Vermisstenfälle, flackernde Lichter und viel Schlechtwetter. Mit „Dark“ ist nun die erste deutsche Netflixserie erschienen. Wir sagen euch, ob sich ein Binge-Marathon lohnt.
Dass Zeit linear verläuft stimme nicht. Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Eine Illusion. Und: Alles sei miteinander verbunden. Das erklärt uns eine Texttafel, wie auch eine Stimme aus dem Off. Dann wird ein Mann gezeigt, der einen Brief verschließt, Anweisungen vermerkt, wann dieser zu öffnen sei und sich erhängt. So düster beginnt, ganz dem Namen entsprechend, „Dark“, Deutschlands erste Netflixserie. Noch in der gleichen Folge wird sich der Sohn von gezeigter Figur Monate später genau dann, als das notierte Datum eingetroffen ist, in einen Vermisstenfall verstricken. Am Abend ertönt in den örtlichen Wäldern ein lautes, anschwellendes Geräusch aus einer Höhle, während in der ganzen Kleinstadt die Lichter zu flackern beginnen. Die sich im Waldgebiet treffende Gruppe von Jugendlichen ergreift erschrocken die Flucht, dabei geht aber gerade das jüngste Mitglied der Gruppe, Mikkel, verloren. Es ist der Auftakt einer Geschichte voller Wendungen und immer neu aufgeworfenen Geheimnissen und Ungereimtheiten.
5vier.de hatte bereits vor ein paar Monaten darüber geschrieben, dass sich hinsichtlich der Unterhaltungsindustrie der Trend immer weiter Richtung Streaming verschiebt. So schaffen es die großen Anbieter auch ihre neuen Produktionen ins Spiel zu bringen, indem sie schon im Vorfeld auffallend von sich hören lassen. Seit Bekanntwerden der allgemein gehaltenen Synopsis, sowie dem Erscheinen erster Trailer, wurde in Internetforen, Blogs und Onlinemagazinen diskutiert: Mysteryserie, vermisster Junge, düstere Atmosphäre, Netflix – wird das etwa das deutsche Stranger Things? Da jedoch auch der Stranger Things Plot alles andere als originell ist (schließlich ist Stranger Things letztlich das Beispiel für die filmisch umgesetzte Hommage an 80-er Jahre Sci-Fi Abenteuer), liegt diese Einschätzung auch nicht mehr daneben, als „Deutschlands Antwort auf Twin Peaks“. Denn auch wenn viele Ideen von „Dark“ alles andere als neu sind, gelingt den beiden Machern Baran bo Odar und Jantje Friese, eine recht eigenwillige, atmosphärische Mischung.
Science-Fiction made in Germany
Über „Dark“ zu reden ist unter anderem auch deswegen schwierig, da so mancher Plotpoint auch eine Wendung innerhalb der Serie darstellt, die man nur ungern vorwegnehmen mag. Es sei also nur so viel verraten, wie sich bereits aus den Trailern der Serie erschließen mag: Das was sich da in diesem Ort „Winden“ abspielt, ist nicht isoliert zu betrachten; denn ungelöste Vermisstenfälle ziehen sich durch die Geschichte der Kleinstadt, worauf die älteren Bewohnerinnen und Bewohner gut und gerne wiederholt hinweisen. Ein Vermisstenfall ist hier keine einfache Polizeiakte, sondern auch Familientragödie und Dorfgespräch. Die Familien, auf die sich die Handlung der Serie fokussiert, sind alle eng mit der Gemeinde verwoben. „Winden“ als Handlungsort wird vorwiegend durch das große Waldareal, bereits erwähnt Höhle, aber auch durch ein Kernkraftwerk und Dauerregen charakterisiert. Zusammen mit einem recht aufdringlichen Sounddesign von laut anschwellenden Geräuschkulissen, die spannende Momente und große Gefühle unterstreichen, kann man „Dark“ in der Gestaltung wenig subtil finden. Es ist vor allem das Auftauchen geheimnisvoller Charaktere, die mehr zu wissen scheinen, als die Anwohnerschaft, die dafür sorgen, dass man trotzdem am Ball bleibt. Spätestens mit einer Szene, als einer dieser Figuren den Zeitungsartikel zu Mikkels verschwinden einer Wandcollage hinzufügt und das „Wo ist Mikkel?“ zu „Wann ist Mikkel?“ ausbessert, wird klar, dass man sich den Weg in eine spannende Science-Fiction Geschichte bahnt. Einem Genre also, an das sich in Deutschland nur selten getraut wird. Dahinter steckt eine Absicht: „Klar hätte man auch einfach nur eine Crime Show oder etwas Historisches mit Nazis, DDR oder so machen können“, sagt Odar, „von Netflix kam aber klar die Ansage: Bitte macht was Eigenes – etwas, das Deutschland so noch nicht gesehen hat.“
Dass sich diese Intention für Netflix und Beteiligte auszahlt ist zu wünschen, denn auch wenn Deutschlands erste Netflixproduktion definitiv ihre Schwächen hat – würde man nicht gerade in einer Stadt, in der es ständig regnet darauf achten Regenschirme mitzunehmen oder wenigstens Kapuzen aufzuziehen – am Ende einer jeden Folge möchte man unbedingt wissen, wo die Reise noch hingehen wird. Das gilt im Übrigen auch für das wendungsreiche Staffelfinale. Also Beeilung bitte, liebes Netflix, was die Produktion einer potenziellen zweiten Staffel betrifft.
Von Oliver Maus
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