Das Studium ist ein Dschungel. Der 5vier Reporter Lars Eggers hat ihn überlebt und enthüllt seine ganz persönlichen Überlebenstipps.
Dieser Artikel hätte schon lange fertig sein können. Aber dann habe ich eine Nachricht auf facebook bekommen, kurz mit meinem Bruder im Skype gehangen, ein Bild bei DeviantArt eingestellt und dann bei YouTube vorbeigeschaut. Ihr ahnt bereits die Moral der Geschichte und damit auch das Thema dieses University Survival Guides: das Internet. Für alle Studenten ist es inzwischen ein unersetzliches Instrument, ohne das ein Studium nicht mehr denkbar wäre. Aber das Netz hat in seiner unendlichen Fülle an nicht-studienbezogenen Angeboten auch eine Menge Fallstricke für Studenten gespannt.
Die ganze Welt auf einen Klick
Als ich meine Magisterarbeit schrieb erkannte ich schnell, dass die Unibib in Trier kaum ausreichen würde, um meine recht ausgedehnte Literaturrecherche zu stemmen. Was folgte ist für viele Studenten heute so alltäglich, dass viele es kaum noch wahrnehmen: Internetrecherche und Fernleihen. Drehen wir die Uhr doch einmal 15 Jahre zurück. Als das Internet noch nicht in jedem Haushalt so alltäglich wie fließend Wasser war, hätte mein Unterfangen etliche Wochen in Anspruch genommen: Manuelle Recherche in selten aktuellen Karteikarten-Katalogen, Fernleihanforderungen via Post und Telefon – allein die Telefonkosten (Flatrates gab es ja noch nicht) hätten Unsummen verschlungen. Meine Magisterarbeit wäre nicht in der Form, wie sie es nun getan hat zustande gekommen, das ist sicher.
Mit einer bequemen Fernleihe enden die für uns so selbstverständlichen Vorteile des Internets natürlich noch lange nicht. Online Stundenpläne, Unterrichtsmaterialien und selbst die bei vielen Studenten verhasste virtuelle Anmeldung für die Kurse stellt eine deutliche Verbesserung zu Massen von Studenten dar, die sich um ein paar kopierte Listen prügeln – und das ist nicht bildlich gemeint, glaubt mir! Wer nicht glaubt, dass das Internet sein Studium verbessert hat, der redet mal mit Bekannten, die vor zwanzig Jahren studiert haben – und teilt seine Erfahrungen danach mit ein paar Zeilen im StudiVZ.
Das Problem mit der Unendlichkeit
Man bekommt im Internet praktisch jede Information und eigentlich auch jeden Dienst, den ein Student braucht: Formel-Apps für alle möglichen mathematischen Probleme, online-Datenbanken für Juristen und natürlich auch jede Menge Infos unterschiedlicher Qualität zu praktisch jedem Buch und jeder Person, die es gab, gibt oder eventuell geben könnte. Und hier ist das Problem: Es existiert für dich praktisch keine Möglichkeit, die Richtigkeit oder auch nur den Wert einer Information im Internet zu verifizieren. Das Gleiche gilt zwar im Prinzip auch für die Bücher in der Bib, aber hier hat es vorher eine Menge regulierender Instanzen gegeben – Redakteure, Lektoren, Verlage, die Bibliothek selbst – die ein Indikator sind, dass die Info tatsächlich verwertbar ist. Ob und in welcher Form diese Kontrolle im Internet stattgefunden hat, lässt sich meist nicht sagen. Natürlich hat man auch hier gewisse Hinweise: Die Seiten von offiziellen Anstalten sind in der Regel verlässlicher, allerdings auch weniger aktuell. Selbst die am häufigsten zitierte und am seltensten genannte Quelle Wikipedia ist in ihrer Richtigkeit oft außerordentlich fragwürdig; lückenhaft im besten Falle. Wie schnell sich da ein Name für Politiker einschmuggeln lässt, durften wir ja bereits miterleben. Gibt es denn da überhaupt eine sichere Möglichkeit, Infos aus dem Netz zu ziehen?
„Nein“, lautet die klare Antwort von Lektor Hans-Werner Kegg von der Deutschen Presseagentur (dpa), „Aber sichere Information bekommt man nirgends. Auch Bücher oder diejenigen, die sie verfassen sind lange nicht immer verlässlich. Ich sehe immer wieder Interviews, in denen Akademiker vehement ihren eigenen Werken widersprechen. Die einzige Möglichkeit, sich sicher zu sein, dass eine Information valid ist, ist das Gegenprüfen. Man sollte sich niemals auf eine Quelle verlassen, egal wie verlässlich sie auch scheint. Findet man mehrere Quellen, die die gleiche Information enthalten, steigt die Glaubhaftigkeit. Aber letzten Endes ist es immer ein Ratespiel und selbst wir hier in der dpa liegen dabei oft genug falsch.“ Das Hauptproblem ist vor allem die Masse an Auswahl. Suchmaschinen geben jeden Treffer aus, ob nun für Studenten verwertbar oder nicht. Die akademische Bibliothek ist da im Vorteil, weil man in deren Regalen nur selten auf Gewinnspiele, Werbung oder die persönlichen Aussagen von Privatpersonen trifft. „Es gibt für jeden Suchbegriff eine Pornoseite.“ Dieser Spruch ist unter Journalisten wohlbekannt und leider sehr wahr.
