Von Matthias Spieth
Das Transferkarussell steht still, die Vorbereitung vor der Tür: Mit der Verpflichtung von Jermaine Anderson hat die TBB das Team für die neue Saison vervollständigt. Sechs Neuzugänge wird Henrik Rödl ab Mitte August einarbeiten. Der Verein muss prominente Abgänge kompensieren – kann das gelingen?
Barry Stewart spielt in Antwerpen, „Steal Deal“ Linhart beklaut seine Gegner für Venedig. Bastian Doreth ist ein Drache, Brian Harper stopft woanders. Etliche TBB-Schlüsselspieler der letzten Saison haben das Team verlassen; hinzugekommen sind sechs interessante Neuzugänge. Wie kann man Verluste á la Linhart ausgleichen? „Jemanden wie Nate kann man natürlich nicht ersetzen, aber das war auch nicht unser Ziel“, betont Co-Trainer Thomas Päch. „Unsere neuen Spieler haben ihre eigenen Stärken.“ Wir fragen: Welche genau?
Ein Youngster, ein alter Hase und zwei Hochprozentige
Neugier auf den Vielgereisten: Jermaine Anderson bringt Erfahrung mit – Trier ist für ihn die neunte Station in sechs Jahren. Foto: Ingo HoffmannIm Aufbau ist die TBB doppelt neu besetzt: Auf Bastian Doreth (Quakenbrück) und Joshi Saibou (Gießen) folgen Anthony Canty und Jermaine Anderson. Der 22-jährige Canty wurde gleich mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet – einen größeren Vertrauensbeweis in die Fähigkeiten des Youngsters gibt es kaum. Die erste (ansprechende) Kostprobe lieferte Canty bereits bei seinem Kurzbesuch mit der A2-Nationalmannschaft in Trier. Der Ex-Eisbär will mehr Minuten als in Bremerhaven (7:30 im Schnitt) – und dürfte sie auch bekommen. Freilich aber noch hinter Anderson, denn der 30-jährige Kanadier kennt die BBL aus seiner Zeit in Bamberg und Tübingen bestens und bringt nach zahlreichen Engagements in Europa (neun Teams in sechs Jahren, unter anderem in Athen und Zagreb) reichlich Erfahrung mit. Aus Litauen kommen mit Trevon Hughes und Laurynas Samenas zwei besondere Leckerbissen: Da ist zum einen der explosive Combo-Guard Hughes, der neben seiner extremen Grundschnelligkeit einen tadellosen Sprungwurf mitbringt; nicht zu vergessen ein Repertoire tödlicher Crossovers. Zum Ende der letzten Saison notierte Hughes etwa 16 Punkte pro Partie in der ersten litauischen Liga. Als dortiger „Defensive Player of the Year“ scheut sich der 26-jährige auch nicht vor Pflichtaufgaben. Samenas hingegen brilliert aus der Distanz und trifft hochprozentig von der Dreierlinie, ohne auf diese Inselbegabung limitiert zu sein.
Kommt als Topscorer nach Trier: Laurynas Samenas. In der Baltic League versenkte der Litauer Dreier am Fließband. Foto: Giuntaras SiuparysNachdem sich sowohl Jarrett Howell als auch Bastian Doreth in der abgelaufenen Saison eher wechselhaft präsentierten, ist mit Jermaine Anderson ein erfahrener Mann zur Stelle, der an der Freiwurflinie Nerven aus Stahl hat (90% in 2012-13). Wie Freund und Landsmann Jermaine Bucknor verspricht, ist der Kanadier zudem eine verlässliche Adresse für Großtaten in der Crunchtime. Im Rückblick auf das eine oder andere Freiwurfdrama wird sich diese Kombination gewiss noch auszahlen. Tony Canty muss seinen Reifegrad für große Spielanteile erst noch unter Beweis stellen, ist aber fraglos schnell und talentiert. Sowohl Hughes als auch Samenas kommen als jeweilige Team-Topscorer nach Trier, machen die TBB aus allen Lagen gefährlich.
Unser Fazit: Auch ohne Barry Stewart ist die TBB im Backcourt besser aufgestellt als in der Vorsaison.
Chikoko in neuer, alter Rolle – Ward: „Trier is my NBA“
Mit Warren Ward kommt ein Komplettpaket an die Mosel: Der Kanadier gilt als Riesentalent mit NBA-Potenzial, gleichermaßen aber auch als sehr bodenständig. In seiner letzten College-Saison legte der 1,96-Meter-Swingman im Schnitt 18,4 Punkte, 8 Rebounds und knapp 4 Assists auf – von seiner Vielseitigkeit kann man sich dank diverser Mixtapes bereits überzeugen. Ward erhielt einen Vertrag über zwei Jahre und wird wohl als Small Forward auflaufen. Die Sympathien der Fans hat er schon: „Right now, TBB Trier is my NBA“, ließ er bei [email protected] keinen Zweifel an seinen Prioritäten.

