Die Trierer Miezen stecken in ihrer 15. Bundesligasaison nach dem enttäuschenden Ausscheiden in der 2. Runde des DHB-Pokals zweifellos in einer schwierigen sportlichen Situation. Vorstand und Aufsichtsrat kennen die Probleme durch den extrem kleinen Etat, die wenigen wöchentlichen Trainingseinheiten und der beruflichen Doppelbelastung für die Spielerinnen, nehmen aber neben dem Ruf nach mehr finanziellem Engagement der Wirtschaft auch die Akteurinnen und sich selbst in die Pflicht. Unterdessen verlässt Peter Rohr den Vorstand des Clubs.
Trier. „Die Leistung im Pokal-Spiel war derart enttäuschend, dass ich nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt bin, es muss eine Konsequenz daraus geben. Ich bin zur Zeit mehr denn je beruflich eingespannt und kann nicht länger jene Zeit in den Verein investieren, die angesichts der aktuellen Lage nötig wäre. Darum stelle ich mein Amt im Vorstand zur Verfügung“, so Peter Rohr zu seinem Entschluss, den Vorstand des Vereins zu verlassen. Streit gab es dabei keinen; seine Kollegen in Vorstand und Aufsichtsrat danken Rohr für dessen geleistete Arbeit ausdrücklich und zeigen trotz Bedauern auch Verständnis für seine Entscheidung: „Peter hat den Umbruch in der Vereinsführung entscheidend mitgestaltet und damit wesentlichen Anteil, dass der Bundesligabetrieb erhalten werden konnte. Für Politik, Wirtschaft, aber auch die Mannschaft muss seine Entscheidung jedoch ein klares Zeichen sein“, erklärt Jürgen Brech, ebenfalls Vorstandsmitglied der Miezen. Gespräche für Rohrs Nachfolge laufen bereits.
Ein Problem mit vielen Gründen
Die sportliche Misere ist ein vielschichtiges und über die Jahre gewachsenes Problem. Seit dem Meisterjahr 2003 und dem zeitgleichen Ausscheiden des damaligen Hauptsponsors sank der jährliche Etat der Miezen kontinuierlich – umgekehrt proprtional stiegen damit auch die Probleme. Nach dem Ausscheiden von Martin Rommel im Jahr 2012 übernahm Rohr die Vorstandsverantwortung neben dem seit mehr als 16 Jahren im Vorstand aktiven Jürgen Brech, unterstützt von einem sechsköpfigen Aufsichtsrat, der neu installiert wurde. Somit begann eine neue Ära bei den Miezen, welche unter dem Primat der wirtschaftlichen Konsolidierung vor allem eine massive Reduktion der laufenden Kosten bedeutete. Im aktuellen Miezenkader spielt keine Profi-Spielerin mehr, alle Akteurinnen gehen regulären Jobs nach: „Anders ist ein Spielbetrieb bei einem Etat von rund 400.000 Euro pro Saison nicht möglich“, so MJC-Aufsichtsratsmitglied und Steuerberater Mike Nepit. „Andere Clubs in der Liga versuchten dennoch, weiterzumachen wie bisher und haben dafür teuer bezahlen müssen. Das kam für uns nicht mehr in Frage, wenngleich wir weiterhin mit den Lasten der Vergangenheit beschäftigt sind.“
Bedingt durch die Doppelbelastung von Sport und Beruf sank aber auch die Anzahl der Trainingseinheiten kontinuierlich: „Viele unserer Gegner, wie zum Beispiel Bietigheim, haben in der Vorbereitung etwa 17 Einheiten in der Woche absolvieren können, während wir im Schnitt auf gerade einmal fünf Einheiten kamen. Selbst in der laufenden Saison trainieren die meisten Teams etwa doppelt so häufig wie wir“, erklärt Jürgen Brech das Dilemma. Zudem müssen viele Spielerinnen nach nächtlicher Heimreise von Auswärtsspielen in der Woche oder sonntags schon wenige Stunden später wieder am Arbeitsplatz sein. „Trotz großen Entgegenkommens vieler uns unterstützender Arbeitgeber ist das eine enorme Belastung für unsere Spielerinnen, für welche ich allen Beteiligten absoluten Respekt zolle. Aber es muss klar sein, dass diese Bedingungen auch sportliche Folgen nach sich ziehen“, so Brech.
