilig zu – Jan Krüger, seines Zeichens gelernter Schauspieler, zeigt uns die Anfänge der Gladiatoren, den Sinn der Grausamkeit der Spiele in den Arenen und auch die ausgesprochen interessante Entwicklung der Gladiatoren und ihrer Ausrüstung im Laufe der Jahrhunderte. Dabei werden immer wieder typische Klischees, die man aus Film und Fernsehen kennt, sehr anschaulich demontiert und die Geschichte – soweit bekannt – ins rechte Licht gerückt. Krüger gelingt dabei die Gratwanderung aus Lachen und Ernst. Schon jetzt ist klar – das Galdiatoren-Dasein war hart und nicht selten sehr kurz. Umso gespannter bin ich, was uns im nun folgenden praktischen Teil alles widerfahren wird – und wie wir danach aussehen werden.
Aufwärmen und beworfen werden
Der praktische Teil beginnt mit einigen Aufwärmübungen, allem voran drei Runden Laufen durch das Trierer Amphitheater – Treppen rauf, Treppen runter. Da kommt man als schreibtischgebundener Schreiberling schon gut ins Schnaufen und die Touristen – das Amphitheater ist während unseres gesamten Workshops für die Öffentlichkeit zugänglich – gucken schon nicht schlecht, wenn sechs Männer zwischen 15 und über 50 schwitzend in Toga und Turnschuhen durch die Arena joggen. Es folgen einige Aufwärmübungen im Stile von Kniebeugen und Liegestützen (in interessanten Abwandlungen) und dann geht es endlich ans Eingemachte. Wir bekommen die erste Waffe in die Hand – oder zumindest das entsprechende Trainingsgerät: ein Pilum. Unsere entschärfte Variante des römischen Wurfspeers besteht aus einem langen Holzschaft und einer mit einem Tennisball gepolsterten Spitze. Es folgen Wurfübungen und auch die erste persönliche Grenzerfahrung, denn wir werfen den Pilum nicht auf eine Holzpuppe oder gegen die Wand, sondern einander zu. Auch wenn gepolstert, so ein ankommender Speer hat etwas sehr Beeindruckendes. Als besonderes Schmankerl dürfen wir dann eine Annäherung daran erfahren, wie sich die Soldaten der Antike in der Schlacht gefühlt haben: zwei von uns werden mit Helm und Schild ausgerüstet und bilden eine Mini-Phalanx, die vom Rest dann mit den Übungsspeeren beworfen wird. Hier bekomme ich das erste Mal das Gefühl, das an die Beklemmung der damaligen Situation heranzureichen scheint. Als die Speere auf das Schild prasseln und vom Helm abprallen wird mir schnell klar – das war damals kein Spaß und hat mit Coolness nur wenig zu tun.
Dann geht es an das Gladius, das kurze römische Schwert. Auch hier werden uns aus Sicherheitsgründen nur Holzwaffen in die Hand gegeben – zu Recht, denn nun wird gestochen, geschnitten, pariert und gekontert. Spätestens hier wird klar – dieser Workshop setzt eine gewisse Leidensfähigkeit der Teilnehmer voraus, denn schnell bekommt man hier schon mal die Holzklinge auf die Finger oder wird ein wenig zu kräftig in den Bauch gepiekt. Ernsthafte Verletzung bleiben natürlich aus – nicht zuletzt auch durch die meisterhafte Anleitung und Aufsicht von Jan Krüger und seinem Team, die stets nicht nur dabei, sondern mittendrin agieren. Schritt für Schritt werden wir an die Kunst der Gladiatur und ihre Eigenarten herangeführt und am Ende der Grundübungen tänzeln wir schon behände über den Sand und schlagen Kombinationen aus mehreren Stichen und Schnitten mit dem Gladius. Auch den Amphitheater-Besuchern scheint es zu gefallen, werden wir doch spätestens jetzt zu einem beliebten Fotomotiv.
