Das Sexleben einer Frau ist eine intime Angelegenheit. Gerade wenn man bedenkt, dass sie bereits 1948 geboren wurde und noch heute gerne von ihrem sexuellen und psychologischen Werdegang erzählt. Doch Nelly Stockburger ist anders. Sie ist sehr reflektierend und erzählt gerne von ihren wilden Zeiten. Sie war zu Gast im KM9 und plauderte aus dem Nähkästchen. Sex ist im KM9 nicht neu (siehe Koehlers letzte Ausstellung).
Trier. Es war kuschelig und warm, als eine Gruppe von Männern in Laas Koehlers Kunstatelier KM9 in der Karl-Marx-Straße 9 sich um Nelly Stockburger versammelte. Gemeinsam mit Laas Koehler hatte sie es sich in einem roten Bett bequem gemacht und im Zuge der Ausstellung „WAR IS OVER“ über ihr Leben erzählt.
Bettgeflüster in gemütlicher Atmosphäre mit Kerzenlicht, Kuchen und einer Stimmung, die jedem Besucher zu verstehen gab, dass keine Frage tabu ist. Diese Komponenten machten diese einmalige Lesung (oder war es doch eher ein Gespräch?) aus.
Angefangen mit einem Abstecher in das Leben der Psychologin und Sexualtherapeutin Nelly Stockburger, ging man irgendwann zu Auszügen aus ihrem Buch „Briefe von Draußen – Über Liebe und Revolution“ zu einer Fragerunde über. In ihrem Buch beschreibt sie sehr intim über Briefe und Bilder ihren interessanten Werdegang. Schnell erkannte man aus ihren Worten heraus, dass ihre Idee zum Frieden (passend zum Namen der Ausstellung) nur mit Liebe funktioniert.
Geboren in einer Familie, mit einem komplizierten Vaterverhältnis, einer Mutter, die ihr viel Freiheit und autonomes Verhalten lehrte, durchlebte Nelly Stockinger die wildesten Zeiten. Sie war in anarchischen Kommunen, rebellierte wie eine narzisstische Prinzessin, war überzeugte Feministin und beschäftigte sich mit dem Thema der freien Liebe, wie wohl kaum jemand anderes in Trier. Doch der Mensch ist komplex. Hin und hergerissen zwischen ihrem politischen Lebensstil gegen das Patriachat und ihrem Psychologiestudium, der Schwangerschaft, ihren mehr oder minder monogamen Beziehungen, war ihr Leben nicht leicht. Aber ein Menschenleben ist auch nicht einfach zusammenzufassen. Zu komplex sind der Mensch, sein Verhalten und seine Bedürfnisse.
Sie durchlief schwierige Phasen, die sie heute, wo auf die 70 zugeht, besser reflektieren und nachvollziehen kann. In Trier hatte sie einerseits den Ruf als verbal kastrierende Männerhasserin, andererseits als Verführerin von Männern, die sich in Partnerschaften befinden.
„ Ich habe immer darauf gewartet, dass diese beiden Gruppen einmal aufeinandertreffen.“ scherzt Nelly Stockburger.
Liebe vs. Sex oder Liebe/Sex oder Liebe und Sex oder Liebe mit Sex…? das waren die Fragen, die den Abend neben der Biografie der Psychologin beherrschten. Fragen die definitiv nicht einfach zu beantworten sind. Doch Nelly Stockburger ist der Überzeugung, dass der Mensch nicht gezwungenermaßen von Grund auf monogam ist, sondern das sozioökonomische Faktoren ihn zu diesem Lebensstil erziehen. Der Mensch ist nicht genetisch von seinen Trieben gesteuert. Ob man dieser Auffassung ist, oder ihre Meinung im Bezug auf Beziehungskonstellationen teilt, ist jedem selbst überlassen. Doch wer sich auch schon immer gerne selbst mit den Begriffen „Sex, Liebe, Revolution und Frieden“ und wie diese miteinander funktionieren befasst hat, sollte sich ihr Buch keinesfalls entgehen lassen und für sich selbst den richtigen Weg finden.
Ein spannender Abend in der Talk-Ausstellung „WAR IS OVER“, der einen über das eigene Leben nachdenken ließ und anspornte etwas selbstreflektierter zu sein.
Morgen geht WAR IS OVER in die nächste Runde, wenn am 21.01.2016 um 18.00 Uhr Christoph Maisenbacher zu Gast im KM9 in der Karl-Marx-Straße 9 ist und erzählt, wie es kulturtechnisch in der virtuellen Berichterstattung um Trier und die ganz Welt aussieht.
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