Von Stefanie Braun (Text und Fotos)
Am Freitag, 30. August, öffnete ein neuer Laden in Trier seine Pforten für die weibliche Bevölkerung: Blutsgeschwister nennt er sich und wartet mit Mode jenseits der tristen Trends größerer Ketten auf. 5vier.de sprach zur Eröffnung mit Designerin Karin Ziegler.
Angefangen hat alles mit einer Overlook-Nähmaschine und einem T-Shirt. Die gelernte Schneiderin Karin Ziegler wollte mal etwas anderes machen, weg von den schlecht waschbaren Seidenstöffchen, den unbequemen Kostümen, den Schnitten ihres Schneiderinnen-Ausbildung. Alles etwas ungemütlich. Ein T-Shirt aus Jerseystoff schien dagegen ein echter Luxusgegenstand. Ein Wohlfühl-Luxus. Alltagstauglich und schön. Bequem und trotzdem nach einem geschneiderten Stück aussehen, das war die Maxime ihrer ersten Stücke und ist es bis heute geblieben.
Gleichgesinnte finden
Eine große Inspiration dabei waren die Filme der 50er Jahre. „Die Kleider strahlen so eine Lebenslust aus.“ Wo kann ich das wiederfinden, hat sie sich gefragt. Sie bekam alte Schnittmuster in die Hände und begann zu schneidern. „Es war ein Lernprozess, in dem man jeden Tag viel neues Wissen ansammeln musste um weiterzukommen und besser zu werden.“ Ein Lernprozess war es auch mit den Reaktionen der Umwelt auf ihre selbstgeschneiderten Stücke klarzukommen.
„Ich hatte in einem Tanzkurs etwas Selbstgeschneidertes an, mit einem echten Petty Coat darunter, da wurde natürlich getuschelt.“ So ist das mit 14 in einer kleinen Stadt. Als sie dann wenige Jahre später in eine größere Stadt kam, trug sie immer noch Selbstgeschneidertes, die Reaktionen fielen aber gänzlich anders aus: „In einer größeren Stadt ist man nicht der einzige, der in einer gewissen Art und Weise denkt, man findet Gleichgesinnte.“ In ihrer kleinen Stadt musste nicht nur ihre Umwelt damit klar kommen, dass Karin Ziegler ihren eigenen Stil leben wollte. „Irgendwann traut man sich immer mehr, weil man gelernt hat damit umzugehen. In einer größeren Stadt traut man sich dann natürlich noch mehr. Man bekommt immer Feedback von dem Ort, an dem man lebt.“
Welches Feedback erhofft die Designerin sich denn von Trier? „Auch Trier ist eine kleine Stadt, aber sie scheint mir sehr weltoffen zu sein. Ich hoffe natürlich, dass die Trierer unsere Stücke in ihr Leben integrieren können, was ja auch der Sinn von ihnen ist. Wir verkaufen keine Kleider, die man nur zu besonderen Anlässen tragen soll. Sie sollen alltagstauglich sein und natürlich auch im Alltag getragen werden. Es geht schließlich darum, sich selbst durch die Kleidung ausdrücken zu können.“ Dafür verwendet die Designerin einen ganz besonderen Ausdruck: „Textile Blutsbruderschaft. Das bedeutet, dass sich Gleichgesinnte, die vielleicht auch über manche Sachen ähnlich denken oder sich auf einer Party gut verstehen und unterhalten würden, erkennen können an ihrem Stil. Man hat den gleichen Geschmack und spürt in seinem Leben auch ähnliches.“
