Interview und Fotos von: Stefanie Braun
In einer Wochen, am 21.Mai, wird das neue Stück der studentischen Theatergruppe „Bühne 1“ Premiere im Studio des Theaters Trier haben. Sie haben sich das Stück „Wörter und Körper“ von Martin Heckmanns vorgenommen und stecken bereits in der heißen Phase der Proben. 5vier.de Redakteurin Stefanie Braun traf sich mit Regisseur Michael Gubenko und seiner Regieassistentin Elisa Limbacher zu einem Gespräch.
5vier.de: Lieber Michael Gubenko, wie würdest du, als Regisseur das Stück in eigenen Worten beschreiben?
Michael Gubenko: Der Zuschauer erlebt eine junge Frau, die mit der modernen Zeit überfordert ist, mit der Beschleunigung der Zeit, den gesellschaftlichen Verhältnissen, die ihr ein bestimmtes Tempo aufdrücken und auch sehr überfordernd, sehr überbordend sein können. Diese überforderte Frau begegnet Menschen, deren Fassaden, deren etablierte Grundsäulen zu bröckeln beginnen, sobald sie in Kontakt mit dieser jungen Frau kommen. Es ist ein Stück über Begegnungen und den Geschichten, den Erzählungen, denen sie begegnet und in die sie eindringt. Bei allen geht es aber um die Frage, nach dem was wir letztendlich suchen. Womit wir unser Dasein füllen wollen. Wo sind wir am Ziel? Wo gehören wir hin? Es geht um Zugehörigkeit, wenn man so will. Was ist Nähe zwischen zwei Menschen? Und es geht um die Erkenntnis, dass jede Nähe auch zwangsläufig Fremdes bedeutet. Dass man einem Menschen nie ganz nahe kommen kann. Dass da immer eine Hürde bleibt, die sich auch daraus erklärt, dass wir über eine Sprache verfügen, die kaum in der Lage ist unser Dasein, die Realität zu fassen und zu greifen. Was aber im Endeffekt auch in Ordnung ist, wir haben eben nichts anderes und reden am Ende ja doch miteinander.
5vier.de: Empfinden die Nebenfiguren dieses Bröckeln der Fassade als Bedrohung oder als Befreiung?
MG: Das ist meistens ein Sowohl als Auch, für die einen stellt sie eine Bedrohung dar, für die anderen ist sie eine Möglichkeit, eine Chance zur Selbstverwirklichung, zur Selbsterfahrung, zur Selbsterkenntnis. Dadurch dass in jeder Szene aus einer anderen Perspektive heraus erzählt wird, begegnen wir auch dem Phänomen, dass man nie exakt sagen kann, was letztendlich genau passiert ist. Es gibt niemals eine Wahrheit, eine Realität, eine Version, eine Geschichte. Es ist zum einen immer perspektivenabhängig vom Betrachterstandpunkt, aber auch abhängig davon wie die Wirkung der Figuren ist. Es gibt nichts gutes oder schlechtes. Nur Ursache und Wirkung.
5vier.de: Bei einem modernen Stück findet man oft das Phänomen, dass Nebenfiguren oft Situationsspiegel sind statt „richtiger“ Charaktere. Wie ist das hier mit den Nebenfiguren?
MG: Das ist das große Risiko und das große Problem beim zeitgenössischen Theater, es werden immer noch viele gute Geschichten erzählt, aber sehr viele Elemente, Figuren und Geschichten sind eben oft nur programmatisch oder nur Vertreter und Repräsentanten von etwas. Das entmündigt die Nebenfiguren. Wir versuchen dem beizukommen, versuchen den Text auszuschöpfen.
5vier.de: Der Titel heißt „Wörter und Körper“ – sind Wörter nichts ohne Körper und umgekehrt?
MG: Wörter und Körper sind Begriffe, die sich sowohl gegenseitig ausschließen, als auch ergänzen können. Sie spielen gegeneinander, wie etwa das Sprache nicht in der Lage ist Körper zu greifen. Letztendlich sind Körper in ihrer Natürlichkeit auf den Körper an sich zurückgeworfen, ohne Sprache oder Kultur, ohne Kommunikation aber auch nicht vollständig.
5vier.de: Wie seid ihr als studentische Theaterbegeisterte, als Laien, an die Arbeit am Stück herangegangen?
MG: Ich sträube mich vehemend gegen den Begriff „Laien“, weil er oft missverstanden wird. Man versteht „laienhaft“ und „professionell“ oft nach Vertrag: Wer Geld bekommt ist professionell, wer kein Geld bekommt ist Laie. Aber professionelle Arbeit bedeutet gute Arbeit, anständige Arbeit, intensive Arbeit, die zu einem Ziel und einem Ergebnis führt. Professionell arbeitet derjenige, der zu einem bestimmten Ergebnis will, weiß wie er dahin kommt und wie es zu erreichen ist. Aus seinem Potential eben das Maximale herausholt. Da wir gleich drei Institutionen hinter uns haben, denen wir verpflichtet sind, nämlich Theater, Uni und Hochschule wollen wir alleine aus diesem Anspruch heraus professionelle Arbeit leisten. Das wir uns zum Ehrenamt bekennen, macht uns nicht laienhaft, sondern ehrenamtlich.