Wie geht man nun als Student mit dem Internet um?
„Sehr, sehr kritisch“, meint Kegg dazu, „Alles was man liest muss hinterfragt, durch bestehende Literatur gestützt oder direkt an der Quelle verifiziert werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man gerade im akademischen Bereich mit den klassischen Zeitschriften und Bibliotheken besser beraten ist und wesentlich weniger Zeit braucht, als bei einer Internetrecherche. Sucht man den neuesten Stand der Dinge, kommt man aber um das Einwählen kaum herum. Für studentische Arbeit ist das Internet ein Hort vieler langer Nächte, wenn man es richtig macht.“
Gewissenhaft arbeiten und… ooohh, Kätzchen!
Zeitraubend ist nicht nur die Recherche, sondern vor allem das ganze restliche Angebot, welches das Internet einem auf den Bildschirm bringt. Die größte Bedrohung geht hier von Casual Games und Social Network Seiten aus. Mal Hand aus Herz – wer hat nicht schon mal eine Referatsvorbereitung damit verbracht Filmtrailer oder YouTube Videos zu gucken? Meine persönlichen Feinde sind hier facebook und Messengerprogramme wie ICQ. Versteht mich nicht falsch, ich finde die Dinger klasse. Ich bin mit allen möglichen Leuten – Familie, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen – bestens vernetzt… und einer hat immer Zeit zu quatschen. Am Morgen hat ein Kollege nix zu tun, aber neue Photos von seiner Tochter hochgeladen (oh, niedlich!), zur Mittagspause wird Essen diskutiert (Patrick geht schon wieder zum Chinesen!), am Abend pingt mich meine Online-Multiplayer Runde an („Lust auf Zocken?“) und mitten in der Nacht meldet sich mein Cousin aus Kanada und bringt mich auf den neuesten Klatsch-Stand („Kelly is pregnant… again!“). Das ist alles im Prinzip nicht so schlimm und kostet nicht viel Zeit. Aber rechnet man das mal zusammen, zieht sich die Arbeit durch diese Unterbrechungen enorm. Smartphones und die tückische Kombination von Casual Games und Chat auf facebook haben die Situation nicht wirklich verbessert. Um YouTube mache ich ja während ich arbeite ohnehin einen Riesenbogen, warum muss ich wohl nicht erklären.
„Das einzige, was gegen Ablenkungen dieser Art hilft ist Disziplin“, erklärt Lernpsychologin Stefanie Bauer mir auf Nachfrage, „Wenn man arbeitet, arbeitet man. Wer dem „Ping!“ des Chats nicht widerstehen kann, der darf ihn dann eben nicht öffnen.“ Ein guter Zeitplan und ein Wecker sind hier von Vorteil.
„Bei längeren Arbeiten sollte man alle 90 Minuten zehn Minuten Pause einlegen. In der kann man dann Emails abrufen, beim StudiVZ vorbeisehen und all die anderen Dinge tun, die während der Arbeitszeit verboten sind. Ist die Pause zu Ende, macht man das alles wieder zu und arbeitet weiter“, so Bauer.
Das Internet ist also Freund, Feind, Quell des Wissens, aber auch der Fehlinformation, aktuell, aber zeitraubend, nützlich, aber fundamental unnütz, verbindet Menschen und isoliert sie zur gleichen Zeit in permanter virtueller Beschäftigung. Das Internet ist also gut, aber schlecht.
Nun weißt du Bescheid. Keine Ursache. Ich helfe gern.
Das nächste mal: Essen und studieren – man kann nicht gewinnen!
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Bine meint
Krass wird es, wenn man wie ich kaum drumherum kommt immer in fünf Fenstern mit drei Leuten/Projekten zugange zu sein, oder zumindest meint, es nicht zu können.
An sich ist es ja wirklich so – kein Kunde kommt um, wenn seine mail mich nur alle 90min erreichen kann. Dennoch, der Sog der Dauerkommunikation und der Ablenkung bleibt.
Vielleicht schalte ich nächste Woche wirklich mal konsequent ab und schaue, ob ich damit besser zurechtkomme.
RAfH meint
Ich sing euch da eher die Oper. Bei mir hilft nur eins: aus mit dem ganzen Kram und zwar bis mein Wecker klingelt und es Zeit für Pause und Kommunikation ist.
Hatte da verschiedene Programme ausprobiert, teilweise sind die ganz nett, aber letztendlich kann das jeder auch selbst erreichen. Handy stellen und nur alle 30/60/90 Minuten Mail und Chat an. Wenn man da erstmal drin ist klappts auch mit der Arbeit.
Kawantosaurusrex meint
Ohja, davon kann wohl jeder ein Lied (oder je nach Fülle an Anekdoten eine ganze Oper) singen. Bin ja mal auf den Essensartikel gespannt!