The Big Lebowski, Fargo, True Grit, Barton Fink – Die Filme der Coen-Brüder haben Kultstatus erreicht und ihr aktuelles Werk Inside Llewyn Davis reiht sich voller Würde in die an Skurrilitäten reiche Liste ein. Erzählt wird die Geschichte eines am Leben und seinen musikalischen Idealen scheiternden Folkmusikers. Andreas Gniffke hat sich den Film im Trierer Broadway angesehen.
Das Glück ist nicht der beste Freund von Llewyn Davis. Im New York des Jahres 1961 schlägt sich der ebenso ambitionierte wie erfolglose Musiker durchs Leben. Seine Platte verstaubt im Hinterzimmer eines desinteressierten Managers, nicht einmal einen Wintermantel, geschweige denn ein Bett hat er im bitterkalten Winter zur Verfügung. Für jede Nacht muss er sich eine neue Couch zum Schlafen suchen, wobei es wenig hilfreich ist, dass er die wenigen Menschen, die ihm noch wohlgesonnen sind, in schöner Regelmäßigkeit vor den Kopf stößt. Nein, ein netter Mensch ist Llewyn Davis wirklich nicht, und so fällt es dem Zuschauer durchaus schwer, trotz der andauernden Niederschläge so etwas wie Mitleid mit dem Künstler zu empfinden.
Joel und Ethan Coen lassen so gut wie keine Gemeinheit aus, die sie ihrem Helden antun können. Gleich zu Beginn gibt es amtlich einen Schlag ins Gesicht, die mysteriöse Szene wiederholt sich noch einmal am Ende. Und viel besser ergeht es ihm in den gut 100 Minuten dazwischen auch nicht. Der wahrscheinlich fieseste Einfall ist hierbei die gewählte Zeit, in der Inside Llewyn Davis spielt. Musikalisch findet er durchaus Anerkennung, doch das kommerzielle Potenzial wird verkannt. Nur wenige Wochen oder Monate später wird sich dies durch einen jungen Künstler namens Bob Dylan ändern, für Llewyn bleibt nur der herumgereichte Hut in einer schummrigen Kaschemme.
Zumindest gesanglich dürfte der stets scheiternde Held dem großen Dylan sogar überlegen sein, Oscar Isaacs Gesang berührt und ist eine der ganz großen Stärken des Films. Die Ehrfurcht der Macher vor der Magie der Musik wird bei jedem Auftritt sichtbar und dem angemessen werden nicht nur Songschnipsel präsentiert, sondern den Liedern in ihrer Gesamtheit der nötige Raum gegeben. Das Tempo und die Stimmung des Films passen sich der Musik an. Inside Llewyn Davis wirkt wie ein trauriger, manchmal schmerzhaft schleppender Folksong, der die Hoffnungslosigkeit seines Helden beschreibt, aber nie den Respekt vor ihm verliert.
Neben dem großartigen Oscar Isaac tummelt sich eine ganze Reihe von Stars. Wenn die Coens rufen, sagt kaum einer nein. John Goodman glänzt als drogensüchtiges Jazzwrack, einen deutlich lebendigeren Eindruck macht Justin Timberlake, der einen Musikerkollegen Llewyns spielt, der sich mit dem Mainstream arrangiert hat und dem erfolglosen Kollegen wenigstens ein paar kleinere Jobs zuschustern kann. Weniger wohlgesonnen ist ihm Jean (Carey Mulligan), die vom Pechvogel evtl. ein Kind erwartet (ganz sicher kann sie sich bei der Vaterschaft nicht sein) und diesem bei jeder Begegnung ihre Verachtung entgegen schleudert.
Inside Llewyn Davis ist vielleicht nicht der stärkste Film in der langen Coen-Historie und es gab bestimmt auch schon einige mit rasanterer Handlung und vordergründigerem Humor. Doch ein herausragender Hauptdarsteller und der große Respekt, den die Macher ihrem Helden trotz aller Defizite entgegenbringen, heben den Film neben dem wunderbaren Soundtrack und dem präzisen Blick für die Merkwürdigkeiten des Lebens deutlich aus der Kinomasse hinaus. Wer sich darauf einlässt, wird sicher nicht enttäuscht das Kino verlassen.
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