MG: Einerseits ist es eher „einfacher“ die 100.000ste Inszenierung von Hamlet oder Emilia Galotti zu spielen, weil es da viele fantastische Vorbilder gibt. Gleichzeitig ist es auch eine große Verantwortung die zweite Inszenierung von beispielsweise „Wörter und Körper“ zu sein. Es ist eine Chance neue Wege einzuschlagen und neues zu schaffen. Tatsächlich kreativ und schöpferisch tätig zu sein. Thematisch liegt uns das Stück sehr nahe, da es sich mit Identitätsfragen beschäftigt. Dafür sind jüngere Menschen noch sensibler, weil sie noch nicht ganz verfestigt sind in ihrem Lebenskonzept. Der Moment, in dem sich das Stück und die Macher gegenseitig befruchten ist in der Tat das Thema. Es holt uns auf dem Level ab auf dem wir sind. Also ja, es ist der perfekte Text für uns. Aber auch gleichzeitig die Möglichkeit so innovativ wie möglich vorzugehen. Das ist die Chance des Theaters heute, wir kommen nicht mehr weit, wenn wir uns darauf fixieren Aufträge zu erfüllen, also unser Erbe zu erhalten. Der Widerspruch zwischen Erbe und Neuem muss gelöst werden. Es muss eine ständige Suche nach neuen Konzepten, neuen Wegen geben.
5vier.de: Wie seid ihr inszenatorisch vorgegangen? Beim „Mann in der Badewanne“ gab es ja eine ständig wechselnde Hauptfigur.
MG: Wir haben das noch konsequenter gemacht. Wir überlassen es komplett der Beobachtungsgabe und dem Deutungstalent des Zuschauers, dem wir einiges abverlangen, dem wir aber auch einiges zutrauen. Dabei machen wir kein kryptisches Theater dem keiner mehr folgen kann, aber wir wollen zeigen, dass es noch andere Mittel gibt um Dinge wahrzunehmen, um zu kommunizieren.
5vier.de: Ihr werdet unter anderem Vuvuzelas als Theatermittel einsetzen. Ist das die Chance von jungem Theater aus Gründen der Ökonomie auf Mittel zurückzugreifen und diese zur Kunst zu deklarieren?
MG: Wir haben ein Budget von knapp 750 Euro, es ist die Herausforderung, trotzdem noch Kunst machen zu können, obwohl die Mittel begrenzt sind. Nichts desto trotz ist es eher eine Beschränkung als eine Chance. Aus dem Umstand heraus haben wir aber eine Bühnensprache entwickelt, die eine Wiedererkennbarkeit hat. Deshalb sind wir auch heute schon ausverkauft.
Elisa Limbacher: Meist sind die Personalkosten aber die höchsten, bei uns hat ja jeder die Freiheit, dass er sich so engagieren kann, wie er möchte. Man muss keinen bestimmten Vertrag erfüllen, daraus ergibt sich, dass man alles aus Interesse macht.
5vier.de: Macht Not erfinderisch, bzw. kreativ?
MG: Das stimmt zwar, aber wir wollen uns nicht zu Agenten der Ökonomen dieser Welt machen, die sagen echte Künstler brauchen nichts, die schaffen’s auch so. Wir kommen mit dem kleinen Budget zurecht, weil wir alle über unsere Zeit und Kräfte hinaus arbeiten.
EL: Man benötigt trotzdem finanziellen Input, wir haben ja in dem Sinne keine Notsituation.
MG: Außerdem bin ich überzeugt, wir wären auch mit mehr Geld kreativ gewesen. (lacht.)
5vier.de: Spürt ihr Veränderungen im Engagement der Studenten, die immer jünger ins Studium einsteigen?
MG: Wir sagen früh, dass dieses Projekt sehr Zeit- und kraftintensiv wird, die meisten ahnen von Anfang an, was auf sie zukommt. Durch die Bachelor/Masterumstellung sind die Studenten weniger flexibel. Aber die Mitmachenden sind generell immer zu 100 % dabei. Das Endprodukt zählt, wir wollen nicht unter Vorbehalt oder mit Abstrichen gut sein, es muss sich ja in den Spielplan eingliedern können.
5vier.de: Da spürt man schon Leistungsdruck?
EL: Absolut. Aber das ist für junge Menschen auch gut, wir waren vorher beide als Schauspieler tätig und man merkt einfach, dass man konsequent auf ein Ziel hinarbeitet. Man muss auch charakterlich an sich arbeiten, sonst kommt man auf der Bühne gar nicht zurecht.
MG: Wir haben aber nicht nur Schauspieler, sondern auch Bühnen- und Kostümbildner. In Trier liegt das mit den Designstudiengängen ja auch auf der Hand. Da gibt es viele Studenten, die darauf brennen kreativ tätig sein zu können und am Ende ist die Arbeit bei uns eine, die einer professionellen Arbeit in nichts nachsteht. Uni und FH sind voll mit jungen Talenten, die sich praktisch orientieren wollen, bei uns kann man darin wirklich einsteigen. Inszenierungsidee, Bühnenbild, Licht und Kostüme sollen sich gegenseitig befruchten, wir wollen ja nicht nur abstraktes Theater machen, sondern auch eine konkrete Geschichten erzählen – und ihre Abstraktion ermöglichen. Eben ein Sowohl als auch.
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