Römisches Essen und zwei Gladiatorentypen
In der Mittagspause gibt es Essen nach römischem Rezept, leicht angepasst an unser heutiges Geschmacksempfinden. Da findet sich eine Paste aus Kichererbsen, Kohl und anderen Zutaten, Weintrauben, speziell gewürzte Frikadellen, Brot und eine Art Käsekuchen mit Mohn. Genug, um lecker zu sein und satt zu werden, aber nicht so viel, als dass man träge wird. Das ist auch gut so, denn nach der Mittagspause geht es ans Eingemachte – die Gruppe trainiert zwei Gladiatorentypen, den Secutor (der Verfolger, ausgerüstet mit Schild und Kurzschwert) und den Retiarius (der Netzkämpfer, ausgerüstet mit Wurfnetz, Dreizack, Dolch). Beide Klassen tragen verschiedene Rüstungsteile, die uns nach und nach von Krüger und seinem Team nahe gebracht werden, zusammen mit den spezifischen Techniken. Dabei ist es faszinierend zu erleben, wie die Ausrüstung, die uns nun nach und nach angelegt wird, die Kampfweise der einzelnen Kämpfertypen definiert. So machen Schild und Helm den Secutor zu einem Panzer, der vorstürmen und seine Gegner bedrängen kann, der Retiarius hält ihn mit dem Dreizack auf Abstand und versucht, ihn mit dem Netz zu fangen. Es entsteht selbst bei uns Neulingen schnell ein Tanz, der deutlich zeigt, wie gut diese einzelnen Typen aufeinander abgestimmt sind, um den Kampf fair und vor allem lang und spektakulär zu gestalten. Und auf einmal steht man im Amphitheater, ausgerüstet und bewaffnet und sucht nach der Gelegenheit, das Netz über sein Gegenüber zu werfen, um ihn danach den Dreizack gegen den Schild zu stoßen oder spürt wie eben jener Dreizack vom Helm abgleitet, nachdem man seinen Schild hochgebracht hat, um unter dem Netz durchzutauchen. Es ist für mich eine seltsame emotionale Mischung – zum Einen komme ich mir vor wie Maximus persönlich, zum anderen ist die Nähe zu so vielen Waffen und Gewalt (wenn auch alles aus Holz ist und eigentlich nichts passieren kann) auf eine ernüchternde Weise beunruhigend.
Das große Finale
Der Endkampf – jeder der Gruppenteilnehmer tritt entweder als Secutor oder als Retiarius gegen sein jeweiliges Gegenstück an, das von einem Profi aus der Gladiatorenschule verkörpert wird, verstärkt diesen Eindruck noch. Als ich mein Netz tatsächlich über meinen Gegner geworfen bekomme, hält mich nichts mehr und ich bearbeite das Schild mit meinem Dreizack als gäbe es kein Morgen, treffe auch den Helm und schließlich mit den gepolsterten Spitzen des Dreizacks auch die Rippen meines Gegners. Ein Punkt für mich, große Freude. Aber leicht machen es uns die Kämpfer der Gladiatorenschule beileibe nicht. Ich kann voller Stolz ein Unentschieden herausschlagen, nur einer der Teilnehmer schafft es in einem epischen Duell, den Profi nach Punkten zu schlagen.
Am Ende werden wir alle mit einer Urkunde ausgezeichnet und wir dürfen uns rühmen, einmal in der Arena gekämpft zu haben. Die Stimmung war von Anfang bis Ende phantastisch und das Zusammenspiel zwischen Lehrern und Teilnehmern ausnehmend freundlich, ich hatte nie das Gefühl, nicht bestens informiert oder beaufsichtigt zu sein. Auch die Touristen dürften sich durch unser Schauspiel gut unterhalten gefühlt haben – uns waren sie auf jeden Fall ein willkommenes Publikum.
Die letzten Worte von Lanista Krüger gelten dann noch einmal der Gewalt und Gewaltverherrlichung, sowohl damals als auch heute. Jetzt, wo wir alle mit ein paar kleinen Blessuren, durchgeschwitzt unsere Waffen abgestellt haben, gehen diese Worte nahe. Nach dem abschließenden Gruppenfoto trennt sich unsere kleine Kämpfergemeinschaft und geht seiner Wege in der normalen Welt. Ich habe von diesem Tag als Gladiator viel mitgenommen – ein Blick auf eine fremde und doch vertraute Kultur, ein paar blaue Flecke, jede Menge Spaß und – wie es uns am Anfang versprochen wurde – eine Vorstellung davon, was es bedeutete, ein Gladiator im antiken Rom zu sein. Eine Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Alle Bilder des Workshops könnt ihr euch hier ansehen. Mehr Infos zur Gladiatorenschule gibt es auf deren Internetseite.
- Foto: Stefanie Braun
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