Trotzdem Einigkeit im Verein
Über den eingeschlagenen Weg ist man sich im Verein dennoch immer einig gewesen. „Wer Bundesligahandball in Trier erhalten möchte, für den gibt es derzeit nur diesen einen Weg“, so Aufsichtsratsmitglied Stefan Zenzen, der weiter ausführt: „Die direkte Konkurrenz wie Koblenz hat einen Etat von gut 800.000 Euro und mehr. Dennoch stehen auch einige dieser Teams derzeit sportlich sehr schlecht dar, was zeigt, dass wir bereits sehr effizient mit unseren Mitteln umgehen. Jeder zusätzliche Euro von Sponsorenseite hat bei uns also einen tatsächlichen Effekt auf die sportlichen Erfolgsaussichten des Teams. Um aber aus den ständigen Abstiegssorgen heraus zu kommen, brauchen wir bei aller Effizienz auch wieder mehr finanzielle Möglichkeiten“, so beschreibt der Anwalt die aktuelle Aufgabe bei der Sponsorenakquise als zweiten Schritt nach den großen Kosteneinsparungen. „Wir haben finanziell alles Mögliche getan, jetzt brauchen wir das neue Engagement der Sponsoren, um den Verein wieder nach vorne zu bringen“, ergänzt Brech. „Andernfalls waren alle Mühen am Ende nichts wert.“
Kein Aus für die Miezen!
Nicht einstimmen wollen die Verantwortlichen aber in den Kanon der Untergangspropheten. „Das Pokal-Aus war enttäuschend, tut aber zum Glück nicht lange weh. In der Liga haben wir gegen Bietigheim zwei Punkte verschenkt, mit denen wir zuvor aber auch nicht rechnen konnten. Insofern ist die Lage sehr ernst, aber alles andere als hoffnungslos“, bilanziert Aufsichtsratsmitglied Erwin Becker den Saisonstart mit vier Niederlagen in Folge. „Wir sollten mit unserem Kader in der Lage sein, zwei Teams hinter uns zu lassen, um im nächsten Jahr mit der Unterstützung neuer Sponsoren den lange ersehnten Schritt nach vorne machen zu können.“ Drei niederländische Junioren-Nationalspielerinnen sowie die Schwedin Sanne Backhed haben das Trierer Team zur laufenden Spielzeit verstärkt, wohingegen mit Nathalie Adeberg nur ein wirklicher Abgang zu verbuchen war.
„Wenn das Team eingespielt ist und mit vollem Einsatz und taktischer Treue spielt, sollten wir stärker sein, als in der vergangenen Saison. Spielerisch sieht man dies bereits jetzt“, so Becker. Entscheidend, so der Unternehmer, sei aber, dass die Mannschaft mit der schwierigen sportlichen Situation professionell umgehe und sich nicht in einen mentalen Abwärtsstrudel begebe. „Wir brauchen Zusammenhalt und gemeinsamen Kampf um jeden Preis. Dann werden wir die nötigen Punkte holen und den Trend brechen“, so seine Forderung an das Team. Die verletzten Leistungsträgerinnen Megane Vallet und Marta Pilmayer werden das Team indes wohl zum Rückrundenstart nochmals verstärken.
Doch vieles hängt auch von der breiten Öffentlichkeit ab. „Man kennt in Trier die Umstände sehr gut und weiß, wie schwer es Jahr für Jahr ist, den Bundesligabetrieb überhaupt zu ermöglichen. Ob 1. oder 2. Liga, es geht letztlich nur mit einem stärkeren finanziellen Engagement der Wirtschaft in der Region sowie der nach wie vor tollen Unterstützung von Fans und Freunden des Handballs“, so Sebastian Lindemans, der neben seiner Aufsichtsratsmitgliedschaft für die Pressearbeit verantwortlich ist. „Alle im Verein engagieren sich rein ehrenamtlich. Mit einer einzigen Halbtagskraft in der Geschäftsstelle müssen wir uns den Herausforderungen stellen, die andere Teams mit einem ganzen Stab an Personal bewältigen. Das zeigt eindrücklich, wie viel Herzblut hinter den Trierer Miezen steckt. Nur mit diesem Engagement können wir diese sportliche Institution erhalten und zurück in bessere Zeiten führen. Aber es bedarf auch des Willens einer ganzen Region, um den nötigen Schritt nach vorne wieder gehen zu können.“
„Wir sind uns bewusst, dass wir als Verein immer in der Bringschuld gegenüber unseren aktuellen und potenziellen Sponsoren stehen“, so Vorstand Jürgen Brech. „Mit dem sportlichen Erfolg gewinnt immer auch das Produkt Trierer Miezen an Wert. Dennoch ist es falsch, uns in der derzeitigen Lage abzuschreiben, schließlich sind die Trierer Miezen nach wie vor eine echte Marke, die neben 15 Jahren Erstligazugehörigkeit auch für großes soziales Engagement und quer durch Deutschland als Werbeträger für die gesamte Region steht. Unsere Spiele wurden im letzten Jahr im Schnitt von mehr als 1.000 Fans besucht, sowie im regionalen Fernsehen in voller Länge gezeigt. Jeder unserer Zuschauer kennt die Sponsoren der Miezen. Von unserer Mannschaft verlangen wir ohne Zweifel bedingungslosen Einsatz und eine professionelle Einstellung, aber wir brauchen neue Unterstützung, um darüber hinaus wieder die Erfolge feiern zu können, die sich die Menschen in der Region wünschen.“
Am Samstagabend um 19 Uhr treffen die Miezen auswärts auf den derzeit Tabellenneunten der Liga, die TuS Metzingen.
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