Edit am 24.2.22: Nach der ausgiebigen Überlegung, diesen Senf zugunsten ein paar Gedanken zum Thema Ukraine-Krieg zurückzuziehen habe ich beschlossen dies nicht zu tun. Zum einen habe ich nichts kluges zu dem Thema zu kamellen (no pun intended), zum anderen verdienen alle Jecken die jetzt noch unbeschwert schunkeln den heutigen Anschiss, tut mir leid. Mit meinen Gedanken bin ich bei all jenen die unter diesem Krieg leiden und Fassungslosigkeit und Abscheu bestimmten den heutigen Tag. JS
Ich sag’s gleich , ich bin kein Fan. Wäre Karneval (oder Fastnacht oder was weiss ich – mir ist egal wie das heißt) Weihnachten, dann wäre ich der Gringe. Wäre es Karfreitag, ich wäre Pilatus. Die Zeit ist gekommen, in der Spiesser-Deutschland sich vorgenommen hat mal wieder richtig steil zu gehen.
Hoch leben die Strukturen
Wenn sich deutsche Männer in Uniformen zwängen, dann werde ich immer schon misstrauisch. Wenn diese Uniformen dann an Lächerlichkeit nur noch von denen der Schweizer Garde im Vatikan übertroffen werden, dann schwindet zumindest die Angst, dass Deutschland wieder mal auf Europatour gehen will. Eine Sorge weniger, immerhin. Trotzdem kann ich dieser paramilitärischen Struktur des deutschen Karnevals mit ihren diversen Rängen, dem Prinzen und dem ganzen Zores nichts versöhnliches abgewinnen. Mit gutem Willen mutmaße ich, dass das alles aus einer Parodie heraus entstanden ist. Das Problem ist aber dass sich diese Parodie längst verabschiedet hat, und der gemeine Karnevalist (alt, weiß, männlich, Weisse Mütze mit Feder und lustige Fliege an, jedoch dabei ein Gesichtsausdruck wie ein Pfund Zwiebelmett) doch recht froh ist, dass alles in geordneten Strukturen und ohne Individualismus abläuft – wir sind ja immer noch in Deutschland.
Hoch lebe die Hierarchie
Die Nummer mit dem Dreigestirn verstehe ich auch nicht so recht. Zunächst ist da ja ein Prinz – wo ist denn der König? Wieso hört die Karnevalshierarchie im mittleren Management auf? Dann gibts da ´nen Bauern. Find ich sympathisch, und den lass ich deshalb auch in Ruhe, muss der alte Linke in mir sein. Aber dann kommt natürlich was im christlichen Deutschland kommen muss: die Jungfrau. Dass diese meist Mitte50 ist und Herbert heisst verwirrt mich. Ist das der Platz wo das rechtskonservative Deutschland auf einmal eine Freundlichkeit gegenüber Transmenschen entwickelt? Oder ist es das genaue Gegenteil und der Karneval betreibt hier närrisches Gender Blackfacing?
Hoch leben alte Werte
Ich hatte immer den Eindruck, dass der Karneval (also der der „ernsthaft“ betrieben wird, gemeint ist hier nicht dass man einen Grund braucht um Mittags schon auf die Strasse zu kotzen) eine kleine gemeine humoristische Tarnkappe ist für offene Kritik an der offenen Gesellschaft. Ob sich AKK47 als Putze verkleidet fragt welche Klotüren jetzt korrekt sind oder ob sich Onkel Dieter bei der Büttenrede auf der dörflichen Kappensitzung darüber auslässt, dass die deutsche Sprache verkommt durch das Gendern nimmt sich da nix. Früher war alles besser und heute sind wir mal gelöst da darf man das doch mal sagen . Heilau…
Hoch lebe das Zugeständnis
Ich weiß ,dass das bisher Geschriebene stark verallgemeinert, und dass es viele sehr aufgeschlossene und moderne Menschen gibt, die sich im Karneval wohl fühlen – vielleicht hab ich alter Menschenfeind es einfach nicht verstanden. Zu meiner Verteidigung: ich habe die letzten schönen Karnevalsfeste gefeiert als ich noch nicht im Stimmbruch war und mich mit einem alten Hemd, das ich gefetzt und besprüht hatte, als Punker verkleidet ins Dorf aufgemacht hatte. Das hatte fast schon was von „sich einen Tag lang frei fühlen und ausleben“. Ein Tag zwischen Purge Night und Coming out. Danach war der Usus berufsbedingt immer der, nüchtern zu bleiben und während der Auftritte bei den Karnevalsbällen mit den Wölfen zu heulen, sich also lustig zu verkleiden aber bloss nicht zu krass sonst gibt#s Ärger . Gab es einmal, als ich als Nonne mit Vollbart und Schweinenase gespielt habe – und das nicht mal in Deutschland.
Hoch lebe die Gehirnwäsche
Wenn ich das Ganze so überdenke, sollte ich noch mal in mich gehen: Ich habe doch ne ganze Menge Meinung für das bißchen Ahnung was ich von dem Thema habe. Liebe Karnevalsvereine: Bitte keine Fackelzüge vor meinem Haus, ich gelobe Besserung. Es steht ja eh noch das Date zum Rosenmontagszug in Köln aus, wo wir eine Spezialfolge des Discöföx Podcasts aufnehmen wollten. Wird dieses Jahr nichts – so ein Pech aber auch. Wahrscheinlich erspart mir das ein paar aufs Maul, weil ich karnevalstechnisch ziemlich am Watschenbaum rüttele.
Hoch leben die guten Wünsche
Also liebe Närrinnen und Narren, Jeckinnen und Jecken: ich gelobe Besserung und Toleranz. Wobei: die hatte ich aber immer schon, bewiesen dadurch dass ein lokaler Karnevalsumzug fast 10 Jahre lang vor meinem Haus aufgestellt wurde und ich 3 Monate lang kleine Schnapsfläschchen aus meinen vollgepissten Hecken fischen musste danach.
Vielleicht korrigiert sich die Gringe-Analogie hin zu Mr. Scrooge wenn die drei Geister des Karnevals mich mal nachts besuchen. Ich hoffe, das wird dann witzig und nicht nur lustig. Dabei hilft Denken, das geht auch betrunken.
Passt auf Euch auf und bleibt alle gesund. Ich meine nicht Corona sondern Herpes…
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Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
Philipps: www.philippgodart.de
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