Viele Musikliebhaber schätzen ihn. Für den normalen Radiohörer dürfte Steven Wilson immer noch ein Unbekannter sein. Kein Wunder: Seine Songs können locker die 14-Minuten-Marke erreichen, was aber nicht heißen soll, dass sie den Zuhörer langweilen. Im Gegenteil: Wilsons Mix aus komplexem Progressive Rock mit melancholischen Pop-Melodien fesselt zu jeder Sekunde und lässt die Spannung auf das Konzert im Club der Rockhal am 21. März steigen.

Foto: Lasse Hoile
Esch/Alzette. Mehr als fünf Jahre liegen zurück, als Steven Wilson das letzte Mal in der Rockhal (Club) zu Gast war. Damals stand er noch als Frontmann von Porcupine Tree, seiner einstigen Hauptband, auf der Bühne. Seitdem hat er sich hauptsächlich auf seine Solokarriere konzentriert und das mit Erfolg: 2013 erreichte sein drittes Studioalbum The Raven That Refused To Sing (And Other Stories) Platz drei der deutschen Album-Charts. Zwei Solotourneen zeigten außerdem, dass Wilson nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne brilliert.
![20130713_235001[1]](https://5vier.de/wp-content/uploads/2015/01/20130713_2350011-960x578.jpg)
Wilsons Konzerte haben auch visuell einiges zu bieten; Foto: Maximilian Ossweiler
Gesamtkunstwerke in Bild und Ton
Die Konzerte des 47-jährigen Briten sind Gesamtkunstwerke in Bild und Ton. Es gelingt ihm, die im Studio aufwändig produzierten Arrangements live bis ins kleinste Detail wiederzugeben und mit passenden Bildern zu untermalen. Da Wilson sich auch als hervorragender Produzent und Toningenieur zahlreicher Projekte erwiesen hat, liegt es auf der Hand, dass nur ein astreiner Livesound für ihn in Frage kommt. So konnte man auf der letzten Tour glasklare Akustikgitarren und Flötensoli neben brachialen Drums und düsteren Riffs mühelos herausfiltern. Wie damals wird es auch auf der diesjährigen Tour keine Opening Acts geben: Sobald der Zuschauer die Halle betritt, soll er von visuellen Eindrücken und Klängen umgeben sein, die ihn in Wilsons eigene Welt entführen. Mit passenden Einspielfilmen sowie Quadrofoniesound will der Meister seinem Publikum eine „einzigartige Atmosphäre“ bieten, für die eine einzigartige Band ebenso wichtig ist.
echte Musiker, echte Leidenschaft
Zu Wilsons musikalischen Mitstreitern zählen Marco Minnemann (Schlagzeug), Adam Holzman (Keyboard, Orgel), Guthrie Govan (Gitarre), Nick Beggs (Bass, Chapman Stick) und Theo Travis (Querflöte, Saxofon). Dabei handelt es sich um Musiker, die bereits für Größen wie Miles Davis, Joe Satriani oder Chaka Khan gespielt haben und allesamt jahrelange Bühnenerfahrung mit sich bringen. Wilson selbst genießt inzwischen die Rolle als Frontmann seiner Band: Die meiste Zeit spielt er Gitarre und singt, setzt sich ans Keyboard, steht wieder auf, um seine Mannen anzufeuern und bringt die von ihm nicht gespielten Instrumente gestisch zum Ausdruck. Man nimmt ihn als Dirigenten oder Regisseur wahr, der eine klare Vorstellung davon hat, wie seine Kompositionen interpretiert werden sollen. Die Band erfüllt ihren Job tadellos. Nicht umsonst wird sie wieder auf der kommenden Tour und dem aktuellen Album (VÖ: 27. Februar) in gleicher Besetzung vertreten sein.

