Gestern gingen wir die Karl-Marx-Straße von der Trinkerinsel, bis zu den Künstlerateliers ab. Dabei zogen wir auch am stark frequentierten Karl Marx Haus vorbei (Hier gelangen Sie zu dem Artikel). Heute geht die Reise durch die bunteste Straße in Trier weiter.
Trier/ Karl Marx Viertel. Die Karl-Marx-Straße wäre nicht was sie ist, wenn sie nicht noch weiteres zu bieten hätte. Hier gibt es nämlich noch viel mehr zu erleben. Von leckerem Essen, über Bars bis hin zum Rotlicht, gibt es noch einiges zu entdecken um letztendlich zu einer der größten Sehenswürdigkeiten von Trier zu gelangen.
- Station: Gastronomie
Zwischen dem Skurrilen und den Läden, die der gebürtige Trierer inzwischen als selbstverständlich hinnimmt während Gäste die Augen aufreißen, gibt es auch einiges zu Schmausen. Am Anfang geht es mit einem Weinhaus noch etwas elitärer zu, doch später wird es lockerer. Es gibt leckere Tapas, indisches Essen und auch eine hervorragende Konditorei in der häufig Senioren anzutreffen sind. Wenn man bedenkt, dass genau gegenüber gerade die besagten Geschlechtsteile in Metalloptik ausgestellt werden, gibt das schon ein recht seltsames Bild. An der Gastronomie gibt es in dieser Straße nichts zu meckern. Ich war hier noch in keinem Restaurant, in dem es mir nicht geschmeckt hat.
- Station: Barleben
Besonders erwähnenswert sind auch die Kneipen und Bars in der Karl-Marx-Straße. So befindet sich hier eine kleine Kneipe, in der man nicht selten eine Trierer Berühmtheit antrifft, die europaweit bekannt ist. Ich habe private Garagen gesehen, die größer waren als diese Kneipe und dennoch, oder gerade deswegen, hat sie einen besonderen Charme. Das letzte mal als ich da war, wurde gerade Krieg der Sterne (in der Originalfassung (!)) auf eine Leinwand projiziert, sodass das Ambiente der Bar fast schon interessanter als mein Gegenüber war. Außerdem gibt es hier ein paar Lokale, die sowie der Derwisch als Dönerladen, eine besondere Stellung in Trier haben, denn für sie gilt: Wenn alles andere schon zu hat, kann man hier abends noch weggehen. Sie bieten beinahe schon einen 24 Stunden Service an.
- Station: Die Geisterstadt
Plötzlich wandelt sich die Stimmung. Von den lauten Asiaten und Trinkern fehlt jede Spur. Leer stehende Läden mit mysteriösen Geschäftskonzepten haben ihre Schaufenster geräumt. Auf der einen Seite sieht man ein kleines Nagelstudio, das schon Staub ansetzt. Es fehlt nur noch ein Hunderfriseur der sich in die leergeräumten Schaufenster einreiht und ein Strohballen der traurig vorbeizieht. Besonders der Kontrast zu dem hiesigen Autohaus, das dann auf einmal auftaucht und konkurrenzlos einen halben Häuserblock einnimmt, wirken die gegenüberliegenden Geschäfte noch kleiner. Noch unbedeutender.
- Station: Porno
Vorbei an dem Autogeschäft wird es wieder erotisch. Nach der Ausstellung mit Phalli, die durchaus ihre eigene Ästhetik besitzt, kommen dann diverse Stripclubs. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Pornoverleih, der eher einen improvisierten Eindruck macht und ein Fetischgeschäft, aus dessen Schaufenster einen eine Ledermaske anstarrt und in dem rosa Peitschen ausgelegt sind. Nun hat man die Straße fast geschafft. Man muss nur noch an dem Pornokino vorbei, in dem gelegentlich Herren mit gesenktem Blick verschwinden.
- Station: Römerbrücke
Dann ist man am Ende der Straße angekommen und stößt wieder auf Kultur. Man gelangt an eine Kreuzung mit Blick auf die Römerbrücke. Die älteste noch befahrene Brücke nördlich der Alpen und einer der damaligen Zugänge zur Stadt. Eines der Wahrzeichen von Trier, das noch heute Trier-West und die Innenstadt miteinander verbindet und ein Anziehungspunkt für Touristen ist.
Diese Straße ist von solcher Vielfalt, dass man gar nicht alle Stationen genau erläutern kann. So befinden sich hier unter anderem auch ein Dönerladen, eine Shishabar, ein Shishatabakladen, ein Geschäft für Elektrogeräte mit Lieferschäden, ein Billard Café… und noch vieles mehr, was sich so gar nicht zu einem geradlinigen Konzept wie in der Innenstadt zusammenfügen will. Deshalb ist die Karl-Marx-Straße für mich wohl die schrägste und gleichzeitig auch die interessanteste Straße in Trier.
Es ist schon ein lustiger Fleck voller Kontrast. Trinker, Asiaten, Karl Marx, Pornokino und Konditorei. Während sich in der Innenstadt Klamottengeschäfte und Dekoläden aneinanderreihen, wird hier die Vielfalt zelebriert. Alles zusammengetrichtert auf einen fünf Minuten Fußweg. Es ist schon spannend, was man alles sieht, nur weil man ein Kulturerbe unserer Stadt besuchen möchte. Kein Wunder, das die Straße inzwischen als eigenes Viertel gilt.
Fotos: Raphael Wlotzki // Aufnahmeort: Karl-Marx-Straße, Brückenstraße
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