Letztes Jahr erst räumte „Star Wars Episode VII – Das Erwachen der Macht“ in den Kinosälen ab und nun plündert seit Mitte Dezember die nächste „Star Wars“-Geschichte die Kinokassen. Wird die Sci-Fi-Opera zur Fließbandware?
Trier. Als die Filmwelt zum ersten Mal von Gareth Edwards hörte, war das in Form eines Alien-Invasions-Films, der alles anders machte als die Special-Effects-dominierte Konkurrenz. „Monsters“ war ein fast intimes Kammerspiel im Verborgenen, dass seine Invasoren nur selten zeigte und dadurch eine unglaublich dichte Atmosphäre erzeugte. „Monsters“ war anders, als alles was Hollywood kannte. Dementsprechend schnell griff die Talent-Krake zu und vereinnahmte den jungen, britischen Filmemacher. Ohne weitere Testläufe vertraute man ihm den Mega-Blockbuster „Godzilla“(2014) an, der bei einem Budget von rund 160 Millionen Dollar weltweit über eine halbe Milliarde einspielte. Das gilt in Hollywood nicht unbedingt als Überhit, stellt die Studiobosse aber grundsätzlich zufrieden. Auch „Godzilla“ war anders, atmosphärischer, spezieller….kein typischer Blockbuster, aber leider auch mit einem unsäglich blassen Figuren-Interieur gestraft.
Es passt ins Konzept vom Über-Konzern Disney, dass die neu erworbene „Star Wars“-Marke mit Gareth Edwards in die sogenannte Anthology-Reihe der Saga startet. Mit dieser Ableger-Reihe plant Disney alle zwei Jahre ein sogenanntes Spin-Off, welches losgelöst von der Skywalker-Familien-Story eigene, sozusagen unabhängige Geschichten im „Star Wars“-Universum erzählen kann. Und natürlich die Lücke, die man im Veröffentlichungs-Plan der Hauptfilme produktionsbedingt hat lukrativ zu füllen.
„Rogue One: A Star Wars Story“ läuft schon seit 15. Dezember und hat seitdem schon deutlich über 800 Millionen Dollar eingespielt. Noch immer rangiert das Spin-Off auf Platz 1 der Kinocharts, noch immer pilgern Tausende in den Film…wer weiß, ob nicht auch noch die Milliarden-Schallgrenze geknackt wird?
Aber was ist „Rogue One“ jetzt genau? Eine hingeschusterte Überbrückung, bis die echte Saga weitergeht? Ein reines Kommerzprodukt, bei dem es nur ums schnelle Geld geht? Oder tatsächlich etwas, wo Gareth Edwards‘ Herz drinsteckt?
Auch wenn der Film auf die kultigen Opening-Credits der Reihe verzichtet, ist er doch von Anfang an „Star Wars“ ohne jeden Zweifel. Die Story um die junge Jyn Erso, die sich vor imperialen Truppen in Sicherheit bringen muss, als diese versuchen ihren Vater Galen wieder als Waffenbauer für das Imperium zu gewinnen, ist nicht übermäßig originell, erfüllt aber ihren Zweck. Die Jagd nach einer rätselhaften Botschaft ihres Vaters führt sie mit den Rebellen zusammen und schlägt schließlich den Bogen zu der Skywalker-Saga. „Rogue One“ funktioniert zwar als eigenständiger Film, macht aber deutlich mehr Spaß, wenn man sich etwas im Krieg der Sterne auskennt.
Was „Rogue One“ auszeichnet ist seine deutliche Genre-Schlagseite. Edwards‘ Interpretation ist weniger universelles Space-Epos und mehr ein erstaunlich düsterer Blick auf den wahren Krieg der Sterne. So wird brutaler gekämpft und dreckiger gestorben. Die Szenarien, in denen sich Jyn und ihre ungleiche Rebellengruppe behaupten müssen, erinnern mehr an einen Kriegsfilm als an eine Space-Opera, es wird besprochen, ausgekundschaftet und gegen eine erdrückende Übermacht zugeschlagen. Der unwahrscheinliche, auf wundersame Weise herbeigeführte Sieg bleibt meist aus, oft bleibt nur der Rückzug und das Warten auf die nächste Möglichkeit zu einem Nadelstich gegen das scheinbar unbesiegbare Imperium. Auch übermächtige Jedi Ritter mit den beeindruckenden Lichtschwertern sucht man vergebens. Hier wird fast ausschließlich ohne die beliebte Kultwaffe gekämpft, was natürlich auch zu der gänzlich anderen Grundstimmung beiträgt.
