Bericht: David Benke und Tatiana Kichkina/ Foto: Tatiana Kichkina
Noch einmal richtig schön warme Tage, noch einmal lässt sich die Sonne blicken. Trier erlebt einen richtigen Altweibersommer. Einen was? Vielen jungen Leuten ist der Altweibersommer heute gar kein Begriff mehr. Wo der Name seinen Ursprung hat und welche Bedeutung dahinter steht, das hat 5vier nachgefragt.
Trier. „Irgendwas mit Mittelalter?“ lautet der etwas hilflose Erklärungsversuch einer jungen Befragten. Sie ist mit ihrer Unwissenheit aber bei weitem nicht alleine, denn der Großteil der Jugendlichen in Trier weiß nichts mehr mit dem Altweibersommer anzufangen, geschweige denn, wo er herkommt. Aber auch die Älteren sind meist weit von der Wahrheit entfernt. Die alten Frauen sollen froh gewesen sein, dass es noch einmal warm wird, weil die Knochen dann nicht so weh tun. Oder genau anders herum sollen sie den Altweibersommer besser genießen können, weil er eben nicht so heiß ist. „Weil der Sommer langsam alt und grau wird“, vermutet hingegen Paul Marchall aus Luxemburg. Und liegt damit gar nicht einmal so verkehrt. Denn das Wort Altweibersommer hat tatsächlich mit den grauen Haaren alter Vetteln zu tun.
Wenn die Spinnen im Herbst ihre Netze knüpfen, segeln sie oft mit ihren Flugfaden durch die Luft. Und diese Fäden erinnern stark an das graue Haar alter Frauen. Im Althochdeutschen hieß das Wort „Weiben“ auch „Knüpfen“ der Spinnweben. Die andere Bedeutung lautet aber metaphorisch: die kurze sommerliche Periode im Herbst wird mit der zweiten Jugend der Frau verglichen.
Die Bedeutung des schweizerischen „Witwesömmerli“ oder des bayrischen Ähnlsummer (‚Großvatersommer‘) basiert wahrscheinlich auf dem Bild des alten, schwachen Sommers.
Wo immer der Begriff „Altweibersommer“ auch her kommt… Die Trierer genießen ihn auf jeden Fall. Für viele ist er die letzte Chance, noch einmal viel Zeit im Freien zu verbringen und Sonne zu tanken, ehe die triste und graue Jahreszeit sie ans Haus fesselt. Die einen gehen shoppen, die anderen verbringen Zeit mit ihrer Familie. Viele tummeln sich noch einmal im Garten und im Grünen. Und dabei ist es egal, ob alt oder nicht.
Der Altweibersommer in anderen Ländern
Frankreich: Sommer des St. Denis (auch Été indien) Der Heilige Denis (lat. Dionysius) war der erste Bischof von Paris, Missionar in Gallien und christlicher Märtyrer. Sein Gedenktag wird in der christlichen Tradition Anfang Oktober gefeiert.
Italien und portugiesischsprachiger Raum: Sankt Martinssommer Der Heilige Martin (lat. Martinus), der 3. Bischof von Tours, ist einer der bekanntesten Heiligen in der katholischen Kirche. St. Martinstag wird in der katholischen sowie in der orthodoxen Tradition gefeiert (jeweils Anfang November und Mitte Oktober). In Portugal nennt man diese Periode auch „Veranicu“, was bedeutet „Sommerchen“.
Ungarn, Polen, Russland, Ukraine, Weißrussland, Kroatien u.s.w. : Weibersommer Dieser Name ist mit der Zeit verbunden, zu der Bauern ihre Feldarbeiten beenden. In dieser konnten sich die Frauen nur mit der Hausarbeit beschäftigen. Im Altertum schloss man traditionell in dieser Periode Frieden, sang und feierte. Die Abergläubigen verbinden den Weibersommer auch mit Zauberei und Hexerei, die auf das Wetter Einfluss haben sollen.
Niederlande: Nachsommer (oder auch Altweibersommer) Der Begriff stammt aus der Nordgermanischen Mythologie, die die Schicksalsgöttinnen als Weberinnen und Spinnerinnen des menschlichen Lebens darstellt. Das Wort „Altweib“ (oder ältere Dame) kann auch dem weiblichen Geist mit langen weißen Haaren entsprechen.
Finnland: Ruska-Aika Im September fängt in Finnland bzw. in Lappland (der nördlichste Teil des Landes) die Ruska-Saison an. Diese ist der Höhepunkt des Jahres und der Übergang von der nachtlosen Zeit zum Halbdunkel der Polarnacht. Der Begriff „Ruska-Aika“ heißt „Zeit der Laubfärbung im Herbst“.
Schweden: Brigitta-Sommer Laut der alten schwedischen Legende dachte die Heilige Brigitta, dass das Wetter in Skandinavien zu kalt und düster sei und betete zu Gott. Daraufhin schenkte der Herr den Menschen noch einige Tage des Sommers im Herbst. Der Tag der St. Brigitta feiert man in Schweden am 7. Oktober.
USA und Kanada: Indianersommer Eine Theorie vermutet, dass der Name aus der Zeit der Algonquian-Indianer stammt. Diese glaubten, dass das sommerliche Wetter ihnen vom südwestlichen Gott Cautantowwit geschickt wurde. Laut einer anderen Theorie freuten sich die ersten europäischen Siedler in Neu England auf die Kälte des kommenden Herbstes, denn in der Zeit konnten sie ihre Gebiete ruhig ohne Waffen verlassen. Aber als es wieder wärmer und sommerlicher wurde, begannen die amerikanischer Ureinwohner (die sogenannten „Indianer“) mit ihren Attacken.
Japan: Kleiner Frühling und Momijigari Den warmen Spätsommer nennt man in Japan „kleiner Frühling“. Dort folgt man der Tradition, bei schönem Herbstwetter Landschaften, Parks oder Wälder zu genießen. Momijigari bedeutet „Herbstlaubjagd“.
China: Herbsttiger In der Periode zwischen August und Ende Oktober kommt der „Herbsttiger“ nach China, das bedeutet das Wiederaufleben der großen sommerlichen Hitze.
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