die komplette Band (v.l.n.r.): Nick Beggs, Guthrie Govan, Marco Minnemann, Theo Travis, Adam Holzman, Steven Wilson; Foto: Diana Nitschke
das neue Album Hand.Cannot.Erase. – Spiegel der Gegenwart
Der Titel zum neuen Album Hand.Cannot.Erase. („Hand kann nicht löschen“) wirft zunächst ein Fragezeichen auf. Welche Story, welches Konzept verbirgt sich dahinter? Es gibt Künstler, die über positive oder negative Dinge schreiben. Steven Wilson ziehen Themen an, die ihn verzweifeln lassen und die dunklen Seiten im Leben des 21. Jahrhunderts widerspiegeln: Hand.Cannot.Erase. beschreibt das Schicksal einer jungen Frau, die in der Großstadt aufwächst und eines Tages verschwindet, ohne dass es jemandem auffällt. Leider ist diese Story näher an der Realität dran, als man im ersten Augenblick denkt: Sie ist nämlich an die Dokumentation Dreams Of A Life angelehnt, in der auch der Tod von Joyce Vincent thematisiert wird. Wilson sah den Film und war darüber schockiert, dass eine junge Frau tot in ihrem Londoner Apartment aufgefunden wurde und dort unentdeckt seit fast drei Jahren gelegen hatte. Wenn man die Geschichte das erste Mal hört, so Wilson, denkt man vielleicht, dass eine ältere Dame in Vergessenheit geraten war, um die sich eh keiner geschert hätte. In diesem Fall ging es aber um Joyce Vincent, eine attraktive, junge Frau, die Familie und Freunde hatte. Aber niemand hat nach ihr gefragt. Der Fall zeigt einmal mehr, dass Entfremdung und Isolation im 21. Jahrhundert allgegenwärtig sind, trotz permanenter Verfügbarkeit durch Smartphones, ständiger Vernetzung dank Social Media und Co – oder gerade deshalb? Genau darin erkennt Wilson einen Widerspruch: Da einige Menschen ihren Computer als Tor in die reale Welt verstehen, werden sie zusehends einsamer und sondern sich ab – genauso wie die Protagonistin von Hand.Cannot.Erase. Unter handcannoterase.com kann man ihre fiktive Biografie in einem Weblog nachlesen. Einzelne Fotos sowie Tagebucheinträge sollen Stationen ihres Lebens beleuchten und sind gleichzeitig eine geschickte Idee von Steven Wilson, seine neue Platte anzuteasern.

das Cover zur neuen Platte Hand.Cannot.Erase.; Artwork: Carl Glover, Foto: Lasse Hoile
Zurück im Studio
Apropos Teaser: Ein paar Youtube Videos (siehe unten) gaben bereits erste Einblicke in die Studioarbeit zum neuen Album. Im Vergleich zu seinem Vorgänger The Raven That Refsued To Sing wird es ein paar Änderungen geben. Erinnerte The Raven mit seiner retrospektiven Instrumentierung (Querflöte, Hammond Orgel und Mellotron) doch sehr an den 70er Prog Rock, klingt Hand.Cannot.Erase. wieder moderner. An eingängige Pop-Melodien reihen sich zum Beispiel Ambient-Klänge und Electro Beats, obwohl im Mittelpunkt eine perfekt klingende Band steht, die zeitgemäßen Prog spielt. Zudem übernimmt das erste Mal eine weibliche Stimme den Leadgesang: Ninet Tayeb, in Israel bereits ein Star, wird einen wichtigen Part auf der neuen CD einnehmen. Dadurch, dass eine Frau singt, wirkt das Konzept von Hand.Cannot.Erase. noch authentischer. Schließlich ist es aus der Perspektive einer Frau geschrieben. Auch ungewöhnlich: Wilson engagierte einen zwölfköpfigen Knabenchor, der auf dem Song Routine zu hören sein wird. Alles in allem darf man also mehr als gespannt darauf sein, wie die neuen Songs am 21. März im Club der Rockhal präsentiert werden. Eines ist aber jetzt schon sicher: Gemessen an der letzten Tour 2013, die grandios war, wird Wilson es sich nicht nehmen lassen, dieses Mal noch einen draufzusetzen.
Tickets für das Konzert in der Rockhal gibt es unter rockhal.lu. Übrigens: Wer in Luxemburg nicht dabei sein kann, hat die Chance, Steven Wilson bei einem seiner Deutschland-Konzerte zu erleben. Hier die Termine:
20.März: Köln – E-Werk
22.März: Stuttgart – Theaterhaus
28.März: Neu-Isenburg – Hugenottenhalle
02.April: München – Alte Kongresshalle
09.April: Berlin – Columbiahalle
10.April: Hamburg – CCH2
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Schreibe einen Kommentar