Trier. Aktuell wird in Deutschland erneut über die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen im ersten Drittel der Schwangerschaft diskutiert. Professorin Carina Dorneck von der Universität Trier hat aus rechtswissenschaftlicher Sicht dargelegt, warum sie die Entkriminalisierung für notwendig hält. Der Bericht einer interdisziplinären Kommission, die im April 2024 von der Bundesregierung eingesetzt wurde, plädiert dafür, das Selbstbestimmungsrecht der Frau stärker zu berücksichtigen und Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft rechtmäßig und straffrei zu gestalten.
Bericht der interdisziplinären Kommission
Die Kommission, bestehend aus 18 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizin, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften, hat umfassend untersucht, wie Schwangerschaftsabbrüche geregelt werden sollten. Ihr Vorschlag: Eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuchs (StGB) würde die Entscheidung für einen Abbruch entkriminalisieren und enttabuisieren. Professorin Dorneck unterstützt diese Empfehlung und betont, dass das Strafrecht nur als Ultima Ratio eingesetzt werden sollte.
Aktuelle rechtliche Lage und mögliche Veränderungen
Das derzeitige Gesetz sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich rechtswidrig sind, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleiben können. Diese Regelung ist im Paragraf 218 des Strafgesetzbuches festgehalten und hat in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen gesorgt. Dorneck erklärt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer neuen Regelung einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Ihr Vorschlag beinhaltet, den Regelfall eines selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen aus dem StGB zu streichen und stattdessen ein neues Gesetz zu schaffen, das diesen rechtlich absichert.
Kritik am bestehenden Beratungsmodell
Ein weiterer Punkt der Diskussion ist das bestehende Beratungsmodell, das vor dem Abbruch eine verpflichtende Beratung vorsieht. Empirische Studien zeigen, dass diese Beratung oft keinen signifikanten Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch hat. Dorneck fordert eine neutrale und ergebnisoffene Beratung, bei der die Schwangere über Hilfsangebote, finanzielle Mittel und Betreuung informiert wird. Sie warnt davor, dass Stigmatisierung und Druck nicht mit dem Grundrecht auf Selbstbestimmung vereinbar sind.
Stigmatisierung und Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen
Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sei entscheidend, um Stigmatisierungseffekte zu verringern und gesellschaftliche Tabus abzubauen. Dorneck betont, dass jedoch auch der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verbessert werden muss, da die Versorgungslage in vielen ländlichen Regionen problematisch ist. Die politische Diskussion über die Empfehlungen der Kommission dauert an, und es bleibt ungewiss, ob noch in dieser Legislaturperiode Entscheidungen getroffen werden.
Ein langer Weg zur Entkriminalisierung
Die Forderung nach einer Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist ein wichtiger Schritt, um die Rechte von Frauen zu stärken und gesellschaftliche Normen zu hinterfragen. Dennoch bleibt die Herausforderung, sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die tatsächlichen Zugangsbedingungen zu verbessern. Die Debatte ist also nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich und politisch von großer Bedeutung.
PM Universität Trier
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