Nach wie vor komische Zeiten. Sie werden auch immer komischer, im Globalen wie im ganz Kleinen und Persönlichen. Ein guter Anlass für eine Bestandsaufnahme der eigenen Werte und Ansichten. Wer hätte denn auch ahnen können dass es so kommt im Leben. Und vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich.
Pazifismus
Ich habe mich immer als Pazifist bezeichnet. „Stell dir vor es ist krieg und keiner geht hin“ – und so. Doch vor ein paar Tagen beim teilweisen Konsum des „Sound of Peace“ Festivals überkamen mich so undefinierbare Schauder-Attacken. Offenbar nicht nur mich wie sich bei so manchem Gespräch in meiner Bubble herausstellte. Die Frage ist: Weshalb?
Gratismut
Schnell fällt das Wort „Gratismut“. Man macht nichts falsch wenn man sich für Frieden positioniert. Wir haben glaub ich alle gemeinsam den Wunsch dass unsere Hütte nicht zerbombt wird. Es stellt sich nur die Frage was es den Menschen in der Ukraine, die gerade das Land gegen Putins Übermacht verteidigen, hilft, wenn wir das Brandenburger Tor blaugelb anstrahlen und Hartmut Engler und in seiner grenzenlosen Weisheit der Welt mitteilt, dass kein Krieg gerecht ist. Heureka!
Helden in Skihelmen
Man kann argumentieren dass diese Menschen gerade Helden in Skihelmen (wäre es nicht so traurig wäre es einen Mel Brooks Film wert) sind, die sich tapfer gegen eine Invasion wehren, und hinter deren Wehrhaftigkeit sich ganz Europa gerade versteckt, dabei laut „Give Peace a Chance“ singt, sich aber insgesamt schwer tut diesen kämpfenden Leuten solidarisch zur Seite zu stehen um diesem und allen zukünftigen Aggressoren zu zeigen dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Da lässt man dann doch lieber die Finger von.
Der Aggro-Proll
Ich fühle mich derzeit wie jemand der bedauert, keine prolligen Schlägertypen zu kennen, die mich raushauen, wenn ich nachts in der Stadt bedroht werde. Ja, die Typen sind peinlich im Strassencafé und so richtig unterhalten kann man sich auch nicht mit denen – aber das interessiert in diesem Moment nicht, denn sie prügeln gerade dem Typen der mich angreift die Scheisse raus. Und deshalb bekomme ich keine aufs Maul. Behandeln wir die osteuropäischen Staaten derzeit nicht genau so? Und sind wir nicht froh dass sie sich für uns mit den Invasoren prügeln – dafür sorgen dass nach der Ukraine nicht Polen und dann Deutschland dran kommt? Sollten wir ihnen nicht wenigstens mit Material helfen? Sollten wir unsere eigene Prügelkolonne, die Bundeswehr, nicht wieder wettbewerbsfähig machen? Ich kann mir selbst vor Ekel kaum zuhören bei diesen Gedanken, aber es wäre eine Lüge sie zu leugnen. Wohin Angst einen so treibt. Die Gesellschaft wird den Wert des Aggro-Prolls wieder zu schätzen lernen.
Naivität
Es ist dennoch sehr einseitig solche Veranstaltungen wie „Sound of Peace“ zu verurteilen. Als in den 90ern die großen Konzerte gegen Rechts in Deutschland ihre Hoch-zeit hatten da fühlte sich das richtig an. Wieso ? Einfach weil ich da ein Teenager war? Vielleicht. In jedem Fall ist das was da passiert sehr naiv. Aber ist naiv sein immer verwerflich? Es kann gefährlich sein … Wenn die Ukrainer gerade für den Frieden sängen wäre Kiew bereits Putins Schrebergarten, tut mir leid.
Hoffnung
Was hat sich also seit den 80ern und 90ern geändert wo es sich so richtig anfühlte für den Frieden auf die Strasse zu gehen? Ist die Gesellschaft von Corona gespalten und zu sehr auf Krawall gebürstet? Ist das eigene biografische Alter der Grund – werde ich quasi ein alter weißer Mann? Oder ist es weil man damals seinen Arsch wenigstens noch auf die Strasse bewegen musste weil es keine sozialen Medien gab um Haltung zu zeigen?
Couchprotest
Ich glaube was mich am meisten stört ist wie einfach es heute ist ein Zeichen zu setzen („je suis-Mentalität“ auf Facebook) und wie man sich auch aus Lifestyle Gründen dazu veranlasst sieht. Das Ziel ist nicht mehr die wirkliche Hilfe für die Hilfsbedürftigen oder der Beistand für die, die ihn benötigen, das Ziel ist die Erzeugung eines egoistischen Wohlgefühls was richtig Gutes getan zu haben, zu den Guten zu gehören – einfach indem man den richtigen Rahmen für´s eigene Profilbild ausgewählt hat. Ist auch gut für´s Image – auch bei Künstlern, und die leben schließlich davon!
Plattitüden
Nein ich sage nicht dass alle Künstler die auf solchen Events spielen nur auf Promo aus sind, und mit Sicherheit haben auch viele sehr viel Haltung. Aber dann lassen wir diese doch auch bitte zu, anstatt uns auf „Pace“-Flaggen und andere Plattitüden zu reduzieren, nur damit man mit einem möglichst kleinen gemeinsamen Nenner ein möglichst großes Event kreieren kann – übrigens das Prinzip der Querdenker… Und nein, ich meine auch keine Konzerte deren Sinn es ist Geld zu sammeln für die Opfer dieses Krieges, natürlich ist es gut dass Geld zusammen kommt um diesen Menschen zu helfen – ich bin da selbst mit den mir zur verfügung stehenden Mitteln involviert. Ich frage mich aber was solche Großveranstaltungen kosten und ob man das Geld dann nicht besser gleich gespendet hätte. Lirum Larum.
Fazit
Dass keiner einen Krieg will muss einfach nicht diskutiert werden. Dass Krieg schrecklich ist, dass er den Menschen die Menschlichkeit nimmt – muss auch nicht diskutiert werden. Danken und helfen wir denen die ihn gerade von uns fern halten und diskutieren wir mal wirklich offen darüber wie wir diesen friedlichen Zustand in Zukunft erhalten. Ich bin mir nicht sicher ob das mit John Lennon Songs klappt.
Seid nett zueinander, auch online, das ist ein Anfang.
Ihr Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentieren Sie was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
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