Professionalität- wieder so eines dieser Wörter die viel zu oft und viel zu falsch benutzt werden – gerade im Bereich der Kunst. Professionalität steht für “abliefern”, für “saubere reibungslose Abläufe”, für “Erfüllung der Kundenwünsche”. Steht Kunst als solches nicht im genauen Gegenteil hierzu? Soll sie nicht nonkonformistisch sein, anecken? Unterhält es uns wenn alles glatt läuft? Ich glaube nicht.
Kein anderer Job
Ich für meinen Teil möchte Professionalität heute mal einfach so definieren, dass man von der Kunst lebt, diese also den Broterwerb darstellt und man dadurch seinen Lebensunterhalt bestreitet. Es hat für mich keinerlei Aussage zur Qualität der Kunst. Oft betreiben Amateure, die ihre Kunst zu 100% aus purer Leidenschaft ausleben, diese um einiges besser als z.B. ein Musiker, der vielleicht eben diesen Auftritt gerade nur spielt weil er die Gage braucht. Glauben Sie mir ich weiss genau wie das ist. Beides.
Chance
Gerade in den letzten beiden Jahren mit der Pandemie im Kreuz höre und sehe ich die Kunstprofis leiden. Die komplette Industrie ist hin. Diejenigen, die z.B. Musiker buchen möchten, entdecken die Amateure wieder für sich, zum Einen weil diese oft preisgünstiger und auch „ausreichend gut“ sind, zum Anderen weil die einem nicht mit Forderungen nach einem Verlustausgleich kommen, wenn die geplante Geburtstagsparty wegen Corona gecancelt wurde und man kurzfristig absagen muss. Professionellen Künstlern wird grundsätzlich erst einmal suggeriert, dass sie doch hätten was ordentliches lernen können und jetzt selbst Schuld sind, dass sie sich nicht abgesichert haben. Mir fällt da die Fabel mit der Ameise und der Grille ein.
Trümmerfeld
Das Schlimme ist letztlich, dass ich beide Seiten gut verstehen kann. Die Gruppe Künstler, die sich an den laufenden Kunstbetrieb um sie herum gewöhnt hat und Vertrauen hatte, dass dieser sie natürlich auch auffängt und unterstützt genau so wie die Gruppe Künstler, die sich jetzt sagt, dass dieses Trümmerfeld, dass die Kulturlandschaft derzeit darstellt eine Chance ist diese nach neuen Regeln wieder aufzubauen. Diejenigen, die sich neue Nischen suchen, diejenigen die neue Ideen vorwärts treiben. Ich respektiere beide Gruppen sehr und stelle mit Schrecken fest, wie groß der Keil ist, den nicht nur die Pandemie, sondern eben auch die menschliche Sturheit zwischen beide Gruppen getrieben hat. Und auch wenn ich mich sonst zwischen den Stühlen sehr wohl fühle, ist es in diesem Fall nicht so.
Alter
Ich verstehe den Künstler der in den 80er/90er Jahren über die klassischen Plattenfirmen gute Einnahmen hatte und heute über das Verramschen seiner Musik durch Streamingportale schimpft. Allerdings muss ich diesen Künstlern auch sagen: Soll der Fortschritt jetzt wegen deiner Sturheit gestoppt werden? Der Niedergang der klassischen Plattenfirmenkultur bietet schließlich auch eine viel höhere Chance der Selbstvermarktung ohne schmarotzende Zwischeninstanzen. Man muss es halt auch tun, anstatt neidisch über diejenigen herzuziehen, die das kapiert haben. Auch Künstler werden eben alt und die Welt dreht sich weiter.
Wert
Ein Freund von mir, den die Pandemie mit voller (wirtschaftlicher) Härte erwischt hat, beschloss einst Online-Konzerte zu streamen und via Paypal um Spenden zu bitten. Abgesehen vom geringen Betrag, der dadurch zusammen kam, wurden auch (nicht nur gegen ihn sondern auch im Allgemeinen gegen Musiker die solche Angebote machten) Stimmen im Netz laut die sagten, man versaue so den Profis das Geschäft, weil man eine Leistung unter Wert anbietet. Wer als Künstler schon mal bei der Frage nach der Gage verständnislos angeschaut wurde, weil man es ja schließlich “gerne tut”, der wird auch diesen Gedanken verstehen. Letztlich fühlen sich viele Profis ja auch genau hier durch Amateure bedroht: Diese bieten oft eine “immerhin für den Anlass ausreichende Leistung” für einen geringeren Preis an. Auf dem 60.Geburtstag von Onkel Alfons muss halt nicht die 5000Euro Profi Showband spielen, wenn Onkel Dieter sich ja auch die Notenschlüssel-Krawatte anziehen und sein Casio Keyboard mit den Midi Disketten aufstellen kann. Polonaise Blankenese kriegt der schließlich auch hin – und er macht das nur für Freibier. Gierschlunde, diese Berufsmusiker….
Dilemma
Und genau hier liegt das Dilemma, dem sich jegliche(r) Kunstschaffende(r) ausgesetzt sieht: Was ist meine Leistung wert? Kann ich einfach verlangen dass meine Leistung und Ideen finanziell für immer so gewürdigt werden wie sie bisher gewürdigt wurden? Wo ist die Grenze für wie wenig Geld man Kunst anbieten soll ohne den Markt zu ruinieren? Kann man das regulieren? Sollte man das überhaupt?
Bewusstsein
Ich kann diese Fragen nicht beantworten. Ich finde es aber wichtig diese Fragen zu verbreiten und zu diskutieren, vor allem unter den Konsumenten, denen nach wie vor sehr häufig nicht bewusst ist, was es bedeutet die Kunst zu produzieren, die sie wie selbstverständlich konsumieren. Wo ist hier das Fair Trade Siegel oder die TÜV-Plakette für Onkel Dieters Notenschlüssel-Krawatte?
Ihr Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentiert was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
Philipps: www.philippgodart.de
Schreibe einen Kommentar