
„Ey quant, Trier is im Fernseh!“ – oder so ähnlich könnte der Aufruf alteingesessenen Adels in Trier geklungen haben. Und genau so etwas erwartete ich beim Einschalten der ersten beiden Teile von „Hartz & Herzlich – Trier West“ auf RTL2. Genau wie ich Trier-Westler-Bashing vom Feinsten befürchtete. Zum Glück kam es anders…
Friede im Himmel
Zu meiner Erwartungshaltung: Ich erinnere mich daran wie der offene Kanal Trier / Trier Plus, oder wie auch immer es zu dieser Zeit hieß, Umfragen zur Bürgermeisterwahl durchführte, und zur Belustigung von Trier´s Mittelstandskindern und Studenten die Straßennamen einblendete – quasi, um repräsentativ den Bildungsstand in gewissen Teilen der Stadt zur Gaudi aller darzustellen, indem man besonders bildungsfremde Leute vor der Kamera ins offene Messer laufen ließ. Subtil, zugegebenermaßen. Dennoch ziemlich ekelhaft aus heutiger Sicht. Man ist eben sensibler geworden als Zuschauer. Ich erinnere mich auch, wie im Rahmen dieser Interviews ein Trierer zu zweifelhaftem Ruhm kam: Herr Flesch, der mit seinem „Friede im Himmel“ wie die Faust aufs Auge das Bild des Trier-Westlers (oder auch Trier-Nordlers) nachhaltig prägte. Der lokale Fernsehsender ließ es sich danach auch nicht nehmen, Fleschs Unvermögen, seine neu gewonnene Aufmerksamkeit richtig einzuordnen, auszunutzen und ihn bei mehreren Gelegenheiten vorzuführen, selbst beim Krankenbesuch bei seiner Frau im Mutterhaus. Naja fairerweise muss ich sagen: ich fand´s damals auch lustig – andere Zeiten, andere Sitten. Es gibt wohl auch einen Grund warum sowas es nicht ins richtige TV geschafft hat.
Lowie
Dazu kommt der Ruf der Reality-Formate, die sich wohl auch täglich durch die deutsche TV Landschaft kloaken – spätestens als Böhmermann Vera Int Veens Format „Schwiegertochter gesucht“ infiltrierte (#verafake), war uns klar dass Deutschlands „Assis“ keine Naturprodukte sind, sondern konsequent herangezüchtet werden. Wer am Rand der Gesellschaft lebt, freut sich eben mehr über den Hunni Aufwandsentschädigung und schreibt deswegen auch mal „ganz aus Versehen“ den Namen des Freundes falsch auf ein Geschenk. Da freut sich der Redakteur und man hat früh Feierabend. Nein, die trierer Protagonisten sind keine Schauspieler, aber ich glaube einfach nicht dass denen keiner sagt was sie sagen sollen. Und Pietät, z.B. wann man bei solchen Formaten mal nicht „draufhalten“ soll, kennen solche Formate eh schon lange nicht mehr. Nun – wer eine leere Kasse hat, verkauftb leichter seine Würde, und so kann man sich sicher fast einen halben Monat Hartz4 dazu verdienen. Das meine ich völlig unzynisch – Ich hoffe dass den Protagonisten das Arbeitsamt deswegen nicht die Leistungen gekürzt hat und hoffe dass die verdienten Bätzjer deren Leben zumindest temporär erleichterten.
Quant Leut
Mit diesem Mindset schaute ich mir also die beiden ersten Folgen an – und muss gestehen, dass bis auf sehr wenige Ausnahmen die Menschen, deren Leben dargestellt wird, sehr einfache und sehr anständige und irgend wie sympathische Leute sind. Vordergründig wird erst mal nicht über die vermeintlichen „Assis“ gelacht, sondern es wird gezeigt daß diese Menschen es nicht leicht haben, dennoch durchaus das Herz am rechten Fleck (ja-es gibt Ausnahmen, aber die sind sehr rar) haben und einen nicht unsympathischen Kiez-Stolz besitzen. Wäre der Bericht über lokale Schreibtische produziert worden wäre er mit Sicherheit um einiges gehässiger ausgefallen. Steile These, ich weiß. Gleich noch eine: ginge es in diesem Bericht um einen Kiez in einer Weltstadt, würde der Lokalpatriotismus der Hauptfiguren kräftig abgekultet! Bis auf wenige Ausnahmen, die in mir den Ekel wecken vor dem, was Alkohol mit Menschen machen kann, zeigen sich also durchaus sehr nette Menschen. Ich frage mich gerade schuldbewusst, wie viele von ihnen ich schon im Kopf im Vorübergehen vorverurteilt habe. Was so mancher dieser Menschen aus dem bißchen, was er/sie hat, macht, beeindruckt mich, gerade bei der Familien mit dem Nachwuchs. Der Umgang untereinander ist immer so un – trierisch , eher sehr herzlich, nicht immer förmlich, aber das braucht es nicht. Mir wird das Viertel um einiges sympathischer !
Joggingbux unn Schopfmaschien
Natürlich möchte ich jetzt RTL2 bzw. die beauftragte Produktionsfirma nicht in den höchsten Himmel loben, dass sie hier so richtig was für die Leute getan hat. Davon gehe ich auch nicht aus. Natürlich gibt es immer wieder subtiles Fingerzeigen. Warum sonst filme ich ein Wurstbrot, das ohne Teller auf einem dreckigen Tisch liegt, in Großaufnahme um es strategisch wertvoll als Schnittbild zu nutzen? Warum filme ich das klassische Stopfmaschine – Tabak – Tablett auf dem Couchtisch? Es wird schon versucht, die Freude an der Abscheu zu schüren, zum Glück gelingt es aber nicht. Im Gegenteil. Die Sendung vermittelt mir (bisher) das Gefühl von Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Ambition auf besseres Leben. Letzteres nicht immer zielgerichtet umgesetzt, aber woher soll das auch kommen, und der reine Wille ist schon mehr als der trierer Flurfunk diesen Menschen zuspricht. Mein Herz hat sich jedenfalls für Trier West um einiges erwärmt. Ich empfehle ungern irgend etwas auf RTL 2, aber diese Sendung empfehle ich. Mir füllt sie nicht nur schön das Sommerloch, sondern stellt einen Stadtteil mit schlechtem Ruf unerwartet sympathisch dar. Ich hoffe, dass auch für die Protagonisten sich durch die Sendung einiges zum Besseren wendet und freue mich auf die dritte und letzte Folge so wie das große Fazit zu dem Thema zusammen mit meinem Freund Philipp im nächsten Discöföx-Podcast!
Ihr Senf hierzu interessiert mich natürlich sehr – also kommentieren Sie was das Senfglas hergibt! Mehr Senf von mir gibt es hier!
Mehr Sempf bekommt Ihr in Johannes´ Podcasts „Discöföx“ (zusammen mit Philipp Godart) und „Schier sein Podcast“ – überall wo es Podcasts gibt und auf den Websites der Boys:
Johannes: www.johannesschier.de
Philipp: www.philippgodart.de
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