Es ist das tiefe Bedürfnis eines jeden Menschen etwas zu hinterlassen. Sich zu verwirklichen, und der Stadt seinen Stempel aufzudrücken. Ein Nervenkitzel, der auch schnell zur Sucht werden kann. Nichts anderes ist Graffiti. Oft setzen sich die Sprayer über Eigentumsverhältnisse hinweg. Aber wem gehört denn überhaupt die Stadt? Gedanken über Legalität und Illegalität rücken dann schnell in den Hintergrund. So strahlen besonders Parkhäuser, Betonwände und auch andere graue Flächen geradezu eine magische Anziehung auf die aus, die ihren Gestaltungswillen freien Lauf lassen wollen. Dabei gehe es gerade beim Graffiti auch um Respekt, erklärt Tom Cartus.
Seit bereits 20 Jahren betreibt der Diplomsozialarbeiter offene Jugendarbeit. Im Jugendzentrum auf der Höhe ist er seit 12 Jahren für die Arbeit mit jungen Menschen zuständig. In seiner Arbeit versucht er jungen Menschen tolle Angebote zu machen, um sie zur Selbstbestimmung zu befähigen. Auch die gesellschaftliche Mitverankerung spielt dabei eine große Rolle. Im Jugendzentrum nimmt Graffiti dabei einen ganz besonderen Platz ein.
„Wir geben Workshops oder kümmern uns um legale Flächen. Außerdem beraten wir die Szene, zum Beispiel klären wir darüber auf, an welchen Stellen man malen darf und wo nicht, dabei drücken wir den Leuten nicht einfach nur einen Flyer in die Hand, wir geben ihnen auch ein Gespräch“, erklärt Tom Cartus.
Denn durch das Graffiti sei man hier sehr nah an den jungen Menschen dran. Viele würden hier auch mit ganz anderen Problemen wie Wohnungsnot oder Sucht herkommen. Ohne das Graffiti im Angebot, würde man diese Menschen vielleicht gar nicht mehr erreichen.
Im Jugendzentrum ist man auf die Wünsche der jungen Menschen eingegangen
Dass Graffiti so einen hohen Stellenwert im Jugendzentrum hat, erklärt Tom Cartus, liegt daran, dass man auf die Wünsche junger Menschen eingegangen sei und da einige hier auch schon Vorerfahrung hatten, wurde zunehmend das Medium Graffiti in die Arbeit mit einbezogen. Er selbst ist nämlich seit seiner Jugend eng mit der Graffiti Szene verbunden. Wie viele hat auch er damals mit sogenannten Tags angefangen. Das sind Signaturen, häufig Pseudonyme, die man dann schnell an eine Wand sprüht. Was man damit erreichen möchte? Fame, erklärt Tom Cartus, das sei dann oft ein wenig so ein „Reviergehabe, da ist ein Tag und dann noch eins, und dann grüßt man sich gegenseitig“.
Heute sei er jedoch nicht mehr der Jüngste und würde ungern davonlaufen, wenn man beim Sprayen erwischt wird, gibt der 52-Jährige zu, weshalb er nur noch legale Graffiti malt. Die Motivation hinter dem Malen sei sein inneres Gleichgewicht. „Das tut mir einfach gut, egal ob ich auf Papier male oder an der Wand mit meinen Headphones stehe und dabei die ganze Welt vergesse“.
„Ich bin überzeugt, dass durch mehr legale Flächen, illegale Graffiti zurückgehen“
Zwar sei Trier eine sehr Graffiti affine Stadt. Aber dass man heute überhaupt die Möglichkeit hat legal zu malen, habe man sich lange erkämpfen müssen. Dies sei oft so mit Räumen die heute den Menschen zur Verfügung stehen. Tom Cartus verweist auf das Exhaus, welches einen so wichtigen Bestandteil für die Graffiti Szene in Trier ausgemacht hat. Viele Jahre wurde auch dort Kultur- und Jugendarbeit geleistet. Die Wände und Mauern des alten Klosters am Moselufer dienten dabei als freie Flächen für die Szene. Bilder von den „krassesten Künstlern“ aus Trier seien dort zu sehen. Seit längerer Zeit musste dort jedoch der Kulturbetrieb wegen Brandschutzmaßnahmen und Schimmel eingestellt werden. Auch habe der Verein mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Wie es mit dem Exhaus weitergeht bleibt ungewiss.
