Mann was haben wir Musiker ein Glück! Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht. Wir leben den Traum des durchschnittlichen Hamsterrad-Arbeitnehmers. Wir sind vielleicht letzte Bastion der lokalen Boheme, der letzte Außenposten der Kultur und natürlich in unserem Glück absolut beneidenswert. Dieses Geschenk des Universums bekommt schließlich noch lange nicht jeder. Zumindest, wenn man dem Volksmund glauben darf.
Das Glück ist auf der Seite der Tüchtigen
Ja, starten wir doch mal mit nem Wandtattoo-Spruch. Ich finde, dass diejenigen, die unser Musiker-Dasein als Glück bezeichnen, vergessen haben (oder ignorieren), dass das Ganze mit viel viel Arbeit und Mut zu tun hat: a) um den Status quo (z.B. das berühmte „davon leben können“) zu erreichen und b) ihn zu halten. Viele von uns – besonders die (wenigen…), die nicht reich und berühmt sind, sondern eben einfach nur davon leben können – träumen nicht den Rockstar-Traum sondern den von einer Woche mit nur 40 Stunden. Sehnen sich danach, zu wissen, ob sie in 3 Monaten genug Geld für die Miete oder den Unterhalt oder schlichtweg Nahrung haben. Kommen aber dank der eigenen Rastlosigkeit auch immer irgend wie durch. Und das ganze nach meist 15 oder mehr Jahren der Ausbildung, des Übens, der Konzert-oder Band- oder Musikschüleraquise. Die immer gleichen dummen Sprüche, dass man ja gratis oder billiger spielen kann um für sich Werbung zu machen und dass man es doch schließlich gern macht, deswegen sollte es doch nicht so teuer sein. Die Immer gleichen Querelen mit so manchen Musikschülern, die schlichtweg keinen Bock haben, das von den Helikoptereltern vermutete vermeintliche Talent zu entwickeln. Polemik? Ja! Na und?
Des Einen Freud´, des Anderen Leid
Als mir dieses Jahr bei einem Auftritt Teile des betrunkenen Publikums mit vollen Weingläsern ins teuer zusammengekaufte Equipment gefallen sind, weil der vollkommen ignorante Veranstalter eine rutschige Bühne gleich mit zur Tanzfläche machte („das war hier noch immer so“) und im ungeheizten Zelt das Kondenswasser von der Decke tropfte wie der berühmte Kieslaster, da dachte ich mir so: „genau dafür hast Du studiert?“ – oder auch „und darum beneidet dich dein erwachsener Schüler, der beruflich an Autos schraubt?“. Sein Beruf ist mein Hobby – und jetzt? Es fällt manchmal schwer, den inneren Idealisten in solchen Situationen noch mal aus den Seilen des Boxrings zu heben und nicht das Handtuch zu werfen. Wird aber vom Publikum so nicht wahrgenommen. Und kommt in der idealisierten Vorstellung desjenigen, der einen Musiker um seinen Job beneidet, nicht vor. Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Es gab schon viele Auftritte, bei denen ich mir wünschte, Buchhalter zu sein und kein Gitarrist, denn als Buchhalter würde ich jetzt vielleicht besoffen vom Moselwein über die Orchesterelektronik havarieren. Zum Glück gab es wesentlich mehr Auftritte, bei denen ich mir der Richtigkeit meiner Berufswahl bewusst war. Sozialneid? Ja! Na und?
Der darf das, der ist Künstler
Mega Klischees a gogo. Wie oft sehe ich mich doch dem Vorurteil ausgesetzt, wir Künstler seien unpünktliche, schwierige Gemüter und die Welt lässt uns das durchgehen, weil wir eben Künstler sind. Bei sowas kotze ich echt im Strahl. Ich kenne nur 2 Sorten Künstler, die sich das so erlauben können, ohne Stars zu sein: Die, die aus wohlhabenden Verhältnissen kommen und die, die in wohlhabende Verhältnisse reingeheiratet haben. Und es gibt natürlich die Amateure, die einen gut bezahlten Job haben und somit nicht drauf angewiesen sind, schwierige Schüler oder weniger angenehme Auftritte zu absolvieren. Im Gegenteil: wir sind hoch-pünktlich (weil Musikunterricht nun mal extrem nach der Uhr getaktet und Zeit Geld ist), wir sind totale Service-Dienstleister (und wenn du es nicht bist, ist es dein Konkurrent, der sich den Job dann eben angelt), wir sind extremst organisiert (weil wir meistens 2-3 Jobs neben der Familie unter einen Hut packen müssen) und wir können es uns einfach nicht leisten, den großen Zamperno mit weißem Schal und Attitüde zu markieren. Schlecht organisierte Berufsmusiker habe ich bisher nur im Rahmen klassischer Profi-Orchester erlebt, meistens staatlich finanziert. Hier wird dann für ausreichend finanzielle Sicherheit gesorgt, während de Toleranz gegenüber dem Orchestermusiker als sog. „Künstler“ scheinbar endlos scheint. Schön an der Mutterbrust des Trägers festgezutzelt und wie das eigene Kind bedingungslos geliebt, bitte bloss nicht loslassen, sonst muss er noch Hochzeiten spielen und pünktlich sein. Verallgemeinerung? Ja! Na und?
Worst of both worlds
Manchmal denke ich mir dass das Berufsmusiker-Dasein gerade auf dem Land ein wenig die negativen Eigenschaften der Selbständigkeit mit denen des Angestelltendaseins vereint. Fast so wie es die Vorstadt mit den negativen Eigenschaften von Dorf und Land tut: hässlich UND langweilig. Im Fall vieler Kollegen: anstrengend UND unsicher. Man sollte sich schon gut überlegen, ob man sein Hobby Musik zum Beruf macht, denn man riskiert das Hobby. Ich hatte es komplett verloren und bin nach wie vor dabei es wieder zu entdecken, dafür bin ich auch sehr dankbar – aber nein: es ist kein Glück, sondern war und ist harte Arbeit, diese Liebe wieder aufflammen zu lassen und daran zu arbeiten dass diese alte Liebe eben nicht rostet. Man sollte sich auch überlegen ob man seinen naiven Neid auf uns Musiker nicht einfach mal überdenkt bevor man ihn unreflektiert auf uns abfeuert. Die meisten von uns führen weder ein leichtes noch ein sicheres Leben. Die meisten von uns sind keine verkifften Taugenichtse, die jeden Tag mal so auf sich zu kommen lassen. Die meisten von uns arbeiten sehr hart, sehr zuverlässig und das Ganze noch mit einem Lachen im Gesicht. Im Idealfall einem echten. Nicht weil wir dankbar sind ob des Glücks dass uns das Universum zuteil werden ließ, sondern vielleicht einfach nur, weil wir trotz der widrigen Umstände gerade den kleinen wichtigen Teil unseres Jobs genießen können: das Musik machen. Pathos? Ja! Na und?
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Mehr Sempf und weitere Themen von Johannes‘ bekommt ihr in seinem Podcast „Discöföx“, in dem er zusammen mit Philipp Godart das Weltgeschehen kommentiert. „Schier sein Podcast“ ist schier gut. Weitere Infos findet ihr zudem auf den Websites der Boys:
Jöhännes www.johanneschier.de
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