Wissenschaftler, Politiker, Waldbesitzer und Forstleute diskutieren beim 5. Trierer Waldforum in der Europahalle.
„Unser Wald – Brennglas der Klimakrise“. Unter diesem Thema hatte Landesforsten Rheinland-Pfalz zum 5. Trierer Waldforum in die Europahalle eingeladen. Wegen der Einhaltung der Corona-Vorschriften durften lediglich knapp 300 Gäste an dieser Veranstaltung teilnehmen. Da das Interesse aber weitaus größer war, konnte das Symposium erstmals live über YouTube verfolgt werden.
Wie schon in den Jahren zuvor ist das Forstamt Trier Ausrichter der Veranstaltung, die seit 2010 alle zwei Jahre stattfindet. Eigentlich war 2020 der Termin für das 5. Trierer Waldforum, Corona hatte den Termin wie viele andere gecancelt. Doch davon ließen sich die Forstleute nicht entmutigen. In Gegenteil. Die eingeladenen Redner waren derart illuster, dass sie auch andernorts begehrt waren. So wie der deutsche Klimaforscher Prof. Hans Joachim Schellnhuber. Der renommierte Wissenschaftler hatte just zu diesem Termin kurzfristig eine Einladung zum Papst erhalten, den er zu Klimafragen berät. Da er erst am Nachmittag in Rom sein musste, spricht er kurzerhand per Liveschaltung zu den Gästen in der Europahalle. Und da dort auch ein Mensch mit Hörbehinderung anwesend ist, wird sein Vortrag wie alle folgenden von zwei Gebärden-Dolmetscherinnen übertragen.
Für den aus Potsdam zugeschalteten Schellnhuber steht fest, dass ein Umdenken beim Bauen der Schlüssel zum Erreichen des Pariser Klimaabkommens ist. Statt Stahl und Beton müsse man Holz als Baumaterial nutzen, das CO2 dauerhaft binde. Damit könne die Klimaerwärmung bei 2 Grad Celsius gestoppt werden. Holz gebe es dazu genügend auf der nördlichen Halbkugel, die Waldfläche habe hier zugenommen. Viel problematischer sehe es auf der anderen Seite des Planeten aus. Unternehme die Menschheit aber nichts, drohe eine Verselbstständigung des Klimawandels, die zu einer Erwärmung von 8 Grad Celsius führen könne: „Das wäre der größte anzunehmende Unfall!“
„Wir halten das Schicksal unseres Planeten in den Händen.“
Im Augenblick sei man noch drei Zehntel von der 1,5 Grad-Marke entfernt, die nicht mehr zu halten sei. „Der Klimawandel bringt uns ein neues Zeitalter der Extremerlebnisse.“ Die Veränderung von Jetstream und Golfstrom, das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher sowie Starkregen und Tornados seien Beispiele dieser direkt zu beobachtenden Ereignisse. Sehenden Auges habe man diese Entwicklung zugelassen: „Wollen wir eine solche Welt unseren Nachkommen zumuten?“ Für Schellnhuber steht fest: „Wir sind jetzt diejenigen, die das Schicksal unseres Planeten in den Händen halten.“
Der Geobotaniker Professor Frank Thomas von der Universität Trier stimmt in die warnenden Worte seines Potsdamer Kollegen ein. Thomas hat beobachtet, dass die Trockenheit in der Zeit von 2003 bis 2018 zu gravierenden Schäden geführt hat: „Alleine in Rheinland-Pfalz ist in dieser Zeit eine Fläche von 30.000 Hektar verloren gegangen.“ Was das bedeutet, übersetzt Forstamtsleiter Gundolf Bartmann: „Das entspricht der Fläche von 42 Forstämtern, die komplett verloren gegangen ist.“
Doch damit nicht genug: „Zwischen 2018 und 2020 hat es 20.000 Hektar Schadholz gegeben – das entspricht 2,5 Prozent der hiesigen Waldfläche.“ Der Waldbestand dürfe deshalb auf keinen Fall verringert sondern müsse vergrößert werden. Dabei stehe auch ein Umbau des Waldes auf Baumsorten, die mit der Trockenheit umgehen können, an: „Eine Herkulesarbeit, schließlich betrifft das ein Viertel der gesamten Waldfläche.“ Das Problem sieht der Geobotaniker im Zeitfaktor. Für gesicherte Aussagen zur Wahl der Bäume brauche man mindestens 70 Jahre. Bei der seit 70 Jahren angebauten Douglasie, die mit der Trockenheit relativ gut klarkomme, könne man das schon heute mit ziemlicher Sicherheit sagen.
