Weihnachten ist die Zeit des Schenkens. 5vier gibt einen Einblick in die Psychologie des Gebens – und des Nehmens.
Seien wir mal ehrlich – Weihnachten sind Feiertage, aber es dreht sich doch sehr viel um die Geschenke. Was schenke ich dem Freund/der Freundin? Was kriege ich wohl von meinen Eltern? Das Schenken ist – jetzt mal fernab jeglicher Konsumkritik – ein fester Bestandteil der Weihnachtskultur.
„Geschenke sind eine Möglichkeit Emotionen auszudrücken“, erklärt Diplom-Psychologin Tina B., „Das klingt vielleicht sehr offensichtlich, ist aber die Essenz des Schenkens. Man gibt freiwillig etwas auf – Geld, Zeit, Mühe – um es jemand anderem zu geben.“ Im Idealfall wird ein Geschenk ohne jeden Hintergedanken erbracht.
„Tatsächlich ist das aber oft nicht der Fall“, erklärt die 24-jährige, die ihre Diplomarbeit über den sozialen Druck von Geschenken verfasst hat.
Ein Spiegel des eigenen Charakters
„Jedes Geschenk, das eine Person vergibt, ist eine Spiegelscherbe, in der man seine Psyche erkennen kann. Wir alle kennen das: Ein Bekannter verteilt sündhaft teure Geschenke, die einem fast schon zu edel sind. Man begibt sich damit in eine Abhängigkeit, die man nicht möchte“, erklärt Tina B. Viele Menschen machen Geschenke, die nicht wirklich dem Beschenkten gelten, sondern eher sich selbst. Insbesondere in Beziehungen kommt es oft vor, dass ein Partner sich mehr Zuneigung zu „erschenken“ versucht.
„Nicht selten ist dieses Verhalten unbewusst. Oft ist es den Betreffenden gar nicht klar, dass sie versuchen mittels ihrer Geschenke, das soziale Gefüge um sie herum zu beeinflussen.“ Um solche Dinge zu vermeiden, kennt Tina B. drei einfache Schritte, die zu einem ehrlichen Geschenk führen.
Warum dies und nichts anderes?
„Das Schwierigste an der Auswahl der Geschenke ist die Frage nach dem Warum“, erklärt die Psychologin, „Warum schenkt man eine bestimmte Sache?“ Die richtige Antwort auf diese Frage sollte irgendwo zwischen „Weil der Beschenkte sich darüber freut“ und „Weil der Beschenkte es wirklich gebrauchen kann“ liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zwei iPhones braucht, ist zum Beispiel sehr gering. Also kein gutes Geschenk. Hat der oder die Beschenkte aber noch kein Handy, dann könnte es die ideale Gabe sein.
„Die persönliche Situation und der persönliche Geschmack des Beschenkten sollte der Ausgangspunkt jedweder Überlegung sein. Das ist eigentlich selbstverständlich, wird aber erstaunlich oft nicht eingehalten. Ein Geschenk ist eine selbstlose Sache, man sollte den eigenen Geschmack immer hintenanstellen.“
Sozialen Druck beachten
„Besonders wichtig ist es, dass man keinen Druck mit seinem Geschenk aufbaut“, rät Tina B. Das tollste und brauchbarste Geschenk kann nach hinten losgehen, wenn es sozialen Druck in irgendeiner Form aufbaut. „Die häufigste Form des sozialen Drucks ist finanzieller Druck.“ Wenn jemand in einer schwierigen finanziellen Situation ein sehr teures Geschenk erhält, so löst dies oft ein schlechtes Gewissen aus, entwertet unter Umständen das eigene Geschenk und in Folge dessen macht die Gabe keine Freude.
„Finanzieller Druck ist nicht der einzige. Auch das falsche soziale Register kann ein Geschenk zunichte machen. Wenn man zum Beispiel ein Geschenk an einen Bekannten macht, dass für einen engen Freund gedacht ist, so kann dies genauso sozialen Druck aufbauen.“
Ehrlich sein
Der dritte Schritt ist vielleicht der schwerste für den Schenker: sei ehrlich. Überlege gut, was du schenkst und warum.
„Oft ist ein ehrliches Geschenk ein nicht sehr teures. So kitschig das klingt, persönlich angefertigte Dinge kommen fast immer besser an, als gekaufte. Um noch kitschiger zu werden: Es ist der Gedanke, der zählt.“ Schenker mit zwei linken Händen können auch ein gekauftes Geschenk „individualisieren“, zum Beispiel kreativ verpacken oder eine flotte Karte dazulegen.
Wer sich nun Sorgen macht, ob sein Geschenk das Richtige ist, den kann Tina B. beruhigen: „Wenn man die ersten beiden Schritte beachtet und sich immer ehrlich fragt: ‘Wird sich der Beschenkte über meine Idee freuen?‘ kann man eigentlich wenig falsch machen. Man sollte die Sache nicht zu stark überdenken, schenken ist in erster Linie eine Herzenssache. Die meisten Menschen haben da einen guten Instinkt.“ Und wer sich fragt, ob es als Psychologin einfacher ist, Geschenke zu kaufen – auch darauf gibt es eine Antwort: „Leider nein. Ich glaube, es ist eher gegenteilig. Ich mache mir wohl viel zu viele Gedanken über das alles. Eine Einsicht in solche Vorgänge zu haben, macht das Weihnachtsshopping nicht wirklich einfacher“, lacht die Psychologin.
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