Am Mittwoch, 22. Mai, hatte die Bühne 1-Produktion „Der Mann in der Badewanne“ Premiere im Studio des Theaters Trier (5vier.de berichtete bereits im Vorfeld). In ihrer Inszenierung gehen die Studenten der Frage nach, wie (Jeder)man(n) zum Helden werden kann. Ein Lehrstück von Lukas Linder.
Albert Wegelin kommt eines schönen Morgens in sein Büro und muss einen neuen Namen an seinem Türschild vorfinden, der tolle Verkaufserfolg vom Kollegen, er wisse es doch. Der müsse ja belohnt werden, versucht seine Sekretärin es ihm schonend beizubringen. Mit einem schönen neuen Büro lässt sich so ein großer Verkaufserfolg doch ganz angemessen belohnen. Natürlich, muss auch Wegelin zugeben, das leuchtet ihm ein. Den angebotenen Keks zum Trost kann Wegelin locker ausschlagen, er versteht die Büroaktion ja, freut sich sogar für seinen aufstrebenden Kollegen. Mal ganz davon abgesehen, dass er „gerade nichts isst“, nachdem seine Freundin ihn verlassen hat. Auch in der Mittagspause verzichtet Wegelin auf das Kantinenessen, lässt sich schließlich vom aufstrebenden Kollegen weg schicken; da wird über Umstrukturierungen nachgedacht und es wäre wohl besser, wenn der liebe, gute Herr Wegelin nach Hause gehen würde.
Wegelin geht heim und verschwindet erst mal für eine Weile in seiner Badewanne, sogar der selbst gebackene Kuchen seiner Mutter kann ihn nicht aus selbiger sowie seiner Lethargie locken. Er isst eben gerade nichts. Wie auch? Ein Mensch ohne Biss kann auch schlecht essen. Doch da hat er nicht mit Mama gerechnet, die „wäscht“ ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, gut den Kopf und schickt ihn zurück ins Büro, nur damit Wegelin sich dort seine Kündigung abholen kann. Die Umstrukturierungen haben zugeschlagen, zusammen mit der tagelangen Appetitlosigkeit etwas zu viel für den guten Herrn Wegelin. Eine kleine Ohnmacht vorm Büro bringt ihn ins Krankenhaus und ins Licht der Öffentlichkeit.
Gut durchdachte Inszenierung
Ein gewiefter Journalist sieht in Wegelins traurig-sanfter Essensverweigerung einen knallharten Hungerstreik, den es ordentlich aufzubauschen gilt, angesichts der himmelschreienden Ungerechtigkeit, die dem guten Herrn Wegelin widerfahren ist. Er muss zwar etwas überzeugt werden, doch letztendlich lässt sich Wegelin zu einem ganz brauchbaren Helden der ausgenutzten Arbeiterklasse erziehen. Fleißig hungert er, macht Liegestütze und fungiert als Vorbild, als Held, als Projektionsfläche, schließlich aber auch als Werbemittel und, wenn er nicht aufpasst, als Märtyrer.
Will man die Leistung des Hauptdarstellers in dieser Inszenierung bewerten, muss man eine ganze Liste abarbeiten, denn jedes der jungen Schauspieltalente spielt Wegelin, dann wieder die nette Sekretärin, die ehrgeizige Exfreundin, die fürsorglich-bevormundende Mutter. So entsteht ein schöner Effekt, einmal wird die Botschaft von Regisseur Michael Gubenko transportiert, dass „absolut jeder“ zu einem Helden à la Albert Wegelin gemacht werden kann. Aber zum anderen kann jeder der Studenten „seinem“ Wegelin seine ganz eigene Handschrift geben, ohne dass die Figur in acht gänzlich verschiedene Figuren zerfällt. Trotz der vielen Rollentausche bleibt eine stringente Linie spürbar. Die Wegelins und Sekretärinnen, die Mütter und Exfreundinnen schaffen es eine durchgehende Spannung aufrechtzuerhalten, die den Zuschauer bei Laune und die Inszenierung am Ball hält. Viele gute Einfälle geben der Inszenierung einen besonderen Reiz, wie etwa das symbolische Kopfwaschen der Mutter, der Einsatz von Seifenblasen als Badewannenersatz, die Gesangseinlagen. Der Einfallsreichtum der Studenten muss sich nicht hinter dem professioneller Theatermacher verstecken. Hut ab.
Kreativ und ideenreich
Das Zauberwort sind hier aber in der Tat die Worte. Denn der Schwerpunkt der Inszenierung liegt auf dem sprachlichen Ausdruck und der intelligenten Bearbeitung des Textes. Da wird gerafft und nacherzählt, wiederholt und gesungen. So erfährt die Geschichte und auch die Erzählung der Geschichte eine spannende Veränderung. Zählen wirklich Fakten oder vielmehr die Art, wie Fakten erzählt werden?
Die Kostüme von Kirsten Wilmes unterstreichen den Kern der Inszenierung, durchgängig in einem beigefarbenen Leinenstoff gehalten, ist doch jedes von ihnen ein Unikat. Irgendwie sind alle Individuen, aber irgendwie sind auch alle gleich. Das Bühnenbild von Angela Weyer ist minimalistisch gehalten, ein paar Stühle ein paar Vorhänge mit Lichtelementen. Das war’s. Mehr braucht diese Inszenierung allerdings auch nicht. Jeder überflüssige Kunstgriff wäre vor allem eines: überflüssig.
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Fazit: Eine intelligente, gut durchdachte, kreative Inszenierung, die nur um Haaresbreite hinter Profi-Inszenierungen zurücksteht. Großes Lob an alle Beteiligten.
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Weitere Aufführungen: 26.5., 27.5., 28.5., 6.6., 8.6., 22.6.
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