„Jede Region ist vom Klimawandel betroffen“
Auch die Bewahrung der Schöpfung, also Gedanken aus theologischer Sicht, ist Thema in der Europahalle. Der Moraltheologe Prof. Johannes Brantl von der Theologischen Fakultät Trier mahnt die Verantwortung für die Schöpfung an. Diese Verantwortung sei kein einfach beliebiges moralisch-ethisches oder politisches Motto. Der Mensch habe einen Herrschaftsauftrag mit dem Inhalt, die Vielfalt zu bewahren und dem Leben zu dienen. Wer aber eigene Wünsche und Bedürfnisse seinem Handeln voranstelle, reagiere wie ein Despot. Leider ziele das menschliche Verhalten oft auf das Maximum des unmittelbaren Erfolges ab: „Wir beuten dabei die geliebte Natur hemmungslos aus.“ Die Natur dürfe nicht vordergründig nach dem „Gebrauchswert“ taxiert werden. Stattdessen müsse die Bewahrung der Artenvielfalt und der Respekt gegenüber Tier und Botanik im Vordergrund stehen. Brantl gibt zu bedenken, dass die armen Regionen, die wenig zum Anstieg der klimarelevanten Gase beitragen können, die Hauptlast der Folgen der Klimaveränderung zu tragen haben.
Diese Folgen sieht auch Ulrich Matthes, Leiter Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz, allüberall: „Jede Region auf dem Globus ist inzwischen vom Klimawandel betroffen.“ Drei trockene Jahre in Folge hätten dem Wald in Rheinland-Pfalz enorm zugesetzt. Für ihn hat eine Frage die zentrale Bedeutung: „Welche Baumart kommt am besten mit der Veränderung zurecht?“ Seine Hoffnungen ruhen beispielsweise auf Traubeneiche und Rotbuche. Doch er weiß auch: „Erfahrung braucht Zeit.“
Malu Dreyer grüßt per Videobotschaft
Forstwirtschaftsrat Georg Schirmbeck zeigt sich beunruhigt: „Die Holzpreise haben sich vervielfacht – nur kommt davon nichts im Wald an.“ Für ihn ist das eine fatale Entwicklung, schließlich benötige man dringend das Geld für die Aufforstung. Den Waldumbau, wehrt er sich, betreibe man nicht erst seit gestern. Er räumt allerdings ein, dass man das „in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Intensität“ vorangetrieben habe. Dennoch begrüßt er die wissenschaftliche Begleitung und fordert von der Politik mehr junge, gut ausgebildete Förster auf mehr Planstellen. Gerne hätte er diese Forderung an Ministerpräsidentin Malu Dreyer gerichtet. Doch die ist an diesem Morgen verhindert, muss in Berlin die Interessen der rheinland-pfälzischen Flutopfer vertreten.
In einer Videobotschaft grüßt die Ministerpräsidentin und bringt ihre Verbundenheit gegenüber dem Forst zum Ausdruck. An ihrer Stelle ist Klimaschutz- und Forstministerin Anne Spiegel zusammen mit ihrem Staatssekretär Erwin Manz präsent. Sie informiert die Anwesenden über die forstpolitischen Ziele des Landes. Nach ihren Worten sind 84 Prozent der Bäume geschädigt. Es bedürfe großer Anstrengungen und vieler Menschen, die sich für den Wald engagieren. Dazu habe das Land nicht zuletzt auch für den Nachwuchs neue Stellen geschaffen, um die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen.
„Fridays for Future“ ist ebensfalls vertreten
Stichwort Jugend: Eine, die der jungen Generation ihre Stimme gibt, ist Antonia Messerschmitt. Bei den Medien ist die Münchner Wirtschaftsstudentin für „Fridays for Future“ eine gefragte Interviewpartnerin. Beim 5. Trierer Waldforum, das übrigens von der Hamburger Journalistin Tanja Busse und Gundolf Bartmann professionell moderiert wird, fordert Messerschmitt von den Forstleuten und Waldbesitzern zur Erreichung der Klimaziele das Prinzip der Nachhaltigkeit ein. Sie kritisiert Vorhaben wie den Moselaufstieg oder das Projekt „Mehringer Höhe“, wo unberührte Natur neuen Industrieflächen weichen soll. Der Trierer Baudezernent Andreas Ludwig verfolgt die Ausführungen der jungen Frau aufmerksam. Er repräsentiert an diesem Tag die Stadt, die immerhin 2500 Hektar Wald besitzt. Ludwig begrüßt das Engagement von „Fridays for Future“: „Den Klimawandel zu leugnen, ist absoluter Blödsinn. Denn er ist längst da und die Schäden unübersehbar.“
Forstamtleiter Gundolf Bartmann weiß am Ende der Veranstaltung, dass auch diese Veranstaltung nicht die Lösung drängender Probleme gebracht hat. Der Erfolg liegt aber darin, dass viele Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammengeführt und zu gemeinsamen Anstrengungen motiviert wurden.
Text von Rolf Lorig
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