Für viele Menschen war es eine große Überraschung, doch manche haben es auch genauso kommen sehen: Annegret Kramp-Karrenbauer tritt als Ministerpräsidentin des Saarlandes zurück, um Peter Tauber als Generalsekretär der CDU zu beerben. Wir beleuchten, was das für sie persönlich, für die Partei und unser Nachbarbundesland bedeutet.
Berlin/Saarbrücken. Vorgestern riefen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Noch-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Pressekonferenz. Kurz zuvor hat Generalsekretär Peter Tauber den Rückzug von seinem Amt angekündigt, das er etwa vier Jahre bekleidete. Dass Merkel eine schnelle Nachfolge vorschlagen wird war klar, doch ihre Wahl war es nicht. Zwar gab es schon vereinzelt Mutmaßungen, sowohl intern als auch von Journalisten (z. B. im Cicero 2014), dass „AKK“ Merkels Favorit zur Besetzung zur Generalsekretärin sei. Nun ist es schließlich soweit.
Diese Personalentscheidung war wichtig und gilt als Coup der Kanzlerin. Sie steht seit längerer Zeit unter Druck, spätestens nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags werden die Angriffe der christdemokratischen Kritiker immer offener, schließlich würden nur wenige Ressorts unter CDU-Führung stehen, sollte es zu einer Großen Koalition kommen. Die Partei sei entkernt, nicht mehr konservativ. Die Partei müsse sich endlich auch ohne den Namen Merkel vorstellen und profilieren können.
Ausgerechnet die als Merkel-Vertraute geltende Kramp-Karrenbauer nimmt eine Menge Gegenwind aus den Segeln dieser Kritiker. Roland Koch oder Paul Ziemiak (Vorsitzender der Jungen Union) gelten nicht gerade als die größten Unterstützer der Bundeskanzlerin, fanden aber lobende Worte für die Besetzung des wichtigen Parteiamts. Auch aus der CSU sind wohlwollende Worte zu hören.
Die Saarländerin will alle Flügel der Partei zusammenbringen, die sich in den letzten Jahren immer weiter auseinander bewegten. Laut ihrer Aussage sind die Wurzeln der CDU liberal, christlich-sozial und konservativ. Sie sei in keiner Schublade alleine vorzufinden. Ihr konservatives Profil hat sie schon mehrfach geschärft, Kritiker sprechen gar von Erzkonservativität. Das fußt vor allem auf ihren Aussagen zu Zeiten der „Ehe für alle“-Debatte, in der sie diese als möglichen Einstieg zur Öffnung des Diskurses zur Vielehe und gar innerfamiliären Beziehungen bezeichnete. Diese Aussage relativierte sie bis heute nicht. Dennoch wirkt sie modern, liberal und ein Stückweit lässig, sodass sie bei der Wahl am Montag auf dem Parteitag mit einer breiten Unterstützung rechnen kann. Konservativität heiße nicht, die 50er-Jahre zurück zu bringen, sondern dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werde.
Im Flügelstreit der demokratischen Rechten um Jens Spahn, die die Themen Ordnung, Migration und Sicherheit, sowie das einst verpöhnte Wort Leitkultur in den Mittelpunkt stellen wollen und den „Mittigen“ um Tauber und Armin Laschet, die die Partei bunter gestalten wollen, könnte Kramp-Karrenbauer also die ideale Mittlerin sein, die Ruhe an der Basis und somit auch für Angela Merkel bringen kann.
Dennoch wirft die Entscheidung, das Amt der Ministerpräsidentin aufzugeben, um ein Parteiamt zu bekleiden, nicht nur im kleinsten Bundesland Deutschlands Fragen auf. Im Wahlkampf zur Landtagswahl sagte die gebürtige Völklingerin, sie trete für die nächsten fünf Jahre an. Klar, das ist Politikersprech, was man ihr nur schwer vorwerfen kann. Ebenfalls stammt ihre Aussage „Zuerst das Land, dann die Partei, dann die Person“ erst vom (politischen) Aschermittwoch. So mancher Wähler wird sich aufgrund dieser Aussagen an dem ungewöhnlichen Karriereschritt stoßen.
Kramp-Karrenbauer sagte, ihr würde der Abschied aus dem Saarland schwerfallen. Sie sieht ihr Land und ihre Regierung jedoch gut aufgestellt, sodass sie guten Gewissens in die Hauptstadt wechselt. Ihr Nachfolger wird Tobias Hans, bislang CDU-Fraktionschef im Landtag, außerhalb gilt er als unbekannt. Es wäre wenig überraschend, sollte er auf Bundesebene ähnlich unpräsent bleiben wie Daniel Günther (Ministerpräsident Schleswig-Holsteins) oder Dietmar Woidke (MP Brandenburg).
Viele erwarten, dass der vermeintliche Rückschritt vom Staats- zum Parteiamt nur dazu dient, mehr Anlauf für den großen Sprung zu nehmen. Auch wenn sich offiziell niemand in dieser Hinsicht äußert, sehen viele die 55-Jährige als potentielle Nachfolgerin von Merkel, die ihre Partei nicht weiter nach rechts entwickeln möchte. Das vermutet beispielsweise auch der Trierer Stadtrats- und Landtagsabgeordnete Sven Teuber. Wann es diesbezüglich zum Machtkampf der Post-Merkel-Ära kommen wird, könnte noch Jahre auf sich warten lassen – oder vielleicht nur wenige Wochen.
Das hängt unter anderem vom SPD-Mitgliedervotum ab, das am 4. März verkündet wird. Über den Ausgang und deren Bedeutung werden Sie hier informiert werden.
Kommentar verfassen