Kandidat für einen Leistungssprung? Vitalis Chikoko kehrt auf seine Lieblingsposition zurück. Foto: Thewalt
Neben ihm tritt Mathis Mönninghoff seine zweite Spielzeit im TBB-Dress an und verspricht nach einer guten Debütsaison einen Schritt nach vorne, spielte mit der A2-Nationalmannschaft eine starke Universiade. Auf Position 4 teilen sich Jermaine Bucknor und Vitalis Chikoko die Minuten als Power Forward. Bucknor komplettiert die Canadian Combo als Dritter im Bunde, seine Qualitäten sind bekannt. Interessanter gestaltet sich da schon die „Rückkehr“ von Vita Chikoko auf altbekanntes Terrain: Der präsentierte sich zwar auch als Backup-Center nicht schlecht, ist aber ohnehin gelernter Vierer und konnte als ebensolcher schon im Göttinger Trikot überzeugen.
Nach dem Abgang von Nate Linhart treten Ward und Mönninghoff ein schweres Erbe an. Letzterer kündigte bereits an, sein Spiel vielseitiger machen zu wollen, muss dies aber erst noch unter Beweis stellen. Wards Verpflichtung kann sich als Volltreffer erweisen, jedoch muss sich der College-Abgänger an den europäischen- und BBL-Basketball gewöhnen. „Wie gut das klappt, ist immer typbhängig. Aber für ihn wird es sowieso darum gehen, sich an das Leben als Basketballprofi zu gewöhnen“, stellt Thomas Päch klar. Einen Altersnachteil sieht er derweil nicht: „Warren hat aber bereits fünf Jahre am College hinter sich und dort so einiges gesehen, einschließlich einer schweren Verletzung. Wir haben volles Vertrauen in seine Fähigkeiten.“
Unser Fazit: Linharts Defensivqualitäten sind nicht zu ersetzen. Ohne Harper geht es im Frontcourt etwas weniger spektakulär zu – dafür muss dessen notorisch foulbedingte Abwesenheit im Schlussviertel nicht mehr einkalkuliert werden. Können Ward und Chikoko ihr Potenzial abrufen, sieht es auch auf den Positionen 3 und 4 gut aus für die TBB.
Center: Kein Spielraum für Verletzungen
Stefan Schmidt versucht in Trier einen radikalen Neustart. Den hat er auch nötig, denn in Bayreuth lässt der 24-Jährige nebst unauffälliger Zahlen (2,2 Punkte in 10 Minuten) eine regelrechte Verletzungsodyssee hinter sich. Sollte sich diese auch bei seinem neuen Arbeitgeber fortsetzen, wird es personell dünn – denkbar, dass Chikoko nicht zum letzten Mal auf der Fünf aushilft.

Stefan Schmidt (r.) will in Trier durchstarten – dazu wird er reichlich Gelegenheit haben. Foto: Stephen Weber
Derzeit deutet bei Schmidt aber nichts auf Verletzungsprobleme hin, wie Canty und Mönninghoff meldete auch er durch gute Vorstellungen mit dem A2-Nationalteam Frühform an. Hinter Andi Seiferth wird der Ex-Franke viele Minuten abgreifen und mittels seiner beachtlichen Physis den einen oder anderen Gegenspieler im Low-Post herumschubsen. Andi Seiferth ist derweil als Starter klar gesetzt und blickt auf eine für ihn wegweisende Saison zurück. Seine jüngsten Vorstellungen im DBB-Dress geben Anlass zur Hoffnung, dass sich der Center im Sommer einmal mehr weiterentwickelt hat: Unter Bundestrainer Frank Menz zahlt der 24-Jährige das in ihn gesetzte Vertrauen bislang mit Topleistungen zurück. Durch das Engagement im Nationalteam ist aber noch unklar, wann Seiferth in die Saisonvorbereitung der TBB einsteigen wird.
Unser Fazit: Tendenz gleichbleibend- Andi Seiferth dürfte die Leistungen der letzten Saison bestätigen. Ob Stefan Schmidt in Chikokos Fußstapfen treten kann, muss sich aber erst noch zeigen.
Abseits aller Gedankenspiele ist eines sicher – der Trierer Weg wird weiter konsequent beschritten. Mit 24,6 Jahren Altersdurchschnitt rangiert der TBB-Kader auch 2013/14 wieder im jugendlichen Bereich. Ein Risiko mit Kalkül, denn: „Wir erwarten von allen unseren jungen Spielern einen Schritt nach vorne. Das ist immer unser Ziel gewesen,“ bringt es Päch auf den Punkt. Angesichts des ligaweiten Wettrüstens kann man sich ohnehin keinen Stillstand erlauben.
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