Edwards zeichnet dabei Szenarien, die direkt aus unserer heutigen Nachrichtenwelt zu stammen scheinen. Die Rebellen wurden selten ambivalenter in Szene gesetzt, es gibt Extremisten und auch für unrechten Taten wird nicht zurückgeschreckt. Nicht selten erinnert das an terroristische Strukturen, auch optisch lassen sich derartige Vergleiche ziehen. Angst vor einem allzu politischen „Star Wars“ muss man aber trotzdem nicht haben. Auch wenn „Rogue One“ dem Kult-Universum eine düstere Schlagseite verpasst und die Grenzen zwischen schwarz und weiß zumindest ansatzweise verschwimmen lässt, ist auch ohne Opening Credits noch ganz klar „Star Wars“ drin. Man kann es angesichts des veränderten Ansatzes als Zugeständnis an die Fan-Community verurteilen (Stichwort: guilty pleasure) oder sich einfach insbesondere im Finale daran erfreuen, dass Krieg der Sterne hier auch wirklich Krieg der Sterne ist. Es wird vielleicht ohne Lichtschwerter gekämpft, aber die X-Wings, Tie Fighter und Sternenzerstörer werden derart spektakulär von der Leine gelassen, wie es seit Ende der alten Trilogie nicht mehr passiert ist. Dementsprechend ist der Showdown in „Rogue One“ auch von geradezu epischer Länge und ein zentrales Element im Plot des Films.
Größte Stärke ist – ohne jetzt etwas zu verraten – der Abschluss des Spin-Offs, den man vielleicht aus Effekt-technischer Sicht kritisieren kann, aber inhaltlich eine fantastische Überleitung zu der eigentlichen Saga liefert. Auch wenn „Rogue One“ als kommerzieller Lückenfüller im „Star Wars“-Terminplan konzipiert wurde, ist er doch alles andere als eine unbedeutende Randnotiz geworden. Man hat eine erzählerische Lücke in dem Universum gefunden, die mit Gareth Edwards Spin-Off äußerst souverän gefüllt wurde und eine absolute Daseins-Berechtigung hat. Schade ist – und das ist schon beinahe exemplarisch für die neueren Filme der Reihe – dass die interessantesten Charaktere nur recht oberflächlich und mit wenig Screen-Time eingebunden werden. So verpufft das schauspielerische Potenzial eines Mads Mikkelsen oder eines Donnie Yen ungenutzt, dass dem Film durchaus noch mehr Tiefe und auch Farbe hätte verleihen können. Glücklicherweise macht auch der junge Cast um Felicity Jones und Diego Luna seine Sache ganz gut und schafft es die Story auf den schmalen Schultern ins stimmige Ziel zu tragen.
Das die Produktion hervorragend aussieht, braucht man bei einem derartigen Blockbuster eigentlich gar nicht extra zu erwähnen. Dennoch ist es stellenweise bemerkenswert welche frischen und unverbrauchten Perspektiven Edwards auf das Schlachtengemälde findet. So schafft er es wie schon in seinen Vorgängerfilmen mit sorgfältig ausgewählten Details eine Effektschlacht mit Leben zu füllen, indem er eben nicht nur auf perfekt durchchoreographierte Blockbuster-Totalen setzt. Der Soundtrack ist erwartungsgemäß über jeden Zweifel erhaben und dichtet die altbekannten Themen stimmig weiter. Am größten ist der Gänsehaut-Effekt natürlich trotzdem, wenn zum Abspann das Original-„Star Wars“-Theme durch den Kinosaal posaunt.
Die schwer zu definierende Magie der alten Filme kann auch „Rogue One“ nicht reproduzieren, aber den Vorurteilen eines rein kommerziellen Ablegers ohne Bezug zu den Originalfilmen kann sich der aktuelle Sternenkrieger-Streich unter der bemerkenswerten Regie von Gareth Edwards durchaus entziehen, vielleicht noch eher als „Das Erwachen der Macht“. „Rogue One“ überzeugt mit einer dreckigen Eigenständigkeit, die der sonst so familiären Space-Opera überraschend gut steht. Mission geglückt!
Dustin Mertes meint
Hallo Jörn, ist korrigiert, da ist mir eine ganz blöde Verwechslung unterlaufen! Vielen Dank für die Richtigstellung!
Dustin Mertes meint
Hallo Robert, danke für den Kommentar! Da ist mir eine ganz blöde Verwechslung unterlaufen! Ist richtig gestellt!
Robert meint
Denis Villeneuve ist der Regisseur von Blade Runner 2049
Jörn Konopka meint
Gareth Edwards dreht nicht Blade Runner 2049. Das ist Denis Villeneuve (Arrival).