Daneben gab es bisher 10 legale Flächen für Graffiti in Trier. Am Anfang des Jahres ist noch eine weitere dazugekommen. Die Stadt hat in einem gemeinsamen Projekt mit dem Jugendzentrum und der Bahn zwei neue Bahnunterführungen mit in die legale Spray Liste der Stadt aufgenommen. Auf der Homepage der Stadt kann man sich registrieren und dann an den ausgewiesenen Flächen malen.
Graffiti hat auch etwas mit Respekt zu tun
An den legalen Flächen müssen die Sprayer dann untereinander ausmachen, wann ein neues Bild auf einer bereits bemalten Fläche entstehen darf. Dies sei oft nicht so ganz einfach zu entscheiden. Gewisse „Szene Codes“ sollten dabei eingehalten werden. Das verlange schon auch ein wenig „Fingerspitzengefühl“. Aber wenn man dann über ein Graffiti drüber geht, dann solle man sich auch erkenntlich Mühe geben, das habe einfach mit Respekt zu tun, so Tom Cartus. Vergreifen sich dagegen die Sprayer an private Wände, muss die Farbe häufig kostspielig entfernt werden. Das ist dann auch keine Bagatelle, sondern eine Straftat. Tom Cartus ist jedoch davon überzeugt, dass durch mehr legale Flächen, solche illegalen Graffiti zurückgehen können.
Bei den Workshops warnt er daher die Jugendlichen vor den Folgen. Um die Jugendlichen vor hohen Strafen zu bewahren, müsse die Szene und die Bewegründe der Jugendlichen jedoch erst einmal verstanden werden. Da helfen dann auch keine Verbote, denn auch die können viele nicht abhalten.
Graffiti ist vielseitig
Ob legal oder illegal, Graffiti nehmen ganz unterschiedliche Formen und Stilrichtungen an. Die Künstler und Künstlerinnen spielen dabei mit Formen und Farben und lassen Buchstaben bis zur Unkenntlichkeit verformen und ineinander schmelzen. Viele davon sind mit großem Aufwand verbunden, manche andere, wie das „Throw up“ wird dagegen einfach schnell an die Wand geworfen. „ Diese haben zwar meist nur einen geringen künstlerischen Anspruch, vielmehr entscheidend ist da der Zeitpunkt oder der Ort, welches dann so ein Graffiti besonders machen. Es gehören jedoch all diese Facetten zum Graffiti. Ob das Graffiti dabei gut ankommt oder nicht ist den Machern oftmals egal. „Es komme nicht darauf an, ob du da sagst wow das ist aber schön, du entscheidest da nicht darüber“. Viel wichtiger sei die Resonanz der Szene.
Über Kunst lässt sich bekanntlich lange streiten, der Philosoph Theodor Adorno habe mal gesagt, dass der Gradmesser für den Wert eines Kunstwerkes die Wut sei, die ihm entgegenschlägt. Kunst die einfach nur schön ist, sei dabei keine Kunst, sondern lediglich Dekoration. Zwar hat sich der kulturkritische Philosoph mehr mit klassischer Musik und jazz auseinandergesetzt, jedoch sind seine Gedanken auch für die Graffiti Szene zutreffend. Über kaum eine andere Kunstform diskutiert man so kontrovers. Dabei sei Graffiti schon immer das „geliebte, schmutzige Kind der High Society“ gewesen und hat auch schon seinen Weg in die großen Gallerien gefunden. So besteht auch immer mehr der Wunsch Graffiti in das Stadtbild zu integrieren. Wenn die Bilder schön gemacht sind haben die meisten ja auch nichts dagegen. Dass Graffiti nunmal seine Ursprünge auf der Straße hat und die Umstände dort eben nicht immer schön sind wird dagegen schnell mal vergessen.
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