Nein, das ist kein Eppelwoi und auch nicht einfach Most. Das ist Viez und der gehört den Trierern und der Region.
Trier. Neulich saß ich wartend in der Nähe des Stadttheaters. Ich war etwas früh an, als ich mich dort mit einem Freund treffen wollte. Doch gottseidank ist ja zum Zeitvertreib ein kleines Café direkt in der Nähe. Also setzte ich mich hin, nahm die Karte und landete bei den Kaffees. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Ich habe ja fast gar kein Geld dabei. Flusen, ein kleines Kunststoffherz, eine Büroklammer und 2,42 €. Das war mein Kleingeldfach. Das Geld war jedoch eher in Rottönen als in Gold gehalten. Jetzt aufstehen wäre blamabel. Schließlich war ich umringt von fremden Leuten und habe dem Kellner bereits gesagt, dass ich noch in die Karte gucke.
Was kann man sich dafür schon leisten? Fast nix. Ich weiß noch, dass ich mir als Jugendlicher ein 0,3l Bier für 1,80 € kaufen konnte und heute sitze ich da mit fast 2,50€ und bin am verzweifeln, weil die Auswahl schon sehr eingeschränkt ist. Dabei wollte ich nie so ein Mensch werden, der sagt, dass damals alles besser war oder jemand der stets die aktuellen Preise in die D-Mark umrechnet. Dann sticht mir ein weißer Krug am Nachbartisch ins Auge und mir ist direkt klar: Das ist Viez! Den gibt’s ja auch noch und der war doch immer günstig.
Schnell die Preisliste überflogen und siehe da, ein 0,4l Viez kostet gerade mal 2,30€. Perfekt, wenn es auch leider etwas weniger Trinkgeld für den Kellner geben wird. Bestellt, hingestellt und schon wieder kommt Freude auf. Das Gefäß in dem der Apfelwein serviert wird, sticht unter tausenden hervor. Der große weiße Krug mit dem Namen „Porz“, besitzt für unsere Region solch eine starke Ikonologie, dass man es schon fast als die Trierer Colaflasche bezeichnen könnte.
Dann kommt der erste Schluck. Bitter, sauer und etwas modrig. Einfach hervorragend und erfrischend. Wie kann man so einen Geschmack mögen? Man muss wohl damit aufgewachsen sein. Als junger Mann tastet man sich vorsichtig mit Viez Limo an das Getränk heran, springt dann über zu Viez-Sprudel um dann letztendlich bei Viez-Pur zu landen und sich als waschechter Trierer zu fühlen.
Dieses Gebräu schmeckt sicherlich nicht jedem. Es ist für uns und unsere Region gedacht. Es ist ein kulturelles Erbe mit dem wir uns von den vielen Touristen distanzieren. Alleine schon die Bestellung versteht niemand der nicht aus unserer Region stammt. „Ein Viez im Porz.“ Jeder weiß bescheid. Jeder, außer den anderen. Die Leute, die ihre Nase über dem weißen Krug mit dem gegorenen Geruch zusammenzucken lassen.
Abends weggehen und einen zu Trinken ist heute leider kaum noch finanzierbar, doch der Viez hat es wieder möglich gemacht einen gemeinsamen Abend in der Stadt und der ansehnlichen Kneipenlandschaft zu verbringen. Auch wenn man von diesem Gebräu gerne zwei Mal was hat. Trotz der Risiken und Nebenwirkungen was die Darmflora betrifft, ist es kein Wunder das es immer populärer wird und inzwischen schon als Modegetränk in Dosen verkauft wird.
Als dann mein zugezogener Freund sich nach zehn Minuten Wartezeit dazu setzte, einen Schluck vom Viez nahm und sagte das es ihm schmeckt, wurde mir eines klar: Es ist wohl doch nicht ein Getränk, das uns von anderen ausschließt, sondern einfach etwas, auf was man sich einlassen muss, damit es jemandem gefällt. So wie der Trierer selbst. Am Schluss bleibt ein Getränk das perfekt zu seiner Heimat passt.
Raphael Wlotzki
Kleine Nebeninfo: Der Porz ist das einzige undurchsichtige Gefäß, das den Eichstrich legal außen haben darf.
Wunderapfel meint
Ob Äpplewoi, Most oder Viez, Apfelwein hat eine unheimlich breite Geschmacksvielfalt. Zumindest wenn man sich die Mühe macht, qualitativ hochwertige Produkte von kleinen, regionalen Manufakturen zu verkosten. Und dann schmeckt es nicht: „Bitter, sauer und etwas modrig.“ Und eine ganz besondere Spezialität, die man unbedingt mal probieren sollte ist Apfeleiswein.