So entstand auch der Name Blutsgeschwister: „Man trägt sein Innerstes nach Außen und spürt eine Outfit übergreifende Verbundenheit.“ Dabei ist die Klientel, die Blutsgeschwister ansprechen will breit gefächert. Von den Kleinsten, über junge Frauen, die ihren eigenen Stil noch erkunden möchten, über erfahrene, erwachsene Frauen, die ihren Stil bereits für sich entdeckt haben, bis hin zur Großmutter-Generation, die sich nicht nur in tristes Grau hüllen möchte. „Individualisten, die sich vielleicht selbst gerne etwas nähen, finden sich in unseren Kollektionen wieder. Wir sind ein stückweit kommerziell, ohne eine „Kette“ zu werden. Leute, die ihren eigenen Trends folgen, finden bei uns etwas.“
Die Stücke sind industriell gefertigt, versprühen jedoch den Charme von Selbstgenähtem, sie könnten alt sein, ein Schneiderstück, sind aber dennoch alltagstauglich wie der Jahre alte Lieblingspulli. Auf eben diese Langlebigkeit legt Blutsgeschwister großen Wert, die Stücke sind nicht gerade etwas für den schmalen Geldbeutel, dafür qualitativ besonders hochwertig und strapazierfähig. „Unsere Kleidungsstücke sind keine Spontankäufe, man muss sich wirklich sicher sein, dass man gerade dieses T-Shirt, diese Hose oder diese Jacke haben möchte.“ Genauso geht Karin Ziegler auch an die Entwürfe heran: „Wenn ich beim Entwurf nicht schon denke, dass ich es unbedingt haben wollen würde, dann werfe ich ihn direkt weg.“
Alltagstauglich und doch individuell
Dabei sind ihre Kollektionen immer übergreifend. Lieblingsfarben und -Schnitte tauchen immer wieder auf, sodass man altes auch mit neuem kombinieren kann. Die beiden aktuellen Kollektionen in Trier beschäftigen sich mit zwei ganz besonderen Themen. „Das erste heißt Nadel und Faden, in ihm kehren Nähmotive wieder, wie Maßbänder, aber eben auch Nadel und Faden. „Es geht um die Erfahrungen, die man als junge Schneiderin macht. Wie riecht eine Nähmaschine, wenn man ein paar Stunden durchgenäht hat, wie fühlt sich ein Maßband um die Schultern gelegt an. Das wollte ich in den Mustern wieder aufleben lassen.“
Die zweite Kollektion stellt eine Hommage an die bedeutenden Musen und Mäzeninnen der Kunst dar. Von der sehnsuchtsvollen Peggy Guggenheim bis zur schillernden Edie Sedgwick, von der Mäzenin, die gerne dabei gewesen wäre bis zur Muse im Zentrum einer ganzen Bewegung wird ein Stück Lebensgefühl eingefangen.
Zu den neuen Geschäftsräumen in Trier wusste Karin Ziegler im ersten Moment eines zu sagen: „Groß!“ lacht sie: „Man muss sehr viel mitbringen, um den Laden so zu füllen, dass eine Heimeligkeit entsteht.“ Obwohl die Kollektionen mehr als formen-, muster- und farbenfroh sind, wird man nicht erschlagen, wenn man den Laden betritt, das Geheimrezept verrät Ziegler im Interview: „Wir haben Wände rausgerissen, damit der Raum heller und freundlicher wird, zudem sind die Tapeten nur stellenweise und nicht durchgehend an den Wänden. Die Möbel, teilweise alte, restaurierte Liebhaberstücke stehen nur spotweise und laden zum Ausruhen ein. Unser Stangensystem ist sehr unaufdringlich und zurücknehmend, so stehen die Kollektionen im Vordergrund.“ Zudem sind die Kleidungsstücke nach Farben sortiert, so entsteht Einheitlichkeit und Ordnung.
Wer in Trier schon immer nach dem Besonderen neben der Massenware gesucht hat und keine Angst vor Farben und Mustern hat, sollte auf der nächsten Shoppingtour einen Abstecher in „Blutsgeschwister“ wagen. Vielleicht entdeckt man dort sein neues Lieblingsstück.
5vier.de wünscht Karin Ziegler und ihrem neuen Trierer Team alles Gute.
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