Wir machen einen Spaziergang durch die Stadt. Stellen wir uns vor wir sind Touristen und gucken nach links und nach rechts. Lauschen dem was der Touristenführer uns erzählt. Hier das 3 Königshaus, da die Porta Nigra. Die Denkmäler sind umgeben von schön restaurierten Gebäuden. Geht man tiefer in die Stadt, in die Seitenstraßen, dann sieht es zwischen den Gebäuden aus Beton ganz anders aus.
Trier. Kein Tourismus. Nein, Großstadtflair zwischen den nun verdeckten Weinbergen. Nach außen sind wir stets eine Stadt, aber es geht noch eine Ebene tiefer. Hinter der kühlen Fassade schlummert der intime Wunsch nach Natürlichkeit. Was sind wir für die Touristen? Wir sind Weinberge, Mosel, Kultur und Stadt. Wären wir ein Spiel, wäre es wohl „Stadt-Land-Fluss“.
Erst auf den dritten Blick geben die Trierer ihre Sehnsüchte Preis. Betonhaus von draußen. Ikea oder Designermöbel von innen. Man kann jedoch noch ein Stück weiter gehen. Schaut man hinter die Häuserblocks, offenbaren sich versteckte Gärten mit Holzhäuschen und gepflegte Rasenflächen. Sie sind zwar etwas klein, aber vorhanden. Man nutze mal Google Maps und verschafft sich einen Überblick. Ist es das was wir ach so städtischen Trierer brauchen? Nach vorne hin Beton und Ampelchaos und wenn wir daheim sind, den Straßen den Rücken kehren, werden wir zum Spießer? Wir brauchen das vielleicht. Wir brauchen die Ruhe, ohne Gehupe und die innere Sicherheit uns ländlich zu fühlen. Kein Zement, sondern warme Materialien wie Holz und Ton.
Ja, das kann es sein. So könnten wir Trierer ticken. Städtisch und latent ländlich. Cool und beschäftigt mit dem immer wieder kehrenden Wunsch nach Behaglichkeit. Reißt meinetwegen die Häuser ab, denn da steht eh bald ein neues, doch lasst die Finger von meiner Gartenlaube. Meinem Zufluchtsort in dem ich nie sitze, aber der mir das beruhigende Gefühl gibt doch nicht da zu sein, wo ich gerade bin. Da bin ich gerne spießig, schalte das Smartphone auf lautlos und genieße einfach die Stille, wenn nicht gerade ein Helikopter zum Brüderkrankenhaus fliegt und mich zurück in die Realität holt, bis ich bemerke, doch in einer Stadt zu sein.
Wir wollen beides miteinander koppeln. Wir wollen Kino und Spaziergänge in der Natur. 24-Stunden Tankstelle und Weinberge. Fanta 4-Konzerte und kleine Faschingssitzungen. Diese Möglichkeit von der Großraumdisco in die Kleinstadtprovinz-Kneipe zu wechseln, macht für mich persönlich das Leben hier in Trier aus. Wir haben die Wahl und können die Bedürfnisse nach beidem befriedigen. Das ist ein Blick, den die Touristen leider kaum erhaschen können.
Raphael Wlotzki
PS.: Die Bilder der Gärten wurden direkt in der Innenstadt geschossen. Seltsam was einen da an schönen Gärten, hinter all dem Beton, erwartet.
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